Repression nach der Besetzung des griechischen Konsulats in Berlin in Solidarität mit dem Hungerstreikenden Dimitris Koufontinas

Erstes Gerichtsverfahren und Kundgebung: 27.Juli 2023 – 09:30 Uhr – Wilsnacker Str. 4, 10559 Berlin

From Berlin to Greece – No Justice no Peace

„Wir haben nie in die Gesetze, die Regeln, die Gewohnheiten dieser Welt gepasst. Außerdem bleibt sie für uns zu „klein“, um hineinzupassen. Wir liebten das wahre Leben und die Freiheit, und dafür werden wir immer kämpfen.“

Olga Ekonomidou

Am 48. Tag des sechsten Hungerstreiks von Dimitris Koufontinas gegen die massive Verschärfung seiner Haftsituation unter der Nea Demokratia-Regierung wurde im Februar 2021 das griechische Konsulat in Berlin besetzt. Dimitris Koufontinas forderte, vom Hochsicherheitsgefängnis Domokos in den Keller des Korydallos-Gefängnisses zurückzukehren wo er 16 Jahre verbracht hatte, um näher bei seiner Familie und seinen Anwält*innen zu sein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Gesundheitszustand des „17. November“-Mitglieds erheblich verschlechtert und die Regierung hat deutlich gemacht, dass sie ihn lieber sterben lassen würde, als seinen Forderungen nachzugeben.

Während der Besetzung wurde ein Transparent am Gebäude aufgehängt und eine Erklärung zur Besetzung an verschiedene Stellen im In- und Ausland geschickt, um auf die Situation von Koufontinas aufmerksam zu machen und den Druck auf die griechische Regierung zu erhöhen.

Die Besetzung schloss sich einer internationalen Solidaritätskampagne für den Streikenden an und wurde von anderen Gefangenen und Strukturen weltweit unterstützt.

Im Laufe der Besetzung wurden neun Personen identifiziert, sechs von ihnen wurden in Gewahrsam genommen und einige von ihnen mussten Fingerabdrücke abgeben und wurden fotografiert.

Mehr als zwei Jahre später haben sechs der neun Personen, die damals im Konsulat identifiziert wurden, einen Strafbefehl erhalten. Im Falle der anderen drei wurde das Verfahren eingestellt. Die Strafen variierten zwischen 30 und 50 Tagessätzen zu je 30 Euro.

Allen wird der Vorwurf des Hausfriedensbruchs gemacht. Dabei handelt es sich schlicht um die Missachtung des Eigentums anderer, in diesem Fall des griechischen Staates. Eigentum ist die Essenz eines kapitalistischen Staates, und es ist nicht verwunderlich, dass ein solcher Staat angreift, wenn dieses Eigentum nicht anerkannt wird und Menschen diese kapitalistische Logik nicht respektieren.

Diese Methode wird von den Gerichten angewandt, um Zeit zu sparen und Geld zu verdienen, aber auch um Prozesse zu individualisieren, die in der Öffentlichkeit geführt werden müssten. Mit der Zustellung eines Strafbefehls werden die Betroffenen damit konfrontiert, die vermeintlich einfachere Lösung, die Strafe zu akzeptieren, gegen die Kosten eines (politischen) Prozesses abzuwägen. Dabei ist vielen nicht bewusst, dass dies einem Geständnis gleichkommt und dass diese Verfahrensart für die urteilenden Parteien einfacher ist.

Die angeklagten Personen haben sich entschieden, die Strafbefehle nicht zu akzeptieren und stattdessen vor Gericht zu gehen.

Der Staat individualisiert die Verantwortung für unsere Handlungen, für die wir kollektiv verantwortlich sind.

Der Widerstand gegen die Gefangenschaft ist Teil unserer Kämpfe und wir sollten gemeinsam dagegen vorgehen. Ein Prozess ist für uns wichtig, um die Repression sichtbar zu machen und kollektive Wege zu finden, damit umzugehen, aber das Ziel ist nicht, das Urteil zu beeinflussen.

Unsere Aktionen sind politisch und die daraus resultierende Repression auch. Wenn wir Strafen wie diese hinnehmen und nicht kollektiv dagegen vorgehen, uns gegenseitig solidarisch unterstützen und öffentlich machen, mit welchen Mitteln die Repressionsbehörden versuchen, uns einzuschüchtern, wird das Ziel des Staates, uns langfristig zu demoralisieren, gelingen.

Zusammenspiel der Staaten

Der griechische Botschafter Andreas Spyropoulos hat Anzeige erstattet, und dies ist nicht das erste Mal, dass die beiden Staaten eng zusammenarbeiten, um Gegner*innen zu bestrafen.

Die Zusammenarbeit zwischen dem griechischen und dem deutschen Staat ist jedenfalls keine Überraschung.

Mit der Krise (sowohl wirtschaftlich als auch mit der späteren Pandemie) in den europäischen Territorien konnte eine Zunahme des Faschismus in der Gesellschaft beobachtet werden, ebenso wie ein Versuch der totalen Kontrolle über unsere Körper und Köpfe.

Einerseits wurde und wird das Dogma der Nulltoleranz angewandt, indem man den Feind im Inneren ins Visier nimmt, d.h. diejenigen, die sich ihrer neoliberalen und rechtsradikalen Politik widersetzen, so z.B. durch Anti-Terror-Gesetze, die Räumung von Hausbesetzungen und strengere Gefängnisvorschriften.

Auf der anderen Seite steht die einwanderungsfeindliche und mörderische Politik des griechischen Staates im Auftrag Europas, das sich als Festung schützen will, der Ausbau des Evros-Zauns, das tägliche Ertrinken von Geflüchteten im Mittelmeer, Flüchtlings- und Migrant*innenkonzentrationslager und Pogrome.

Die Repression an allen Fronten ist die Voraussetzung für die Sicherung der übermäßigen Akkumulation von Reichtum in den Händen der globalen Wirtschaftseliten und Staaten.

Aktuelle Situation von Koufontinas und Gefangenen in Griechenland

Nach dem Ende seines Hungerstreiks hat Dimitris Koufontinas weiter für seine Verlegung in das Korydallos-Gefängnis gekämpft, um näher bei seiner Familie und seinen Gefährt*innen zu sein, aber auch um die Möglichkeit zu haben, medizinisch behandelt zu werden. Im Hochsicherheitsgefängnis von Domokos wird ihm die notwendige Behandlung in Bezug auf eine angemessene Ernährung, Physiotherapie usw. verweigert.

Kürzlich wurde entgegen der Empfehlung des Staatsanwalts, ihn nach Korydallos zu verlegen, vor dem Plenarrat in Lamia entschieden, dass seine Verlegung nach Domokos korrekt sei.

Diese Entscheidung ist nicht rechtlich, sondern politisch und folgt dem Willen des Regimes unter der ND-Regierung, die sich an dem Gefangenen wegen der Aktionen vom 17. November, die sich auch gegen die regierende Familie richteten, rächen will.

Nicht nur Koufontinas ist von der verschärften Repression der ND-Regierung betroffen, sondern auch alle anderen Gefangenen in Griechenland, die mit dem neuen Strafgesetz konfrontiert sind.

Das neue Strafgesetz verschärft die Bedingungen für die Gewährung von Hafturlaub und bedingter Entlassung und verlängert den Zeitraum, in dem Gefangene, denen Verbrechen im Zusammenhang mit terroristischen und kriminellen Organisationen, Raub oder Drogen vorgeworfen werden, für einen solchen Urlaub und eine solche Entlassung in Frage kommen. Außerdem werden Gefängnisse des Typs Γ als „Hochsicherheitsgefängnisse“ wieder eingeführt und ein Verbot der Verlegung in landwirtschaftliche Gefängnisse erlassen. In der Praxis verschärft das neue Gesetz die Ausnahmeregelung für Gefangene, dehnt sie auf andere Kategorien von Straftaten aus und verlängert den Aufenthalt in staatlichen Zellen. Die Gefangenen mobilisieren massiv gegen dieses neue Gesetz.

Internationale Solidarität, Radikalisierung und Kritik

Von unserer Seite gab es keine andere Möglichkeit, als sich mit dem Kampf des Hungerstreikenden zu solidarisieren. Solidarität geht über alle Grenzen hinaus. Die internationale Solidarität schafft Momente, in denen Bewegungen auf der ganzen Welt ihren Kampf gegen die Unterdrückenden synchronisieren, auch wenn die politische Kultur und die Interpretation des Hungerstreiks als Mittel unterschiedlich sein können. Der Fall Koufontinas ist ein gutes Beispiel dafür, dass viele Mobilisierungen in vielen Städten, in vielen Ländern stattfanden. Es war eine Zeit, in der die internationale Bewegung ihre Rache zum Ausdruck brachte, indem sie Fäden knüpfte und zeigte, dass kein Staat unsere Gefährt*innen isolieren kann. In diesem Fall wie auch in vielen anderen Hungerstreiks, wie dem letzten von Alfredo Cospito gegen das Gesetz 41bis in Italien (der am 20.10.22 begann und 180 Tage andauerte), erleben wir, wie sich die internationale Bewegung radikalisiert. Sie schafft Momente, die es den Menschen erlauben, ihre Grenzen zu überschreiten, ihre Solidarität praktisch zu teilen und ihre Wut gegen die soziale und klassenbezogene Vernichtung auszudrücken; von einer Welt der Gleichheit, Solidarität und Freiheit träumend.

„Es ist von großer Bedeutung, sich mit den Gefangenen zu solidarisieren, in Arbeitskämpfen, gegen neue Gesetze und Verordnungen, gegen die Kontrollen und Verbote, die sie unserem Leben täglich auferlegen wollen. Solidarität nimmt Gestalt an, wenn sie die Trennung und Isolation aufhebt, die der Staat und seine Unterdrückungsmechanismen aufzwingen wollen. Der einzige Weg gegen die Isolation der praktischen Solidarität ist der Akt der Solidarität selbst.“2

Vaggelis Stathopoulos

Solidarity is our Weapon

1 https://athens.indymedia.org/post/1618210/

2 https://athens.indymedia.org/post/1618210/