Auch in Deutschland beuten Privatfirmen Strafgefangene aus. Eine Stiftung geht jetzt dagegen vor. Gespräch mit Bettina Schneider Interview: Gitta Düperthal
Bettina Schneider ist Geschäftsführerin der 2004 gegründeten konzern- und globalisierungskritischen Stiftung Ethecon (Stiftung für Ethik und Ökonomie)
Die Stiftung Ethecon fordert, die Ausbeutung Strafgefangener zu stoppen. In den USA machen Großkonzerne wie Microsoft, IBM und Boeing erhebliche Profite, indem sie in Haftanstalten produzieren lassen. Sie haben eine internationale Kampagne dagegen gestartet – wie ist die Situation in Deutschland?
Hierzulande wird unter dem Deckel gehalten, welche Konzerne Strafgefangene in Gefängnissen quasi Sklavenarbeit verrichten lassen, unter miesen Bedingungen und schlecht bezahlt. Vor einigen Monaten gab es eine öffentliche Debatte: Konzerne wie Ikea, Quelle und Neckermann hätten von Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen profitiert; von den skandalösen Arbeitsverhältnissen, die es in den Gefängnissen der Bundesrepublik schon immer gab, ist jedoch kaum die Rede.
Auskünfte zum Thema zu erhalten, ist schwierig. Teil unserer Kampagne ist insofern, Aufklärung zu verlangen. Wir fordern in einem offenen Brief Bundestagsabgeordnete und Bundesratsmitglieder auf, endlich die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Wir haben auch ein Flugblatt entworfen und sammeln online Unterschriften. An die US-Regierung haben wir einen Protestbrief geschickt.
Aber einige Mißstände sind Ihnen doch auch hierzulande bekannt?
Ja, beispielsweise, daß Strafgefangene mit dieser Arbeit nur 240 oder 250 Euro im Monat verdienen. etwa in der 2009 in Betrieb genommenen privaten Justizvollzugsanstalt in Burg (Sachsen-Anhalt). Davon müssen sie acht Euro monatlich für einen für die Zelle gemieteten Fernseher zahlen.
Wir fürchten, daß hierzulande allmählich Verhältnisse wie in den USA einkehren, wo unter anderem Dell, Intel und AT&T Gefängnisinsassen skrupellos mit Niedriglöhnen ausnehmen. Während diese Firmen Kosten für Arbeitsplätze, Gesundheitsvorsorge etc. sparen, genießen sie zugleich Steuervorteile. Mit der Folge, daß so auf Dauer auch die Löhne der Gesamtgesellschaft unter Druck geraten.
Wer treibt die Privatisierung von Gefängnissen in Deutschland voran?
Zum Beispiel hat der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) – seit einem Jahr Vorstandsvorsitzender beim Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger Berger – in dieser Hinsicht in Hessen Stimmung gemacht: Um so Staatskassen zu entlasten und dafür zu sorgen, daß Konzerne mehr Gewinne einfahren.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Bilfinger Berger die Haftanstalt Burg nicht nur gebaut hat, sondern jetzt auch den Knastbetrieb am Laufen hält. So greift die Verquickung von Politik und Wirtschaft in der Person Kochs ineinander. Nach seiner Amtszeit als Ministerpräsident hat das Unternehmen ihn prompt mit einem Führungsposten belohnt.
Wir wollen verhindern, daß solche Machenschaften um sich greifen. In den USA z. B. erhalten Gefängniskonzerne wie Corrections Corporations of America (CCA) staatliches Geld für die Unterbringung von Gefangenen. Konsequenterweise investiert CCA Millionen in die Lobbyarbeit, um härtere Gesetze auch für geringfügige Delikte durchzusetzen – dadurch sichert sich das Unternehmen langfristig den Nachschub an billigen Arbeitskräften. Allein von 2006 bis 2008 gab CCA dafür mehr als 2,7 Millionen US-Dollar aus. Im vergangenen Jahr hat der Konzern einen Umsatz in Höhe von 1,7 Milliarden US-Dollar gemacht.
Die amerikanische Bürger- und Menschenrechtsaktivistin Angela Davis hat wohl als erste das Thema der Verflechtung ökonomischer Interessen und Arbeit im Knast aufgegriffen. Haben Sie sich davon anregen lassen?
Durchaus, sie hat das Ausmaß der Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik verdeutlicht – Ziel ist immer Profitmaximierung durch Gefängnisarbeit. In den USA haben Freiheitsstrafen überhaupt nichts mehr mit Resozialisierung zu tun. Die jährlichen Gewinne der einschlägigen Unternehmen sind von 1980 bis 1994 von 392 Millionen auf 1,31 Milliarden Dollar gestiegen – die Durchschnittseinnahmen der Häftlinge hingegen variieren zwischen 93 Cent und 4,3 Dollar am Tag. Die Gefängnisindustrie beschäftigt in den USA mehr Menschen als jedes der größten und wichtigsten Unternehmen der Welt, mit Ausnahme von General Motors.