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Repression: Solidarität heißt Weitermachen

Am vergangenen Dienstag fanden zeitgleich in mehreren Städten im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg Hausdurchsuchungen statt, unter anderem von einer Person, die im Linken Zentrum Lilo Herrmann lebt. Sie bauen auf fadenscheinigen Vorwürfen auf, bei denen es um die Beteiligung an Aktionen gegen die faschistische Gruppe „Identitäre Bewegung“ und um eine angebliche Beteiligung an der sogenannten „Stuttgarter Krawallnacht“ gehen soll. Diese aktuellen Ereignisse sind dabei nur das neueste Kapitel im Agieren der Repressionbehörden gegen linke Aktivist*innen und Strukturen.

Das rechte Auge zuzudrücken, während man solch harte Vorgehensweisen gegen Antifaschistinnen und Kommunistinnen einsetzt, hat Kontinuität. Wir erinnern uns noch gut daran, als 2020 in Hamburg 28 Hausdurchsuchungen – als Teil des größten Verfahrens gegen eine linke Organisation in Deutschland seit Jahrzehnten – stattfanden. Ziel des Angriffs der Staatsgewalt, der mit dem „Schnüffel-Paragraphen“ 129a geführt wurde, war der Rote Aufbau Hamburg. Der Kampf für eine sozialistische Gesellschaft wird kriminalisiert, faschistische Organisierungen werden aber vom Staat gedeckt.

Gerade erst informierte die Rote Hilfe e.V. zum Tag der politischen Gefangenen am 18. März darüber, dass in Deutschland aktuell mindestens 15 Menschen wegen ihrer politischen Betätigung im Knast sitzen. Die Antifaschistin Lina ist trotz geringer Beweislast seit über 500 Tagen inhaftiert. Der linke Aktivist Jan aus Nürnberg ist seit sechs Monaten in Haft, acht weitere hat er laut Urteil noch vor sich. Allein im Raum Stuttgart saßen in den letzten Monaten, teils bis heute, mit Findus, Dy und Jo drei aktive Linke im Knast. Ebenso mehrere kurdische Aktivist*innen, darunter Merdan – für den Vorwurf einer Mitgliedschaft in der PKK, deren Kriminalisierung dem türkischen Staat in die Hände spielt. Am kommenden Freitag, 25.03., ist der Prozess des Kommunisten Chris angesetzt, bei dem von der Anklage mehrere Monate Haft ohne Bewährung gefordert werden. Vorgeworfen wird ihm, nach jahrelanger Kriminalisierung seines politischen Einsatzes, eine Beteiligung an den Silvesterspaziergängen an der JVA Stuttgart-Stammheim, die dort seit den Zeiten der RAF-Gefangenen Tradition haben.

„Ganz allgemein und konkret im Fall von Chris geht es bei staatlicher Repression nicht nur darum, Einzelne für angebliche Straftaten zu verurteilen; den Verfolgungsbehörden geht es um viel mehr“, schreibt das Solibündnis zu Chris’ Prozess. „Politische Strömungen der Linken, die Widerstandsformen entwickeln und anwenden, die das Maß des Konformen überschreiten, werden mit Repression überschüttet. Sobald Proteste und Strukturen als potenzielle Gefahr wahrgenommen werden, wird zugelangt und in akribischer Kleinarbeit alles verfolgt, was kriminalisierbar ist.“

Gefängnisstrafen stellen die momentan extremste Forme der Repression gegen linke Aktive in der BRD dar, denen verschiedene andere vorausgehen: von Kontrollen, Geldstrafen und Arbeitsstunden über Einträge im Führungszeugnis, Hausdurchsuchungen bis hin zu Gewahrsam und Bewährung. Das Vorgehen der BRD gegen antikapitalistische und antifaschistische Bewegungen scheint seit Jahren an Aggression zuzunehmen. Auffällig sind die Bündelung unzusammenhängender Tatvorwürfe sowie immer häufigere absurd hohe Strafmaße, die Kriminalisierung von Praktiken, welche früher gerade so als Ordnungswidrigkeiten galten, und Paragraphen, die offensichtlich vor allem der Überwachung linker, antiimperialistischer, revolutionärer Gruppierungen dienen.

Dabei sollte unsere Empörung über all diese Umstände keineswegs als Überraschung missverstanden werden. Revolutionäre linke Praxis stellt die herrschende Ordnung nicht nur in Frage, sondern greift sie an. Die Staatsgewalt, die der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems dient, wird natürlich gegen diejenigen Aktivist*innen und Bewegungen gerichtet, die ihm gefährlich werden können. Die Krisen des Kapitalismus spitzen sich zu und mit ihnen wächst der Widerstand, der von den Repressionsorganen des Staates niedergeschlagen werden soll.

Diese Vorgehensweisen sind vor allem Spaltungs- und Einschüchterungsversuche, denen wir nicht nachgeben dürfen. Wir müssen ihre Unterteilung in „gute und schlechte“ Protestformen, in „legitimen und kriminellen“ Widerstand ablehnen, denn diese Unterteilung folgt den Definitionen des bürgerlichen Staates. Konsequenter linker Widerstand wird unumgänglich in Konfrontation mit der Staatsgewalt geraten, da er sich gerade gegen diese richtet. Fügen sich Teile der linken Bewegung der staatlichen Einteilung unserer Protestformen, entfernen wir uns voneinander. Die einen sollen in reformistische Bahnen gelenkt werden, bis sie nicht mehr im Antagonismus zum herrschenden System stehen, die anderen werden weiter die volle Brutalität des Staates zu spüren bekommen und damit in ihrer Praxis gehindert.

Das Aufgeben revolutionärer antikapitalistischer Politik darf keine Option sein. Ein organisierter Umgang mit Repression gegen unsere Genoss*innen und konsequenter Zusammenhalt ist stattdessen unsere Antwort auf staatliche Angriffe. Das äußert sich in den zahlreichen Solikreisen, die sich für die Betroffenen bilden, in der Arbeit der Roten Hilfe und insgesamt in der Fortsetzung antifaschistischer, antimilitaristischer, klassenkämpferischer und nicht zuletzt revolutionärer Praxis.

„Wir dürfen uns nicht von ihren Schikanen und Machenschaften einschüchtern lassen, sondern gemeinsam Widerstand leisten. Ihr draußen, ich drinnen.“ – Dy, inhaftierter Antifaschist aus dem „Wasen-Verfahren“

Dass die revolutionäre Bewegung in Deutschland sich nicht einschüchtern lässt und handlungsfähig bleibt, zeigt sich auch in den direkten Antworten auf die Hausdurchsuchungen in Baden-Württemberg am vergangenen Dienstag. Nachdem den Betroffenen schon direkt am Morgen von ihren Genoss*innen Beistand geleistet wurde und es erste Solidaritätsbekundungen aus zahlreichen anderen Städten gab, kam es noch am Abend desselben Tages zu spontanen Kundgebungen, Aktionen und Demonstrationen unter anderem in Stuttgart, Tübingen, Magdeburg und Hamburg. Mehrere hundert Menschen, aus verschiedenen Spektren und mit verschiedenen Hintergründen, gingen in Stuttgart als direkte Reaktion gemeinsam auf die Straße und machten klar, dass sie sich nicht abschrecken lassen und auch hinter der verfolgten Praxis stehen.

Unsere Parolen sind keine leeren Phrasen, wenn wir sie umsetzen. Zeigt euch also solidarisch, indem ihr weitermacht!

Anmerkung: Jo befindet sich zu Zeit nicht im Knast