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Rotlicht: Isolationshaft

Von Oliver Rast, junge Welt 15.3.17

»Das Gefühl, die Zelle fährt. Man wacht auf, macht die Augen auf: Die Zelle fährt. (…) Man kann das Gefühl des Fahrens nicht absetzen. Man kann nicht klären, ob man vor Fieber oder vor Kälte zittert« (Brief Ulrike Meinhofs von 1973 aus dem »toten Trakt« der JVA Köln)

Isolationshaft bedeutet: völliger Reizentzug und völlige Kontaktsperre. In ihrer Extremform führt sie zu einer sensorischen Deprivation, zur Abstumpfung der Sinnesorgane und der Gefühlswelt. Mit einer rigorosen Einzelhaft wird gleichfalls jede soziale Interaktion unmöglich. Gespräche und Zusammenkünfte mit anderen Inhaftierten werden unterbunden.

Isolationshaft, auch als »weiße Folter« bekannt, bildet die »unblutige« Variante der Folter. Diese »humane Methode« erfüllt nach international anerkannten Kriterien den Tatbestand der Folter und widerspricht den Prinzipien der UN-Menschenrechtskonvention. Im Kern zielt sie darauf ab, einen Menschen in der »totalen Institution« (Erving Goffman) des Gefängnisses zu brechen: physisch und psychisch.

Historisch geht die Isolationshaft auf die Einrichtung eines sogenannten Bußhauses um 1821 im US-Bundesstaat Pennsylvania zurück. In diesem Haus in Philadelphia wurden Gefangene in strengster Isolation gehalten. Kontakt gab es nur zu Geistlichen, und als einzige Lektüre wurde die Bibel gereicht.

Bei der weiteren Perfektionierung der Haftpraxis liefen zivile und militärische Forschungen parallel. In Nordamerika wurden Programme wie die »Boxcar«, eine abgedunkelte Minizelle, oder »Camera silence«, eine schwingfrei aufgehängte, schalldichte Kammer, aufgelegt. Diese Programme wurden mit neurochirurgischen Eingriffen kombiniert. Die Integrität des Gefangenen sollte mittels Hirnoperationen gezielt angegriffen.


In Deutschland begann die forensisch-klinische Erforschung der Isolationshaft Anfang der 1970er Jahre an der Universität Hamburg-Eppendorf im sogenannten Sonderforschungsbereich 115, der von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) gesponsert wurde. Politische Gefangene wurden zum Experimentierfeld. An ihnen sollte durchexerziert werden, inwieweit Isolationshaft zu politischen Verhaltens- und Einstellungsveränderungen führe.

Auch wenn die Isolierung innerhalb einer Haftanstalt kein »Privileg« von politischen Gefangenen ist, steht die JVA Köln im Stadtteil Ossendorf sinnbildlich für die Isolationshaft von Aktivistinnen aus der Roten Armee Fraktion. Ulrike Meinhof und Astrid Proll waren zwischen 1971 und 1973 mehrmals bis zu acht Monate lang in einem »toten Trakt« untergebracht. In einem abgelegenen Flügel des Anstaltskomplexes wurden sie von jedem verbalen und optischen Kontakt abgeschirmt. Zelle und Zelleneinrichtung waren mit weißer Farbe beschichtet, die Wände waren bilderlos, das Zellenfenster konnte anfangs nicht, später nur einen Spalt weit geöffnet werden. Hinter dem Fenster war ein undurchsichtiges engmaschiges Fliegengitter angebracht. Eine 24stündige Neondauerbeleuchtung führte zu massiven Schlafstörungen, einem permanenten Stresszustand und einer allgemeinen Desorientierung. Jedes Raum- und Zeitgefühl ging verloren. In dieser künstlichen, monotonen »Lebenswelt« fühlten sich die Gefangenen der Vollzugsbehörde schutzlos ausgeliefert.

In den Folgejahrzehnten wurden »Köln-Ossendorf« und »Stuttgart-Stammheim« zu »Exportschlagern«. Die Justiz in Spanien und in Chile unter Pinochet orientierte sich in den 1980er Jahren an der deutschen Norm der Isolationshaft. Mit dem Bau neuer Haftanlagen in der Türkei, den sogenannten F-Typ-Gefängnissen, konnten wie zuvor in anderen Ländern die Kollektive politischer Gefangener trotz heftigen Widerstands aufgelöst werden.

Die Sonderhaftbedingungen der Einzel- oder Kleingruppenisolation haben bei der Mehrzahl der Exinhaftierten teilweise zu irreversiblen Gesundheitsschäden geführt. Dagegen gab es immer wieder Kampagnen und Proteste. Trotzdem wird die Isolationshaft in Deutschland bis heute angewandt.