#Shut Elbit Down! – Gespräch mit Aktivist:innen von Palestine Action (UK)

Die Gruppe Palestine Action hat sich im Juli 2020 gegründet. Ihr Ziel ist es, die britische Komplizenschaft am zionistischen Siedlerkolonialismus in Palästina und die damit verbundene militärische Besatzung und Unterwerfung der indigenen Bevölkerung zu beenden. Dieses Ziel verfolgen die Aktivist:innen mittels direkter Aktionen gegen Firmen, die sich an dieser Kolonisierung und der ethnischen Säuberung Palästinas beteiligen. Die wirkmächtigste Kampagne ist der immer noch andauernde Kampf gegen Elbit Systems, der größte israelische private Waffenhersteller. Unser Autor Marik Ratoun hat mit Aktivist:innen der Gruppe über den direkten Kampf gegen die britische Mittäterschaft am Kolonialismus in Palästina gesprochen. Die Gruppe plant bald eine Vernetzungsreise nach Deutschland.

Eine angegriffene Tochterfirma von Elbit in Shenstone

Wie kam es zur Gründung von Palestine Action und warum habt ihr die Notwendigkeit für direkte Aktionen gegen an den Verbrechen beteiligte Firmen gesehen?

Im Sommer 2020 fand sich eine Gruppe von Aktivist:innen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammen, die alle das Ziel hatten, den Waffenhandel Israels hier in England und Wales direkt zu beeinflussen. Einige waren bereits an den sporadischen direkten Aktionen gegen Elbit (das seine Waffen als “kampferprobt” an den Palästinenser:innen vermarktet) in den vergangenen sechs Jahren beteiligt. Wir waren uns alle einig, dass mehr getan werden muss, sowohl was die Häufigkeit der Aktionen als auch das Ausmaß des Schadens für das Unternehmen angeht. Wir hatten viele Einflüsse aus früheren Bewegungen, aber der jüngste Erfolg von Extinction Rebellion (XR), das so viele Menschen mobilisiert hat, aktiv zu werden und eine Verhaftung zu riskieren, gab uns die unerschütterliche Überzeugung, dass eine ähnliche, jedoch radikalere und militantere Bewegung für Palästina gebildet werden könnte. Eine Bewegung, die direkt handeln würde, anstatt andere zu bitten, den Wandel zu bewirken. Einige der Teilnehmer:innen an diesem Treffen hatten ihre Zeit und Energie in die Mainstream-Politik gesteckt. Nach dem politischen Tod von Jeremy Corbyn kamen sie zu dem Schluss, dass dieser Weg für immer verschlossen war. Andere kamen bereits mit der Einstellung zu uns, dass die Mainstream-Politik und insbesondere die Parteipolitik nicht der Weg war, den sie gehen wollten oder den sie als einen Weg sahen, der zum Erfolg führen könnte. Alle waren sich einig, dass Märsche, Demonstrationen, Petitionen und Ähnliches ziemlich sinnlos und irrelevant waren, und die Aktivist:innen sehnten sich nach mehr Aktionen. Viele waren enttäuscht über die Standardtaktik der Palästina-Solidaritätsbewegung in England und Wales und darüber, dass die an dieser Arbeit beteiligten Nichtregierungsorganisationen nicht radikal, mutig oder risikofreudig genug waren, um einen bedeutenden Wandel zu bewirken.

Und wie habt ihr Euch dann zusammengefunden?

Entscheidend ist, dass Palestine Action mit einer Aktion begann! Eine kleine Gruppe von uns drang in das Hauptquartier von Elbit im Zentrum von London ein, störte den Betrieb und beschädigte das Innere des Gebäudes mit Farbe und Graffiti. In der darauffolgenden Woche kehrten wir in die Zentrale zurück, und von da an gingen die Aktionen immer schneller weiter. Wir haben immer gesagt, dass wir uns auf Aktionen konzentrieren wollen. Wir waren alle schon in Gruppen, die viel geredet, aber nie auf dem Spielfeld gespielt haben. Bei Palestine Action dreht sich alles um direkte Aktion, das steckt schon im Namen!

Mich interessiert ein praktischer Aspekt eurer Arbeit. Wie lange könnt ihr Fabrikhallen halten oder die Produktion von mörderischen Waffen wie z.B. Drohnen sogar unterbrechen? Findet Ihr Eure eigenen Aktionen „erfolgreich“, sind sie vor allem symbolisch?

Unsere Aktionen sind nicht symbolisch. Alle unsere Aktionen zielen darauf ab, die Unternehmen zu schädigen oder zu zerstören, die vom Tod und der Vernichtung des besetzten palästinensischen Volkes profitieren. Obwohl wir rote Farbe verwenden, um das palästinensische Blut zu symbolisieren, das Elbit vergießt, verursacht diese Farbe auch materiellen Schaden für das Unternehmen. Unsere Besetzungen haben bis zu 6 Tage gedauert und das Werk die ganze Zeit über lahmgelegt. Der Schaden, den wir an der Infrastruktur des Unternehmens verursachen, bedeutet darüber hinaus oft, dass es nach unseren Aktionen wochenlang nicht betriebsbereit ist. Wir glauben, dass Wirtschaftssabotage nicht nur gerechtfertigt ist, sondern auch das Einzige, was diese Unternehmen zum Rückzug zwingen wird. Uns geht es darum, materielle Veränderungen herbeizuführen, nicht um Stunts, die den Eliten noch gefallen. Die britische Regierung ist schon viel zu lange mitschuldig an den Verbrechen, als dass man sie jetzt plötzlich umstimmen könnte, denn das ist offen gesagt eine Wahnvorstellung. Wir, und vor allem das palästinensische Volk, haben keine Zeit, das lange politische Spiel zu spielen. Wir schließen diese Orte selbst und wenden uns nicht an andere. Wir haben die Macht, dies selbst zu tun, und immer mehr Menschen erkennen das, schließen sich uns an und werden aktiv.

Ihr habt schon oft Standorte von Elbit besetzt (zuletzt am Nakba-Tag das Hauptquartier in Bristol). Einige Eurer Aktivist:innen waren bzw. sind noch in Gewahrsam und haben Rechtsprozesse am Hals. Wie ist die Repression in UK auf diese Aktionen und wie wehrt ihr Euch dagegen?

Wir haben großartige Anwälte/Anwältinnen! Tatsächlich wurde in England und Wales noch nie jemand erfolgreich strafrechtlich verfolgt, weil er/sie gegen Elbit vorgegangen ist, obwohl über 160 Personen wegen verschiedener angeblicher Straftaten wie Sachbeschädigung, Einbruchdiebstahl, schwerem Hausfriedensbruch und anderen Dingen festgenommen wurden. Zahlreiche Personen warten auf ihre Gerichtsverhandlung, die sich jedoch ständig verzögert. Nur in einem Fall kam es zu einer Gerichtsverhandlung, bei der die Aktivist:innen für nicht schuldig befunden wurden, obwohl sie Flaschen mit roter Farbe auf die Fassade des Gebäudes geworfen und sich an das Tor gekettet hatten. Der Richter sagte, dass ihre Aktionen verhältnismäßig waren, wenn man bedenke, was Elbit tue! Wir machen diese Aktionen aber nicht wegen des Gesetzes, sondern trotz des Gesetzes und weil es moralisch richtig ist! Auch bei uns gab es zahlreiche Hausdurchsuchungen, und einige unsere Gründer:innen wurden im Rahmen der Terrorismusbekämpfung verfolgt. Die Polizei nahm ihnen unrechtmäßig ihre Pässe ab. Nur drei Wochen nach der Gründung von Palestine Action trafen sich hochrangige Regierungsvertreter:innen, darunter der derzeitige stellvertretende britische Premierminister, mit dem israelischen Ministerium für strategische Angelegenheiten und diskutierten über die Zerschlagung unserer Bewegung. Sie haben auf königliche Weise versagt. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Immer mehr Menschen schließen sich uns an und werden aktiv, egal was der Staat uns vorwirft!

In UK gibt es eine breite Solidaritätskampagne für Palästina (z.B. die Palestine Solidarity Campaign). Wie ist die Reaktion auf Eure Aktionen in diesem Umfeld, wie im Umfeld der radikalen Linken.

Als Graswurzelbewegung gewöhnlicher Menschen überrascht es nicht, dass wir im Allgemeinen keine Unterstützung von NGOs oder politischen Gremien erhalten haben. Was wir jedoch haben, ist die Unterstützung der Menschen. Menschen, die diese bürgerlichen Organisationen vielleicht unterstützen oder Mitglieder sind, aber die Führungen der Organisationen selbst fühlen sich durch uns und unsere Erfolge bedroht. Sie haben sogar schamlos versucht, uns mit unbegründeten Anschuldigungen anzugreifen. Es gibt jedoch einige bemerkenswerte Ausnahmen. So weist z.B. die Feuerwehrgewerkschaft ihre Mitglieder regelmäßig an, die Polizei nicht bei der Entfernung unserer Demonstranten zu unterstützen.

Auch in Deutschland gibt es Standorte von Elbit oder der Firma Heidelberg Cement, die Steinbrüche in der Westbank betreiben und Materialen für die zionistischen Siedlungen bereitstellen. Darüber hinaus unterstütz Deutschland die israelische Regierung sogar direkt mit Waffen und Zahlungen militärischer Hilfe. Denkt ihr vor diesem Hintergrund, dass eine ähnliche Bewegung in Deutschland notwendig ist und möglich wäre?

Ja, zu 100 Prozent. In der Tat haben wir eine junge Gruppe von Palestine Action Berlin, und es gab auch einen anonymen Anschlag auf das Elbit-Gebäude dort. Wir sehen keinen Grund, warum unser Erfolg hier nicht auf der ganzen Welt als Teil des internationalistischen Kampfes für Palästina nachgeahmt werden kann. Tatsächlich beabsichtigen wir, Deutschland bald zu besuchen, um uns mit Gruppen und Individuen zu vernetzen, Gespräche und Workshops zu führen und eine ähnliche Kampagne in Deutschland in Gang zu setzen.

Während der israelischen Welle der Gewalt in Palästina im Mai 2021 haben italienische Werftarbeiter:innen Waffenlieferungen nach Israel blockiert. Wie kann in diesem Kontext Euer Internationalismus die Befreiung der Palästinenser:innen vom Kolonialismus unterstützen ?

Das war eine wunderbare Aktion und ein weiteres Beispiel dafür, wie man sich mit direkten Aktionen einmischen kann, ohne andere darum zu bitten. Wir wollen mehr davon sehen! Für uns gibt es ein paar wichtige Prinzipien, um eine erfolgreiche direkte Aktion durchzuführen (und wir haben Erfahrung mit einer erfolgreichen Kampagne, nachdem wir die Fabrik von Elbit in Oldham dauerhaft geschlossen haben). Erstens muss sie disruptiv sein, idealerweise schädigend! Sie muss auch nachhaltig sein. Wie wir bereits erwähnt haben, gab es vor Palestine Action sporadische Aktionen gegen Elbit, die aber kein Dilemma für das Unternehmen oder den Staat darstellten, abgesehen von einer leichten Störung konnte ganz normal weiterproduziert werden. Der Nachdruck unserer Aktionen, die Höhe des verursachten Schadens und die schiere Anzahl der Menschen, die sich an der Aktion beteiligten, sind die entscheidenden Faktoren.

Gibt es noch etwas, was Ihr hinzufügen möchtet?

Wie bereits erwähnt, haben wir vor, nach Deutschland zu kommen und bitten daher alle interessierten Gruppen und Einzelpersonen, mit uns in Kontakt zu treten und uns zu Gesprächen/Workshops einzuladen. Lasst uns gemeinsam aktiv werden!