Sibylle S., die vier Monate in Beugehaft saß, weil sie sich weigerte, als Zeugin gegen Sonja Suder auszusagen, ist frei. Weil Sibylle sich erneut geweigert hatte, sei davon auszugehen, dass sie auch durch eine fortgesetzte Haft ihre unbeugsame Haltung nicht ändern würde, musste die Kammer bei der Begründung eingestehen.
Zu Beginn des Prozesses, der heute von zahlreichen Besucher_innen und von Vertreter_innen vom Komitee für Grundrechte und Demokratie und der Internationalen Liga für Menschenrechte beobachtet wurde, teilte Richterin Stock mit, dass der Zeuge Hermann F. aufgrund ärztlicher Atteste nicht zur Vernehmung erscheint.
Rechtsanwalt Baier, der Zeugenbetreuer von Hermann, berichtete zunächst, dass er nach der Explosion 1978 zunächst vergeblich versucht hatte, ihn, der in einer Polizeikaserne abgeschirmt und unmittelbar nach der Operation von Polizisten vernommen worden war, zu sprechen. Er sei heute noch sehr betroffen, dass es ihm damals nicht gelungen sei, sein Grundrecht auf anwaltliche Vertretung durchzusetzen und Hermann aus der Polizeigewalt zu befreien.
Das Gericht lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft ab, gegen Hermann F. Ordnungsgeld, ersatzweise vier Tage Haft zu verhängen, weil es nicht riskieren wolle, dass sich der Gesundheitszustand Hermanns, der sich derzeit in psychotherapeutischer Behandlung befindet, weiter verschlechtert. Die Heidelberger Professoren Dres. Schauenburg und Seidler hatten ein traumatologisches Gutachten für zwingend gehalten, um seine Vernehmungsfähigkeit zu beurteilen.
Plötzliche milde Menschlichkeit ist Richterin Stock mit dieser Kehrtwende allerdings nicht zu unterstellen. Vielmehr schafft sich das Gericht damit nun den Weg, die damals in Polizeigewahrsam abgerungenen Äußerungen Hermann F. verlesen zu lassen, da es sich mit einer Vorladung Hermanns nicht durchsetzen konnte.
Eine Wende im Prozess bedeuten die heutigen Entscheidungen des Gerichts also nicht. Sonja ist weiterhin in Haft, obwohl es außer den unglaubwürdigen Aussagen des Kronzeugen H.-J. Klein und den Polizeiprotokollen von den Verhören des schwer traumatisierten Zeugen Hermann F. keine materiellen Beweise für eine Unterstützung der OPEC-Besetzung 1975 und der Beteiligung an Anschlägen auf die Atomindustrie und das Heidelberger Schloss 1977 gibt, zu denen sich Revolutionäre Zellen bekannt hatten.
Ein Ende des Prozess gegen Sonja S. ist nicht abzusehen und wird am Freitag, 9. August fortgesetzt. Am 13. August wird das Gericht entscheiden, wie es mit Hermann F. als Zeugen weiter verfährt. Der 20. August wurde als Termin gestrichen. Am 23. August sind zwei französische Bullen geladen.