SV – Was ist das?
Die Sicherungsverwahrung (SV) wurde 1933 von den Nazis (nach Vorarbeiten in der Weimarer Zeit) ins Strafgesetzbuch aufgenommen und ermöglicht seitdem Menschen auch nach Verbüßen der eigentlich zugemessenen Freiheitsstrafe, ggf. bis zu deren Tod zu verwahren.
Gingen in Deutschland (nebenbei: in der DDR wurde die SV als „faschistisch“ gebrandmarkt und verboten) die Zahlen der Verwahrten auf 176 im Jahr 1996 zurück, steigen seitdem die Zahlen, auf mittlerweile 520 Sicherungsverwahrte.
Nach diversen „Reformen“ seit 1998 können mittlerweile Ersttäter genauso in der SV landen, wie nach Jugendstrafrecht Verurteilte. War bis 1998 die erstmalige Unterbringung in der SV auf 10 Jahre begrenzt, kann sie seitdem lebenslang vollstreckt werden; nur alle zwei Jahre wird überprüft, ob der/die Betroffene weiterhin „gefährlich“ ist.
Welches Menschenbild steckt hinter der SV
Die SV geht seit ihren Anfängen von einem reduktionistischen Weltbild aus, kurz gesagt: „Einmal kriminell, immer kriminell“. Goebbels, dem Propagandaminister der Nazis, ging es nach eigenem Bekunden darum „Volksschädliche unschädlich“ zu machen. Dieses Menschenbild schwingt heute zumindest implizit immer noch mit, so als vor etwa 10 Jahren der damalige Kanzler Schröder ein „Wegschließen für immer“ verlangte. Aus vergangenem Verhalten auf eine künftige angebliche „Gefährlichkeit“ zu schließen entspricht qualitativ der Prognose: „Weil es gesten regnete, muss es auch morgen, übermorgen und nächsten Monat regnen“. Eine Aussage, eine Prognose die wohl kaum jemand für vernünftig halten würde; nur wird auf vergleichbarem Niveau über Gefangene geurteilt, was deren künftiges Verhalten anbelangt. Es regiert das Vorurteil und mit vernunft bestimmtem Wissen möchte man sich tunlichst nicht konfrontieren.
Vernunft bestimmtes Wissen?
Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2010 (Dr. Alex, „Nachträgliche Sicherungsverwahrung- ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel“) die eindrucksvoll belegt, daß die absolute Mehrzahl jener die als extrem „gefährlich“ diagnostiziert wurde, eben keine Straftaten mehr begingen, als man sie trotz dieser angeblichen Gefährlichkeit in die Freiheit entlassen musste. Selbst renommierte forensische Psychiater, die zu den herausragenden Köpfen ihrer Zunft in Deutschland zählen, wie die Professoren Kröber und Leygraf, gehen davon aus, daß maximal 10-20% der langjährig Inhaftierten wieder ruckfällig werden.
Aktuelle SV-Reform
Angestoßen durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009, reformierte der Bundestag im November 2010 die Regelungen zu SV. Während es künftig keine nachträgliche SV geben soll ( freilich nur für den Personenkreis der nach In-Kraft-treten des Gesetzes verurteilt werden wird. D.h. Für alle schon Verurteilten, bleibt das Damoklesschwert der nachträglichen SV, d.h. die Verhängung der SV erst kurz vor oder sogar nach Haftende, über ihren Köpfen schweben), und auch Einbrecher, Betrüger und Diebe nicht mehr in der SV landen sollen, diese Gruppe machte etwa 20% der Verwahrten aus, wird die sogenannte „vorbehaltene SV“ exzessiv ausgeweitet. Bei der vorbehaltenen SV erfolgt im Haftzeit eine neue Hauptverhandlung, in der dann anhand der Entwicklung während der Haft entschieden wird, ob die SV angeordnet wird, oder ob nicht.
SV für politische Delikte
Auch Verurteilungen nach §129a StGB („Terroristische Vereinigung“), ja selbst KFZ-Brandstiftung kann nach wie vor die Anordnung der SV rechtfertigen. Es ist also mitnichten so, dass die SV sich auf Sexualverbrecher beschränken würde, wie selbst viele in der politischen Linken glauben.
Perspektiven für die Verwahrten
Auch wenn sich ein großer Teil der Betroffenen der Hoffnung hingibt, durch eine „Sozialtherapie“, durchgeführt in speziellen therapeutischen Knast-Abteilungen, der SV zu entkommen, wird die Zahl der Verwahrten weiter ansteigen, denn in einer gesellschaftspolitisch so angespannten Lage wie der heutigen, in der eines der vordringlichen Ziele, die Vermeidung jeglichen Risikos ist, werden immer weniger Gerichte und Gutachter den Verwahrten eine wohlwollende Sozialprognose zu stellen bereit sein. Stattdessen wird in Arbeitsgruppen der Justizministerien länderübergreifend an einem (kein Scherz!) „humanen Sterben im Justizvollzug“ gearbeitet. Und die bayrische Justizministerin Merk, sonst als absolute Hardlinerin bekannt, möchte den Vollzug der Verwahrten aufbessern, durch eigene „Zimmer mit Dusche“, anstatt schnöder Knastzellen, sowie vielleicht einem Teich „mit Goldfischen“ im Hofbereich. Nicht umsonst nennen Sicherungsverwahrte ihre die Verwahrung eine „Todesstrafe auf Raten“, nur daß diese künftig offenbar in anheimelenderem Ambiente vollzogen werden soll…
Thomas Meyer-Falk
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