Politisches Erdbeben in Peru: Präsident Castillo nach Selbstputsch abgesetzt, US-gestützte Regierungschefin eingesetzt

Am Mittwochabend löste der bereits weitgehend isolierte peruanische Präsident Pedro Castillo das Parlament auf und verhängte eine Ausgangssperre. Doch ein Großteil seiner Regierung, das Militär, die Polizei und das nationale Gericht verweigerten ihm die Gefolgschaft. Anschließend wurde er festgenommen und stattdessen seine Vizepräsidentin Dina Boluarte eingesetzt. Sie wurde unmittelbar von den USA als Nachfolgerin anerkannt. Wie kam es zu der Situation?
Peru durchlebt bereits seit mehreren Jahren eine politische Krise. Seit 2016 gab es nunmehr sieben verschiedene Präsident:innen. Hintergrund sind schwere ökonomische Verwerfungen bei der sich neben den Auswirkungen der Pandemie hohe Inflation mit niedrigem Wirtschaftswachstum verbinden.

Seit Juli 2021 bekleidete das Amt des Präsidenten Pedro Castillo als Kandidat der linkskonservativen Partei Peru Libre. Seinem Amtsantritt war ein durchaus ungewöhnlicher und knapper Sieg vorausgegangen: Unterstützung hatte der ehemalige Anführer einer Lehrergewerkschaft aus Teilen der Arbeiter:innen- und Bäuer:innenbewegung erhalten. Castillo wollte soziale Reformen durchsetzen, ohne jedoch mit dem Kapitalismus zu brechen. Zugleich nahm er durchaus auch reaktionäre Positionen beispielsweise gegen homosexuelle und queere Personen ein.

Seine Amtszeit war geprägt von Intrigen und Personalrochaden: insgesamt 67 Minister:innen wurden in nur einem Jahr bis August 2022 berufen bzw. abberufen. Schon früh kam es in seiner Regierungsfraktion zum Bruch. Im Oktober vergangenen Jahres drängte der Präsident führende Teile des sich als „marxistisch“ bezeichnenden Flügels um Guido Bellido, und die Gebrüder Cerrón aus der Regierung, um die „Regierungsfähigkeit“ wiederherzustellen.

Waldemar Cerrón bezeichnete dies als „Verrat an allen Mehrheiten, die lange Jahre darauf gewartet haben, an die Macht zu kommen, um beachtet zu werden“. Darauf hin versagte ein Teil der Partei Peru Libre Castillo die Gefolgschaft und er isolierte sich zunehmend in der eigenen Partei.

Gegen soziale Proteste im März und April 2022, die aufgrund der hohen Inflation ausbrachen, ging er mit Ausgangssperren vor, die er teilweise kurz danach wieder aufheben musste, da die Demonstrationen dagegen zu stark waren. So untergrub er seine Basis in den sozialen Bewegungen. Im Juni 2022 trat Castillo letztendlich sogar aus der eigenen Organisation aus, um einen Parteiausschluss zuvorzukommen, blieb jedoch Präsident.

Amtsenthebung und Selbstputsch
Für Dezember war nun ein drittes Amtsenthebungsverfahren gegen Castillo angesetzt. Am Mittwoch, kurz vor der Abstimmung über seine Amtsenthebung kündigte Castillo dann in einer Fernsehansprache die Auflösung des Parlaments, die Ausrufung des Notstands und eine Ausgangssperre an.

Vielfach wurde daraufhin von einem “Selbstputsch” gesprochen, wie es schon der peruanische Diktator Fujimori 1992 gemacht hatte – damals jedoch mit Erfolg und Unterstützung durch die Eliten in Staat und Kapital, um gegen die peruanische Guerillagruppe Leuchtender Pfad mit faschistischen Methoden vorzugehen.

Wie sehr Castillo zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits isoliert war, zeigte sich daran, dass ein Großteil seiner eigenen Regierung ihm die Gefolgschaft verweigerte, darunter die Premierministerin, der Außenminister sowie die Minister:innen für Justiz, Wirtschaft, Arbeit, Außenhandel, Umwelt und Frauenangelegenheiten. Auch Militär und Polizei erklärten Castillos Ausführungen für nichtig.

Castillos Vizepräsidentin Boluarte spielte sogar eine führende Rolle im weiteren Vorgehen gegen Castillo, sie lehne seine Entscheidung ab, denn es handle sich um einen “Staatsstreich, der die politische und institutionelle Krise verschärft”. Die führende perauanische Zeitung „La Republica“ spekulierte deshalb über einen Deal von Boluarte mit den traditionellen Rechten sowie den Anhänger:innen des ehemaligen faschistischen Diktators Fujimori. Tatsächlich wurde die kurz darauf als erste Präsidentin des Landes vereidigt. Castillo wurde auf dem Weg zur mexikanischen Botschaft, in der er um politisches Asyl bitten wollte, verhaftet. Ihm droht nun eine Anklage wegen “Rebellion”.

Unterstützung durch Kapital, Kirche und USA
Bereits am nächsten Tag erhielt die 60-jährige Boluarte die Unterstützung durch die zentralen Machtzentren und Zirkel in Peru. So traf sie sich zum einen mit dem Erzbischof von Lima, Carlos Castillo, und erhielt damit den Segen der katholischen Obrigkeit. Auch der mächtige Kapital-Verband CONFIEP unterstützte Boluarte und erbat von ihr eine “fähige” Regierung.

Zudem zeigte auch die traditionell einflussreiche US-Führung ihre Unterstützung. “Wir loben die peruanischen Institutionen und zivilen Behörden für die Sicherung der demokratischen Stabilität und werden Peru unter der Einheitsregierung, die Präsidentin Boluarte zu bilden versprochen hat, weiterhin unterstützen”, so ein Sprecher des US-Außenministeriums in einer Erklärung.

Auf den Straßen kam es zu im Anschluss an den Machtkampf zu einigen Protesten. Die Polizei ging mit Tränengas vor. Castillo ist mittlerweile jedoch so isoliert, dass bisher größere Aktionen wie umfassende Streiks oder ähnliches ausbleiben.

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