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Prozessberichte: 20.01.2017

Der 34. Hauptverhandlungstag begann mit dem Antrag der Verteidigung auf Entpflichtung eines Vertrauensdolmetschers. Dieser hatte in der Vergangenheit eng mit seinem Bruder als Dolmetscher zusammengearbeitet, der sich nun trotz des Widerspruchs der Verteidigung als Sprachsachverständiger bereiterklärt hatte. Die Verteidigung machte deutlich, dass das Vertrauensverhältnis, auch in Hinblick darauf, dass Mandatsgeheimnisse gegenüber dem Gericht zu wahren sind, nicht mehr vorhanden sei. Der Vorsitzende machte Anfangs den Anschein, diese Position der Verteidigung nicht akzeptieren zu wollen, kam dem Begehren dann aber doch nach. Es wurde ein neuer Vertrauensdolmetscher beigeordnet, der alte entpflichtet.

Die Verteidigung beantragte darauf, die an diesem und weiteren Verhandlungstagen geladenen BKA-Dolmetscher, die in den Ermittlungen tätig waren abzuberufen.Denn das Gericht hatte die Übersetzer nur als Zeugen geladen , plante aber, sie als Sprachsachverständige zur Identifikation von Stimmen zu hören – hierzu seien sie allerdings nicht befähigt. Die Bundesanwaltschaft widersprach dem mit einer Begründung, die sich das Gericht anschließend – wie erwartet – zu Eigen machte: DieÜbersetzer seien keine Sachverständigen . Alle vier Personen hätten keinen behördlichen Auftrag erhalten, eine Stimmenanalyse und Zuordnung zu machen. Solange sie allerdings im Rahmen ihrer Tätigkeit Wahrnehmungen zur Bestimmung von Stimmen und Sprachen getroffen hätten, seien sie allenfalls sachverständige Zeugen. Deren Aussage könne verwertet werden. Die Verteidigung stellte dagegen, die Zeugen hätten keinerlei Befähigung, die ihnen die Zuordnung von Stimmen zu Personen erlauben würde.

Im Anschluss wurde der erste BKA-Übersetzer gehört, der seit mehr als zehn Jahren überwiegend für das BKA arbeitet. Er beschrieb seine Tätigkeit, und wie er bestimmte Stimmen bestimmten Personen bzw. Namen zuordnete. Interessant wurde die Befragung erst, als die Verteidigung an die Reihe kam. Der Zeuge bestätigte, von der Bundesanwaltschaft im November zueiner ersten Vernehmung über die Stimmzuordnung geladen worden zu sein und mit der Ladung ein Schreiben erhalten zu haben, welche Kriterien für eine gerichtsverwertbare Stimmerkennung notwendig wären. Er habe sich dann auch mit seinen drei Übersetzerkolleg_innen beim BKA darüber unterhalten, aufgrund welcher der genannten Kriterien, sie welche Stimme zuordnen würden. Man könnte sagen, es fand für die Belastungszeugen eine Art Generalprobe für die Vernehmung vor Gericht statt. Damit sollte eigentlich in den Augen Unvoreingenommener die Namenszuordnung wertlos sein.

Man muss sich vorstellen, welche Wert ein Gericht der Aussage von Entlastungszeugen beimessen würde, die angeben, sie hätten sich vor ihrer Befragung mehrfach miteinander über die bevorstehende Aussage intensiv unterhalten und dabei besprochen, welche Kriterien in ihrer Aussage zu einer Entlastung des Angeklagten führen würden – mit Sicherheit würden diese Aussagen keinerlei Beweiswert beigemessen. Dies vor Augen unterbrach der Vorsitzende die Befragung bei der ersten Möglichkeit, nachdem er zuvor versucht hatte, durch ein Eingreifen in die Befragung und eigene suggestive Fragen die Vernehmung zu steuern. Der Zeuge soll am 13. Februar weiter befragt werden, es wird spannend zu beobachten, wie er seine heute gemachten Aussagen relativieren wird.

Im Anschluss gab der Seyit Ali Ugur eine Erklärung zu einem Übergriff gegen Mehmet Yeşilçalı in der JVA Stadelheim ab, die wir hier im Blog dokumentieren.

Diesen Vorfall thematisierten auch die an diesem Tag wieder besonders zahlreich erschienen solidarischen Prozessbesucher in einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude.
https://www.tkpml-prozess-129b.de/de/20-01-2017/