Rechtsruck in Deutschland und rassistische Hetze

Diese rassistischen Hetzkampagnen müssen im Kontext der aktuellen politischen Lage in Deutschland betrachtet werden. Wir erleben gerade einen massiven Rechtsruck in ganz Europa, aber auch besonders hier in Deutschland. Die AfD tritt immer offener rechtsextrem auf und ist die zweitstärkste Kraft bei mehreren Landtagswahlen geworden. Faschistisches Gedankengut gelangt unter die Massen der Bevölkerung und findet auch in bürgerlichen Kreisen Zuspruch.

Der vier-Punkte Plan der CDU/CSU gegen “importierten Antisemitismus” legt offen, wie nah die Union der faschistischen AfD in einigen Punkten steht. Sie fordern ein Bekenntnis zum Existenzrechts Israels als Bedingung für Asyl oder einen Aufenthaltsstatus hier im Land, sowie zum Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft. Migrant:innen mit doppelter Staatsbürgerschaft soll der Deutsche Pass entzogen und ein Aufenthaltsverbot in Deutschland auferlegt werden, wenn sie sich öffentlich mit Palästina solidarisieren. Des Weiteren werden Haftstrafen für die Beteiligung an pro-palästinensischen Demonstrationen gefordert.

Für junge Migrant:innen bedeutet das tagtägliche rassistische Anfeindungen und Angst um die eigene Sicherheit. Erst vor kurzem wurde eine migrantische Schülerin krankenhausreif geschlagen, weil sie sich mit ihrer Kette offen muslimisch gezeigt hat. Muslimische Gräber werden geschändet, Autos und Geschäfte von Migrant:innen beschmiert, Anschläge auf muslimische Institutionen verübt und all das ganz im Sinne der Politik und Medien. Die rassistische Hetze findet Anklang und das ist das Ergebnis.

Der Staat scheint die Antwort auf alle Probleme nun in der Massenabschiebung zu sehen. So müssen wir nicht nur rassistische Gewalt auf der Straße fürchten, sondern zusätzlich noch um unseren Aufenthalt hier in Deutschland bangen.

All diese Repressionen sind klare Einschüchterungsversuche. In der Geschichte konnten wir schon immer erkennen, wie der Staat den Menschen mit massiven Repressionen entgegenet, wenn er sich in Gefahr sieht – und vor allem gerade zeigt sich, welches revolutionäre Potenzial junge Migrantinnen in sich tragen. Doch die Ereignisse der letzten Wochen und der Rechtsruck in der Politik führen uns noch eine weitere Sache vor Augen. Das Erstarken des Faschismus hier zu Lande hängt klar und deutlich mit der Instrumentalisierung der Herrschenden von Rassismus zusammen. Die Herrschenden nutzen den Rassismus um uns zu spalten und so ihre Macht auszubauen. Wenn sich die Widersprüche im Kapitalismus zuspitzen und die Macht der Herrschenden bedroht wird, versuchen sie mit allen Mitteln dies zu verhindern. Sie bewegen sich immer weiter in Richtung des Faschismus um ihre Macht zu sichern.

Das Erschaffen rassistischer Feindbilder dient in erster Linie zur Spaltung der Arbeiter:innenklasse und Schwächung der Frauensolidarität. Das lässt sich beispielsweise an den Aussagen von Friedrich Merz erkennen, der behauptet, Asylbewerber ließen sich hier die Zähne neu machen, während der deutsche Bürger keinen Termin mehr bekomme. Dass diese Behauptung keinerlei Grundlage hat und nur zur Hetze gegen Migrant:innen dient, ist offensichtlich. Es wird ganz deutlich versucht, eine Rivalität zwischen migrantischen und deutschen Arbeiter:innen herzustellen, um sie gegeneinander auszuspielen. Diese künstlich kreierten Feindbilder sollen also die Arbeiter:innen davon abhalten, ihren eigentlichen Feind zu erkennen und sich geschlossen als Klasse gegen diesen zu stellen. Denn an der Ausbeutung der deutschen sowie migrantischen Arbeiter:innen sind die Kapitalisten schuld und diese gilt es zu bekämpfen.

Doppelmoral des Westens und die Entmenschlichung der kolonialisierten Frau

Wir sehen, wie migrantische Frauen auch auf rassistischer Grundlage in die Enge gedrängt und unter Generalverdacht gestellt werden. Hier sorgen rassistische Stereotype für eine Schwächung der Frauensolidarität. Migrantische Frauen seien Komplizen der gefährlichen migrantischen Männer und nutzen beispielsweise den deutschen Sozialstaat aus. Außerdem seien migrantische Frauen laut und aggressiv, man könne und dürfe ihnen also bei dieser animalischen Ausdrucksweise keine Beachtung schenken. All das sind Versuche, migrantische Frauen zum Schweigen zu bringen.

Die Doppelmoral des Westens offenbarte sich in den letzten Monaten immer deutlicher. Die sexualisierte Gewalt gegen israelische Frauen wird berechtigterweise verurteilt, gleichzeitig wird über die Gewalt gegen palästinensische Frauen geschwiegen und diese gerechtfertigt. Prägnantes Beispiel für dieses Verschweigen der Gewalt an Palästinenserinnen ist die verschobene Preisverleihung an die palästinensische Autorin Adania Shibli. In ihrem Roman schreibt sie über die sexualisierte Gewalt, die palästinensische Frauen durch die Besatzungsmacht erfahren. Dafür sollte ihr nun ein Preis verliehen werden, doch der Veranstalter entschied sich, die Preisvergaben an Adania Shibli zu verschieben, in Anbetracht der aktuellen Geschehnisse.

Während also einerseits die Medien die Gewalt gegen israelische Frauen für ihre rassistische Hetze instrumentalisieren, wird mit allen Mitteln versucht, die Gewalt an Palästinenserinnen zu verheimlichen. Deutlich wird besonders eins: Deutsche Medien und die Politik interessieren sich nur für Gewalt an Frauen, wenn sie diese für ihre Hetzkampagnen missbrauchen können.Das alles ist kein Zufall. Um einen Genozid, wie wir ihn gerade in Gaza sehen, zu rechtfertigen, müssen die Imperialisten das kolonialisierte Volk entmenschlichen und diese Entmenschlichung, wird konsequent in den imperialistischen Zentren weitergeführt. Als migrantische Frauen in Deutschland spüren wir am eigenen Leib, dass die Gewalt, die uns angetan wird, als weniger schlimm angesehen, gerechtfertigt und sogar notwendig gewertet wird.

Uns wird klar und deutlich gezeigt, dass unsere Sicherheit, unsere Freiheit und unsere Selbstbestimmung nichts wert sind.

Es wird so dargestellt, als stünden die nationale Befreiung Palästinas und die Frauenbefreiung im Widerspruch zueinander. Demzufolge sei der Kampf gegen die palästinensische Befreiungsbewegung im Interesse der Frauen und gleichzeitig ein Kampf für mehr Frauenrechte, möchten uns die Imperialisten weismachen. Doch die Widersprüche dieser Behauptungen könnten nicht ersichtlicher sein. Wir wissen, die Frauenbefreiung setzt die nationale Befreiung voraus, denn wie soll die Selbstbestimmung der Frauen gewährleistet werden, wenn das Volk als Ganzes unter Fremdherrschaft steht. Doch diese Analyse greift zu tief für den bürgerlichen Feminismus.

Der bürgerliche Feminismus als Instrument der Herrschenden

Es war spannend zu beobachten, wie Frauenbewegungen des globalen Südens die Notwendigkeit der nationalen Befreiung als Voraussetzung für die Frauenbefreiung erkannten und sich somit konsequent mit dem palästinensischen Befreiungskampf solidarisieren. Diese Frauen stammen selbst aus kolonialisierten Ländern und verstehen, dass Frauenbefreiung nur mit einem anti-imperialistischen Kampf erreicht werden kann.

Gleichzeitig kehrten ein Großteil der Feminist:innen in den imperialistischen Zentren am 7. Oktober den Frauen in Palästina, ohne mit der Wimper zu zucken, den Rücken zu und verbreiten das rassistische Feindbild des gefährlichen arabisch/muslimischen Mannes weiter, ganz im Sinne der westlichen Hetzpropaganda.

Anhand des bürgerlichen Feminismus sehen wir, wie die Ideologie als Instrument zum Aufrechterhalten der Verhältnisse dient. Der bürgerliche Feminismus ist Teil der bürgerlichen Ideologie und auch wenn teils progressive Standpunkte vertreten werden, passiert dies nur im Rahmen des vorherrschenden Systems. Somit bleibt den bürgerlichen Feminist:innen nichts anderes übrig, als den siedler-kolonialen Staat Israel, im Interesse des westlichen Imperialismus, zu unterstützen.

Wir müssen also verstehen, dass dieser Feminismus uns nicht befreien wird, und wir für die wirkliche Frauenbefreiung den Kapitalismus und das Patriarchat in seiner Gänze zerschlagen müssen.

Reaktionsfähigkeit des deutschen Staates

Es ist bemerkenswert, wie schnell der Staat handeln kann, wenn es darum geht, migrantischen Schüler:innen Verbote aufzuerlegen und ihre Grundrechte einzuschränken. An einem Gymnasium in Berlin-Neukölln konnte ein Lehrer einem Schüler ins Gesicht schlagen, woraufhin der Schüler suspendiert wurde und der Lehrer keine Konsequenzen außer bezahlten Urlaub bekam. Derselbe Lehrer ist bekannt dafür, sexuell übergriffig zu sein und fiel immer wieder durch rassistische Äußerungen auf. Bis heute wurde er nicht bestraft, während die Schüler:innen dieser Schule von Polizisten auf dem Schulweg terrorisiert und von “Sicherheitspersonal” in der Schule eingeschüchtert werden. Mal wieder zeigt der Staat, dass ihm migrantische junge Frauen egal sind, indem er die sexualisierte Gewalt gegen uns passieren lässt und Täter schützt.

Während der Staat also bei Gewalt an Frauen nicht weniger hätte reagieren können, so beweist er seine Reaktionsfähigkeit bei den Repressionen gegen Palästina-solidarische Gruppen und Personen. Die enorme Polizeigewalt, die vor allem migrantische Frauen seit dem 7. Oktober erlebt haben, verdeutlicht, dass es in diesem Staat keine Sekunde um die Sicherheit von Frauen ging, egal ob hier zu Lande oder überall auf der Welt.

Der Staat lässt uns allein, wir müssen uns vereinen

Als junge Migrantinnen spüren wir gerade, wie nie zu vor, dass dieser Staat uns alleine lässt. Viele erzählen, dass sie sich noch nie so fremd und unsicher hier in Deutschland gefühlt haben, wie in den letzten Monaten. Wir sehen und spüren das Leid unserer Schwestern in Palästina, im Kongo und überall auf der Welt, während die deutsche Politik genau dieses Leid rechtfertigt und aktiv unterstützt.

Selbstverständlich löst diese Situation Frustration, Hilfslosigkeit und auch Hoffnungslosigkeit in uns hervor. Gerade in diesen Zeiten finden wir uns schnell in der Isolation wieder. Doch indem wir uns vereinzeln lassen, lassen wir unsere Schwestern alleine.

Unsere Trauer muss zu Wut werden, denn Leben bedeutet für uns kämpfen.

Lasst uns aus der Isolation treten.

Lasst uns gemeinsam mit unseren Schwestern auf die Straße gehen.

Lasst uns laut sein und unsere revolutionären Flammen entfachen, denn wir wissen, der Staat versucht uns mit allen Mitteln zum Schweigen zu bringen.

Als migrantische Frauen müssen wir erkennen, dass wir keine andere Wahl haben als für unsere Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung zu kämpfen, denn es wird niemand anderes für uns tun.

Wir müssen uns organisieren und den Frauenbefreiungskampf antiimperialistisch und antikapitalistisch führen.

Wir müssen die Frauensolidarität über Grenzen hinweg leben lassen und sie als das erkennen, was sie ist: unsere Waffe im Kampf gegen das Patriarchat. Lasst uns also in die Fußstapfen von den unzähligen Frauen treten, die vor uns gegen das Patriarchat gekämpft haben!Frauen kämpfen international gegen Faschismus, Krieg und Kapital!

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