Die Wahl am 25. Mai wird für die Linke wenig ändern. Bauern versuchen mit Streiks, ihre Rechte durchzusetzen. Gespräch mit Fernando Rodriguez Castro
Fernando Rodriguez Castro ist Mitglied der Rechtshilfevereinigung »Corporación Solidaridad Jurídica« in der sozialen und politischen Bewegung »Marcha Patriótica«. Zusammen mit der Berliner Gruppe des kolumbianischen Bündnisses versucht er, in Europa auf die Lage politischer Gefangener in Kolumbien aufmerksam zu machen
In Kolumbien verhandeln Staat und Bauern nach über zwei Wochen Agrarstreik miteinander. Die Bauern wollen den Ausstand erst beenden, wenn ihre Forderungen erfüllt sind. Was ist der Konflikt?
Die Regierung hält ihre Versprechen gegenüber den Bauern nicht ein. Die Verhandlungen waren erst vor kurzem abgeschlossen worden, nachdem die Regierung einige Zugeständnisse gemacht hatte. Diesen ist sie aber bis jetzt nicht nachgekommen. Deswegen haben die Bauern die Proteste wieder aufgenommen.
Was hatte die Regierung versprochen?
Sie hat ökonomische Sicherheiten zugesagt. Sie wollte den Bauern den Zugang zu Saatgut erleichtern, ihnen finanzielle Unterstützung zukommen lassen und ihnen die lokalen Märkten erschließen. Die Bauern fordern außerdem, daß die Waren vor den Freihandelsverträgen und damit auch vor der Konkurrenz durch Importe geschützt werden, etwa aus Kanada oder Großbritannien.
Wie hat der Staat angesichts des Streiks reagiert?
Er hat eine Kampagne gestartet und versucht, die Bewegung zu spalten, indem er Einzelgespräche mit verschiedenen beteiligten Gruppen geführt und diesen völlig überhöhte Versprechen gemacht hat. Natürlich gab es auch Repression. Die Staatsmacht geht jedes Mal gegen die Bauern vor, wenn sie dabei sind, sich zu organisieren. Viele Führungspersönlichkeiten wurden in der Vorbereitung dieses Streiks getötet oder festgenommen.
In Kolumbien gibt es immer wieder Agrarstreiks. Haben sich daraus schon nennenswerte Verbesserungen für die Bauern ergeben?
Nein, tatsächlich nicht. Beim letzten Agrarstreik ist der Staat sehr gewalttätig vorgegangen. Sicherheitskräfte stürmten die Häuser und prügelten die Bauern. Letztlich wurden Abkommen erzielt, aber nicht eingehalten. Das betrifft auch das Gesetz zu »Bauernreservaten«, nach dem Bauern bestimmte Zonen für sich beanspruchen können. Die Regierung tut jetzt so, als ob das etwas Subversives sei.
Am 25. Mai finden in Kolumbien Präsidentschaftswahlen statt. Hat zuvor das staatliche Vorgehen gegen politische Aktivisten zugenommen?
Nein, die Repression hat immer systematisch stattgefunden. Die Kriminalisierung der sozialen und politischen Proteste hat zugenommen, wir können das aber nicht an den Wahlen festmachen. Die Regierung von Juan Manuel Santos hat vielmehr in der Wahlkampagne versucht, die Proteste und die politischen Gefangenen unsichtbar zu machen. Santos hat auch die Friedensgespräche dazu mißbraucht, seine Wiederwahl zu garantieren. Es zeichnet sich aber kein echter Frieden ab.
Was erwartet Kolumbiens Linke von den Wahlen?
Die politische und soziale Bewegung »Marcha Patriótica«, zu der wir uns mit mehr als 2000 Organisationen zusammengeschlossen haben, hält die Bedingungen nicht für gegeben, um sich an den Wahlen zu beteiligen. Unsere Struktur gibt es jetzt seit zweieinhalb Jahren, in dieser Zeit sind 48 Menschen getötet worden, mehrere hundert Personen sitzen im Gefängnis. Das sind deutliche Beweise dafür, daß es keine Demokratie gibt.
Aber es gibt zwei linke Parteien, die gemeinsam bei den Wahlen antreten, der Alternative Demokratische Pol (PDA) und die Unión Patriótica (UP) …
Diese Parteien denken offensichtlich, in der aktuellen Situation durch die Wahlen zumindest öffentliche Aufmerksamkeit zu erfahren. Aber wir haben gesehen, daß in den von Paramilitärs kontrollierten Zonen für diejenigen Kandidaten gestimmt wurde, die von diesen unterstützt wurden – und nicht für Linke.
Haben die Paramilitärs trotz der Friedensgespräche in manchen Gebieten noch so viel zu sagen?
Zwar hat schon die letzte Regierung von Álvaro Uribe behauptet, die paramilitärischen Gruppen hätten sich aufgelöst, tatsächlich wurden im Zuge des Verhandlungsprozesses einige ihrer Anführer verurteilt. In Wirklichkeit sind sie aber noch intakt, nur unter einem anderen Namen. Jetzt werden sie »kriminelle Banden« genannt, mit ihrem Auftreten und ihrer Struktur nach dominieren sie aber immer noch diese Gegenden und verlangen sogar Schutzgelder von den Bauern.
Weitere Informationen zur »Corporación Solidaridad Jurídica« und zur Lage der Gefangenen in Kolumbien (Video-englische Untertitel):
https://www.youtube.com/watch?v=hzpdN1TKNzE
und auf: http://solidaridadjuridica.org (spanisch)