Antiterroreinheiten der türkischen Polizei haben am Montag die Zentrale des linksgerichteten Gewerkschaftsdachverbandes des öffentlichen Dienstes KESK in Ankara sowie Gewerkschaftsbüros im kurdischen Diyarbakir und weiteren Städten durchsucht. Mindestens 65 Gewerkschafter, darunter der KESK-Vorsitzende Lami Özgen sowie Vorstandsmitglider der Lehrergewerkschaft und der Gewerkschaft der Kommunalangestellten wurden auf Grundlage des Antiterrorgesetzes festgenommen.
Ihnen wird eine Unterstützung der »Union der Gemeinschaften Kurdistans«, KCK, eines Dachverbandes der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK vorgeworfen. Unter KCK-Vorwurf wurden in den letzten drei Jahren bereits rund 8000 Politiker und Aktivisten in Untersuchungshaft genommen, darunter 33 Bürgermeister, sechs Parlamentsabgeordnete und 40 Gewerkschafter. Politiker der prokurdischen und kemalistischen Opposition verurteilten vor der KESK-Zentrale die »Einschüchterungspolitik« der islamisch-konservativen AKP-Regierung, während Gewerkschaften zu einer Protestkundgebung für Montag nachmittag aufriefen.
Unterdessen hat das Hauptquartier der PKK-Guerilla eine detaillierte Erklärung zu den schweren Kämpfen in der Bergprovinz Hakkari vorgelegt. Bei den für die türkische Armee seit Jahren verlustreichsten Gefechten waren vergangene Woche nach Guerillaangriffen auf drei Armeestützpunkte nach PKK-Angaben 109 Soldaten getötet und vier Hubschrauber abgeschossen sowie neun weitere zum Notlanden gezwungen worden. Der Generalstab habe nur den Tod von acht Wehrpflichtigen zugegeben, kritisierte die Guerilla. Die eigenen Verluste bezifferte sie auf 14 Kämpfer.
Kolumnisten der regierungsnahen und liberalen Presse hatten den PKK-Angriff als Sabotage eines jüngst von der Regierungspartei AKP und der kemalistischen Oppositionspartei CHP gemeinsam vorgelegten Lösungsplans zur kurdischen Frage durch Einrichtung einer Parlamentskommission bezeichnet. Dagegen stellte die PKK klar, daß es sich um einen »Verteidigungskrieg« gegen eine unmittelbar bevorstehende militärische Großoffensive gegen die Guerilla gehandelt hatte. Während die türkische Luftwaffe auch am Wochenende Luftangriffe auf Ziele im Nordirak flog, versicherte die PKK, alle an den jüngsten Kämpfen beteiligten Guerillas seien innerhalb der türkischen Grenzen stationiert.
Von Nick Brauns / junge Welt 26.06.2012