REPRESSION»Ziel ist, unsere politische Arbeit zu kriminalisieren«

Am 18. Januar erließ die Staatsanwaltschaft Augsburg einen Strafbefehl wegen »Zuwiderhandlung gegen Verbote nach dem Vereinsgesetz mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen«. Sie forderte von mir eine Geldstrafe in Höhe von 10.800 Euro, verteilt auf 180 Tagessätze. Es ging darum, dass ich Symbole, Fahnen und Embleme der DHKP-C getragen hätte. Tatsächlich handelt es sich aber um solche der kommunistischen Suryoye Mesopotamiens, des Volkrates der Suryoye, sowie des Internationalrates der Suryoye.

Wie ist der aktuelle Stand?

Das Gericht wirft mir vor, unsere Embleme seien jenen zum Verwechseln ähnlich, die von der EU als terroristisch gelistete Organisationen haben. Was auch Resultat einer Razzia Anfang Oktober 2018 in meinem Laden war. Sie ähnelten denen der DHKP, der DHKC sowie der Dev-Sol oder seien eine Kombination derer, heißt es. All diese Embleme haben Hammer, Sichel, sind rot und gelb, aber jedes hat auch eine eigene Symbolik. Die Staatsanwaltschaft unterscheidet nicht. Weil das Bundesverfassungsgericht diese Beschwerde nicht annahm, sind wir damit nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Warum nimmt der deutsche Staat die Volksbewegung Revolutionäre Suryoye ins Visier?

Man befürchtet vielleicht, dass die marxistisch-leninistische Position des Volksrates der Suryoye so attraktiv ist, dass sie auf das gesamte Volk der Suryoye übergreift, zu dem Aramäer, Assyrer, Chaldäer sowie Maroniten und Melkiten zählen.

Sie werden auch von türkischen Rechten bedroht?

Auf Accounts sozialer Medien erhielten mehrere linke Aktivisten mit Migrationshintergrund aus der Türkei Drohungen: »Der Tod wird dich finden«. Als ich mich 2019 auf dem Weg vom Rechtsanwalt in München nach Augsburg befand, war ein Nagel in den Reifen meines Autos geschlagen.

Wie ist der harte Strafbefehl in Ihrem Fall zu erklären?

Ziel ist, unsere politische Arbeit zu kriminalisieren. Ich solidarisiere mich mit Aktivisten der Volksfront, Rechtsanwälten des Volkes und Künstlern der Band Grup Yorum, die teilweise auch in Deutschland in enger Zusammenarbeit mit dem türkischen Regime verfolgt werden. Wir gedenken der revolutionären Musiker Helin Bölek und Ibrahim Gökçek, der Anwältin Ebru Timtik und dem Volksfront-Aktivisten Mustafa Koçak, die sich in der Türkei den Angriffen des AKP-Faschismus widersetzten und als Folge 2020 starben.

Für wen setzen Sie sich ein?

Ich bin solidarisch mit Eda Deniz Haydaroglu, Ilgin Güler und Sevil Sevimli, die sich aktuell in Berlin vor dem Bundesjustizministerium im unbefristeten Hungerstreik gegen die Paragraphen 129, 129 a und 129 b sowie die Ungerechtigkeiten im deutschen Justizsystem befinden. Sie fordern die Freilassung aller antifaschistischen türkischen Gefangenen; auch der Journalistin Özgül Emre, des Studenten Serkan Küpeli und des Grup-Yorum-Musikers Ihsan Cibelik, die seit Mai 2022 in Untersuchungshaft sitzen, weil ihnen die deutsche Justiz im Prozess vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf die Mitgliedschaft in der DHKP-C vorwirft.

Wie ist Ihre Kritik zu verstehen, dass die deutsche Justiz als Erfüllungsgehilfe des Erdogan-Regimes agiert?

Einerseits handelt die deutsche Justiz im politischen Interesse der Bundesregierung, die aus wirtschaftlichen Interessen und militärischer Verbundenheit in der NATO fest an der Seite eines Autokraten steht, der in den Gefängnissen der Türkei Journalisten, Kunstschaffende und Politiker einsperrt. Andererseits ist auch der deutsche Staat interessiert, keine linke Opposition im eigenen Land zu haben. Die Hungerstreikenden vor dem Justizministerium fordern, dass Generalbundesanwalt Peter Frank erklären muss, was er mit Erdogan besprochen hat und wofür er in der Türkei geehrt wurde, nachdem er 2022 den Haftbefehl der drei türkeistämmigen Antifaschisten angeordnet hatte.