Am Dienstag, den 27. Juni, wurde der 17-jährige Naël gegen 8.30 Uhr im Pariser Vorort Nanterre von der Polizei bei einer Kontrolle wegen einer „Befehlsverweigerung“ ermordet. Nach Bekanntwerden der Nachricht begannen der Staat, die Justiz, die Polizei und die extreme Rechte sofort damit, die Sichtweise des Mörders zu verbreiten, der behauptete, dass „Naël auf die beiden Polizisten zulief, um einen Mord zu begehen, indem er sie rammte“. Doch schon bald enthüllte ein Video, das die Szene von Anfang bis Ende zeigte, das wahre Gesicht der Polizei. In dem Video sieht man, wie zwei Polizisten auf Motorrädern links neben dem Auto stehen, wobei einer seine Waffe auf Naël richtet und man hört, wie er sagt: „Ich werde dir eine Kugel in den Kopf jagen“, während sein Kollege mit dem Ruf „Schießen Sie ihn ab“ auf sich aufmerksam macht!
Es ist offensichtlich, dass Naël versucht hat zu fliehen, um sich vor einem rassistischen Mord zu schützen, der viele Menschen aus den Vorstädten und mit Migrationshintergrund das Leben gekostet hat. In Frankreich wird im Monat durchschnittlich eine Person von der Polizei in ihrem Fahrzeug wegen „Befehlsverweigerung“ ermordet, und seit der Verabschiedung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit im Jahr 2017 hat sich die Zahl der Morde in einem Auto verfünffacht. Seit 2010 ist die Nationalpolizei für 72% der 344 Todesfälle verantwortlich, die durch einen Einsatz der Ordnungskräfte (ohne Einsatzeinheiten, Zoll und CRS) verursacht wurden. Zwischen dem Zeitraum 2012-2016 einerseits und 2017-2021 andererseits stieg der Waffengebrauch durch Polizisten um 26%; und der Einsatz von Waffen gegen ein Fahrzeug stieg um 39%.
Es wurden 40.000 Polizisten für die Proteste mobilisiert, die mittlerweile ca. 660 Menschen festgenommen haben. Ebenso gibt es Demonstrationen in Belgien, auf denen die Protestierenden ihre Solidarität und ihre Wut kundtun. Nach neuen Entwicklungen soll wohl auch die RAID (Recherche, Assistance, Intervention, Dissuasion, deutsch: Suche, Unterstützung, Intervention, Abschreckung) eingesetzt werden – eine Spezialeinheit der französischen Polizei, die eigentlich zur „Terror“-Bekämpfung dienen soll. Auch die Ausrufung eines Notstandes ist ebenso eine Möglichkeit, so die Premierministerin Elisabeth Borne. Mit voller Härte will der französische Staat diese Proteste niederschlagen.
Diese Hinrichtung ist kein Einzelfall, sondern ergibt sich aus dem Rassismus des Staates und der Polizei in den Vorstädten. Noch nie ist ein Polizeibeamter hinter Gittern gegangen oder wurde bestraft, in allen Fällen wurden sie nach einigen Monaten an einen anderen Ort versetzt. Auch hier gilt für den Mörder von Naël erstmal Unschuldsvermutung. Es sind die Unterdrückten, Migrant:innen und Naëls Angehörige die auf der Straße Gerechtigkeit für ihn und alle weiteren Polizeitoten fordern. Es ist die Suche nach Gerechtigkeit, die die französischen Straßen heute zum Schauplatz des Zorns macht.