»Die drei Antimilitaristen sollen schnell in den Knast«

Mutmaßliche Mitglieder der »militanten gruppe« müssen Freitag die Haft antreten.
Sie brauchen Solidarität. Ein Gespräch mit Arthur Schüle, dem Sprecher des Einstellungsbündnisses

Aus der Jungen Welt vom 7.7.2011

Interview: Markus Bernhardt

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat kürzlich die Verurteilung von drei angeblichen Mitgliedern der »militanten gruppe« (mg) bestätigt. Damit ist ein vom Berliner Kammergericht im Oktober 2009 gefälltes Urteil gegen die drei Kriegsgegner wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung und versuchter Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel nun rechtskräftig. Für kommenden Freitag haben die Betroffenen eine Vorladung zum Haftantritt erhalten.

Läßt sich der Haftantritt noch mit juristischen Mitteln verhindern oder zumindest aufschieben?

Die sofort eingelegten Rechtsbehelfe gegen den BGH-Beschluß haben keine aufschiebende Wirkung. Für die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung hatten die Rechtsanwälte eine Woche Zeit. Aber noch nicht einmal so lange haben die zuständigen Stellen in Berlin gewartet: Die Ladungen zum Haftantritt nach Berlin-Hakenfelde kamen umgehend. Das ist nicht üblich.

Dahinter steckt politisches Kalkül: Die drei Antimilitaristen sollen schnell in den Knast. Derzeit bereiten die Rechtsanwälte eine Verfassungsbeschwerde gegen den Karlsruher Beschluß vor, darüber wird das Bundesverfassungsgericht aber erst in zwei, drei Jahren entscheiden.

Prozeßbeobachter haben das Verfahren gegen die drei Männer, denen unter anderem vorgeworfen wurde, im Juli 2007 Brandsätze an Lastkraftwagen der Bundeswehr angebracht und entzündet zu haben, als Farce und nicht rechtsstaatlich kritisiert. Verwundert es Sie, daß der BGH keinerlei Kritik an dem Verfahrensverlauf geübt hat?

Nein, beim BGH sitzen ja keine gerechteren Richter. Karlsruhe hat sich erwartungsgemäß hinter das Urteil des Staatsschutzsenates des Berliner Kammergerichtes gestellt. Wer die Macht hat, hat das Recht. Da können wir noch so oft belegen: Das war ein politischer Prozeß, der Geheimdienst spielte bei den
Ermittlungen eine entscheidende Rolle und hat das Verfahren gesteuert, das BKA hat Akten zurückgehalten und gefälscht. Das wollte ja schon das Kammergericht nicht umfassend aufklären.

Während Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz Zivilisten ermorden und dafür nicht strafrechtlich verfolgt werden, sollen Personen, die angeblich bundesdeutsches Kriegsgerät zerstören wollten, drei bzw. dreieinhalb Jahre hinter Gitter. Wie erklären Sie sich dieses Mißverhältnis?

Die einen sind Angehörige einer staatlichen Armee, die anderen wollen den Staat mitsamt seinem Militär abschaffen. Deshalb mißt Justizia mit unterschiedlichem Maß. Hinzu kommt: Die Mehrheit der Deutschen ist gegen den Krieg in Afghanistan. Wir haben gemerkt, daß unter vielen von ihnen ein Verständnis für antimilitaristische Sabotageaktionen vorhanden ist. Auch darauf reagiert der Repressionsapparat. Er will all diejenigen abschrecken, die sich mit der Parole »Was in Deutschland brennt, kann in Afghanistan keinen Schaden mehr anrichten«, anfreunden können.

Was läßt sich der Kriminalisierung von Kriegsgegner entgegensetzen?

Die beste Antwort auf Repression ist, das aufzugreifen, was kriminalisiert wird. Deswegen freuen wir uns über antimilitaristischen Protest und Widerstand. Die zahlreichen Initiativen gegen die Bundeswehr in Schulen oder Arbeitsämtern, gegen die zivilmilitärische Zusammenarbeit oder gegen den Kriegslogistiker DHL, bis hin zu Sabotageaktionen an Kriegsgerät bringen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung gegen den Krieg in Afghanistan zum Ausdruck. Von diesen Initiativen kann es nicht genug geben. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, und vor allem dürfen wir uns nicht spalten lassen. Es gibt viele Möglichkeiten, Widerstand auszudrücken und zu gestalten, auch solche, die mit dem gesetzlichen Rahmen scheinbar nicht mehr vereinbar sind – im übrigen der gleiche gesetzliche Rahmen, vor dem etwa in Afghanistan Menschen von deutschen Soldaten umgebracht werden.

Was kann getan werden, um die drei Betroffenen während der drohenden Haft konkret zu unterstützen?

Durch Geldspenden können wir die Haftkonten der drei auffüllen und die anstehende Verfassungsbeschwerde finanzieren. Und die Genossen freuen sich über Post. Der Briefkontakt trägt dazu bei, daß sie über linke Diskussionen informiert werden und eingebunden bleiben. Sobald die Postanschriften bekannt sind, werden wir sie auf unserer Website veröffentlichen.


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