Am vergangenen Dienstag startete die zweite Welle im sogenannten Antifa-Ost-Prozess in Dresden. Die Bundesanwaltschaft wirft sieben Antifaschist:innen vor, eine Angriffsserie gegen verschiedene Faschisten organisiert und durchgeführt zu haben. Die Verteidigung fordert eine Aussetzung der Verhandlungen und äußert Zweifel an der Fairness des Verfahrens. Zahlreiche Unterstützer:innen sammelten sich zudem vor und im Gerichtssaal.
In Dresden startete am vergangenen Dienstag der Prozess gegen sieben Antifaschist:innen zwischen 28 und 49 Jahren. Ihnen wird vorgeworfen, eine Angriffsserie gegen verschiedene Faschisten organisiert und durchgeführt zu haben. Vier der sieben Angeklagten sitzen bereits seit Januar 2025 in Untersuchungshaft, drei weitere sind derzeit auf freiem Fuß. Sowohl vor dem Gerichtssaal als auch später im Gerichtssaal zeigten sich andere Antifaschist:innen solidarisch. So sollen zu Beginn des Prozesses verschiedene Sprechchöre von den Zuschauer:innen ausgegangen sein: Unter anderem „Free all antifas“ und „Alle zusammen gegen den Faschismus“.
Die Prozesse gehören zum sogenannten Antifa-Ost-Verfahren und schließen an die Prozesse an, die bereits zuvor gegen die Kasseler Antifaschistin Lina E. und vier weitere geführt wurden. Die Angeklagten erhielten damals Haftstrafen zwischen 2,5 und 5 Jahren. Nach der Verurteilung der Nürnberger Antifaschistin Hanna starten in Düsseldorf im Januar außerdem die Prozesse gegen sechs weitere Antifaschist:innen im Rahmen des Budapest-Komplexes in Düsseldorf.
Der Vorwurf: Organisierte Angriffe auf mutmaßliche Faschisten
Die Verlesung der Anklageschrift dauerte fast zwei Stunden. Die Bundesanwaltschaft wirft den sieben Antifaschist:innen – darunter sechs Männer, eine Frau – vor, eine „linksextreme Vereinigung“ gebildet zu haben. Im Rahmen dieser sollen Sie zwischen 2018 und 2019 neun Angriffe auf mutmaßliche Faschisten in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und schließlich Budapest begangen haben. Zusätzlich soll ein Angriff auf ein Thor-Steinar-Geschäft in Dortmund verübt worden sein, eine in der Neonazi-Szene beliebten Modemarke.
In der Anklage listet die Bundesanwaltschaft unter anderem die verschiedenen Verletzungen der Angegriffenen auf, darunter Kopfplatzwunden, Knochenbrüche und Prellungen. In zwei Fällen lagen die Angegriffenen danach auf der Intensivstation – für wie lange ist bisher nicht bekannt. Die Bundesstaatsanwaltschaft wirft den Angeklagten in zwei Fällen versuchten Mord vor. Hier sei „eine Tötung der Attackierten zumindest billigend in Kauf genommen“ worden, so die Ankläger:innen.
Es sollen nicht alle Angeklagten bei allen Angriffen dabei gewesen sein. Zentral für den Prozess ist der Vorwurf, dass es sich um eine organisierte Vereinigung handelt und den Angriffen gezielte Trainings, sowie längere Ausspähung der Beschuldigten vorausgegangen seien.
Verteidigung äußert Zweifel an fairem Prozess
Die Verteidigung der Angeklagten zeichnen ein anderes Bild. Sie bezeichnen sowohl den Vorwurf des versuchten Mordes als überzogen als auch den der kriminellen Vereinigung als konstruiert.
Außerdem werfen Sie Zweifel an den bisher angeführten Indizien und Zeugen auf. Abgesehen von DNA-Spuren von Beschuldigten, die an Tatorten gefunden worden sein sollen, beruft sich die Bundesanwaltschaft derzeit größtenteils auf Indizien. Dabei handelt es sich um mehrdeutige Sätze in abgehörten Gesprächen, abgefangenen Nachrichten, Zeugenbeschreibungen oder Videoaufnahmen der vermummten Angreifer:innen.
Vor allem beruft sich die Bundesanwaltschaft aber auf die Aussage eines Kronzeugen, Johannes D., der nach Vergewaltigungsvorwürfen aus bestimmten politischen Zusammenhängen, in denen die Angeklagten sich bewegten, ausgeschlossen wurde. Die Verteidigung bezeichnet seine Aussagen als unglaubwürdig: D. Habe sich Dinge zusammengereimt und sie aufgebauscht, um selbst einen Strafrabatt zu erhalten.
Vorverurteilung der Angeklagten wahrscheinlich – jahrelanger Prozess erwartet
Insgesamt startet der Prozess unter Bedingungen, die eine Vorverurteilung der Angeklagten wahrscheinlich erscheinen lassen.
Der Prozess startet unter immensen Sicherheitsvorkehrungen. Besucher:innen des Prozesses müssen sich vor der Teilnahme genauen Sicherheitskontrollen unterziehen. Die Verhandlungen finden in einem Hochsicherheitssaal statt. Die Angeklagten sitzen, wie man es sonst aus Terrorprozessen kennt, gemeinsam mit Wachtmeister:innen hinter einer Glasfront, getrennt von Gericht und Besucher:innen. Vor dem Hintergrund, dass den Angeklagten gezielte Angriffe auf eine eingegrenzte Zielgruppe vorgeworfen werden, scheinen diese Sicherheitsmaßnahmen überzogen und sinnbefreit, von einem Angriff auf das Gericht oder die Besucher:innen ist schließlich nicht auszugehen. Die Prozesstermine sind bereits jetzt auf über ein Jahr bis Anfang 2027 angelegt.
Die Verteidiger:innen äußerten bereits erste Zweifel darüber, ob ein faires Verfahren gewährleistet wird. Bereits vor Beginn des Prozesses wurde ein erster Befangenheitsantrag eingereicht. Dieser richtete sich gegen das Gericht selbst. Drei der fünf Richter sollen schon beim Prozess gegen Lina E. und die anderen Verurteilten mitgewirkt haben. Dort hätten sie bereits Schuldfeststellungen zu einigen jetzt Beschuldigten getroffen, etwa dass diese Teil einer kriminellen Vereinigung waren. Der Befangenheitsantrag wurde abgelehnt.
Zusätzlich dazu forderten die Verteidiger:innen zu Beginn des Verfahrens unmittelbar dessen Aussetzung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen sollen sie bis heute keine vollständige Akteneinsicht erhalten haben, eine Festplatte mit 700 Gigabyte Unterlagen sei Ihnen erst kurz vor dem Prozess übersendet worden. Zum anderen sei unklar, inwiefern die jüngste Einstufung der „Antifa Ost“ als Terrorgruppe in den USA Folgen für die Angeklagten haben werde. Der verantwortliche Richter Joachim Kubista stellte die Anträge vorerst zurück, diese werden also in den nächsten Sitzungen erneut verhandelt werden.
Darüber hinaus startet der Prozess unter einem starken medialen Feuer, in dem die Vorverurteilung der Angeklagten eine immense Rolle spielt. Wie das Verfahren ausgeht, bleibt abzuwarten. Schon jetzt ist klar, dass das Verfahren eines der größten und aufwendigsten Prozesse gegen Antifaschist:innen der letzten Jahrzehnte werden dürfte.










