OLG Frankfurt/M. verurteilt Abdullah Ö. zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren

Der im April des vergangenen Jahres begonnene PKK-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Abdullah Ö., endete heute vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M.. Der Staatsschutzsenat sah es als erwiesen an, dass sich der 59-Jährige unter dem Namen „Xebat“ von 2019 bis zu seiner Festnahme im Mai 2021 für die PKK als Regions- bzw, Gebietsverantwortlicher in Hessen und im Saarland betätigt habe. Deshalb und weil der Kurde aufgrund früherer politischer Aktivitäten sowohl in Frankreich als auch in Deutschland vorbestraft sei, verurteilte das OLG Abdullah Ö. wegen Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ nach §§ 129a/b StGB zu einer Haftstrafe von vier Jahren und fünf Monaten. Auch wenn sie damit unter dem von der Generalstaatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von über fünf Jahren geblieben ist, geht es in diesen Verfahren nicht um Recht und Gerechtigkeit. Vielmehr sind sie als Angriff auf die politische Gesinnung der Betroffenen zu sehen. Deshalb protestierten die Besucherinnen und Besucher gegen dieses Urteil.

Die Verteidigung, Rechtsanwältin Antonia von der Behrens und Rechtsanwalt Stephan Kuhn, hatten Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Ihre ausführlichen während des Prozesses eingereichten Anträge zur Frage der Willkürlichkeit der Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium, zu den völkerrechtlichen Aspekten des Freiheitskampfes der PKK oder der Völkerrechtsverstöße durch das türkische AKP/MHP-Regime, blieben weitestgehend unberücksichtigt. Abgelehnt hatte das Gericht u.a. die beantragte Ladung von Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank als Zeuge.

Der politische Beamte war Anfang Juli 2022 anlässlich eines formellen Besuchs auf höchster Regierungsebene in der Türkei auch von Präsident Recep T. Erdoḡan empfangen worden. In den Gesprächen dürfte es zweifellos um Forderungen von türkischer Seite gegangen sein, strafrechtlich noch umfangreicher gegen Anhänger:innen der PKK in Deutschland vorzugehen und deren Auslieferung zu forcieren. Prompt erfolgten zahlreiche Durchsuchungen von Wohnungen und kurdischen Vereinen u.a. in Nürnberg, Hannover oder Darmstadt, Beschlagnahmungen und Festnahmen.

Auch die gestrige Verurteilung des Aktivisten Özgür A. durch das OLG Koblenz zu einer hohen fünfjährigen Haftstrafe kann für die Bereitschaft der bundesdeutschen Justiz sprechen, Forderungen aus Ankara umzusetzen. Der Rückendeckung der Verantwortlichen auch dieser Bundesregierung kann sie sicher sein.

AZADÎ ruft alle demokratischen Kräfte auf, sich dieser Politik zu widersetzen, durch die seit nunmehr drei Jahrzehnten ein Teil der hier lebenden Bevölkerung durch Kriminalisierung entrechtet, unter Generalverdacht gestellt, als „terroristisch“ stigmatisiert und ausgrenzt wird. Zudem ist es hohe Zeit, dem Regime in Ankara die kalte Schulter zu zeigen. Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 14. Mai mögen eine Richtungsänderung geben.

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Köln, 11. Mai 2023