Bereits seit September des vergangenen Jahres läuft vor dem Landgericht Frankfurt/Main der Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger. Ihnen wird vorgeworfen, in den 1970er Jahren an mehreren Anschlägen der ›Revolutionären Zellen‹ (RZ) beteiligt gewesen zu sein.
Die Staatsschutzkammer scheint zu beabsichtigen, Angaben des damaligen RZ-Mitglieds Hermann Feiling, die dieser nach einem schweren Unfall im Juni 1978 gemacht haben soll, als Beweismittel in dem Verfahren zu verwenden. Feiling war am 23. Juni 1978 ein Sprengsatz auf dem Schoß explodiert, mit dem gegen die damalige Militärdiktatur in Argentinien protestiert werden sollte.
Aufgrund der erlittenen Verletzungen mussten Herrn Feiling beide Beine amputiert und beide Augäpfel entfernt werden. Zudem erlitt er schwere Verbrennungen und hatte epileptische Anfälle. Trotzdem begannen unmittelbar nach dem Unfall und noch auf der Beatmungsstation des Krankenhauses die Verhöre durch Polizei und Staatsanwaltschaft. Sie wurden während des gesamten stationären Aufenthaltes im Krankenhaus und anschließend in den Polizeikasernen Münster und Oldenburg bis Ende Oktober 1978 fortgesetzt, ohne dass ein Haftbefehl verkündet war. Sein Vetrauensanwalt, seine Freundinnen und Freunde hatten keinen Zugang zu ihm.
Aus Sachverständigen-Gutachten, die zwei Jahre nach dem Unfall erstellt worden waren, geht hervor, dass in der Zeit vom 24. Juni bis 7. Juli 1978 weder eine Vernehmungs- noch Verhandlungsfähigkeit von Herrn Feiling vorgelegen hat. Ein weiteres Gutachten vom Dezember 1978 stellte zudem fest, die Aussagefreiheit von Hermann Feiling sei in der gesamten Zeit seiner ›Verwahrung‹ eingeschränkt gewesen; er sei nicht in der Lage gewesen, zu entscheiden, ob er eine Aussage überhaupt machen wolle. Trotzdem sollen die 1.300 Seiten angeblicher Aussagen, die von der Polizei gefertigt wurden, in das Verfahren eingeführt werden.
Das Landgericht Frankfurt/Main weigert sich bisher, zu prüfen, ob nach heutigem medizinischen Kenntnisstand und vor allem der Traumaforschung Hermann Feiling überhaupt vernehmungs- bzw. verhandlungsfähig gewesen und ob er in der Lage gewesen sei, eine freie Entscheidung darüber zu treffen, auszusagen oder nicht. Auch der Sachverhalt einer faktischen Polizeihaft im Krankenhaus von Heidelberg und in den Polizeikasernen, deren Umstände und Organisation unter Isolationsbedingungen, wurde nicht geprüft.
Der RAV ist vor diesem Hintergrund ernsthaft besorgt, dass das Landgericht Frankfurt/Main beabsichtigt, vermeintliche Erkenntnisse aus den Vernehmungen von Herrmann Feiling zu verwenden, deren Umstände als unmenschliche Behandlung angesehen werden müssen und daher einem Verwertungsverbot nach § 136a StPO unterliegen.
„Den Strafverfolgungsbehörden ist es offenbar wichtiger, mit allen Mitteln eine Verurteilung herbeizuführen, als sich über die Rechtsstaatlichkeit der Beweiserhebung zu vergewissern. Damit werden die Menschenrechte von Herrn Feiling ein weiteres Mal mit den Füssen getreten“, so Rechtsanwalt Martin Heiming, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins.
Pressemitteilung des RAV zum Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger: