Von Hans Weber amerika21
Bogotá. Die nationale Häftlingsbewegung Kolumbiens (MNC) hat einen Streik in den Sicherheitsgefängnissen angefangen und sich in zivilem Ungehorsam befindlich erklärt. Die MNC meldete am Mittwoch 3.000 hungerstreikende Häftlinge in der Strafvollzugsanstalt von Bogotá, La Picota. Grund dafür sei die humanitäre Krise, die sich trotz vieler Proteste in der Vergangenheit weiter verschlimmert habe, so das Kommuniqué der Häftlinge des berüchtigten Gefängnisses von Valledupar, auch als „Tramacúa“bekannt.
Eines der großen Probleme ist die Überbelegung, die auf rund 58 Prozent geschätzt wird. In einigen Gefängnissen soll sie sogar auf 400 Prozent gestiegen sein, wie der Ombudsmann Jorge Armando Otálora Anfang des Jahres berichtet hatte. Im „Tramacúa“ beispielsweise müssen sich sechs Insassen eine Zelle von sechs Quadratmetern mit Raumtemperaturen von über 35 Grad teilen. Ventilatoren und Mosquito-Netze seien verboten.
Manche Gefangene sterben aufgrund des Mangels an medizinischer Versorgung. Häftlinge mit tödlichen Krankheiten oder Verletzungen bekommen keine medizinische Pflege. So im Fall der Kriegsgefangenen Mario Isaac Arias und Mario Cabezas aus La Picota, deren Beine sich in einem Verwesungszustand befinden, weil ihre Schusswunden kaum behandelt worden sind (amerika21.deberichtete).
Die sanitären Bedingungen sind außerdem extrem prekär. Die Streikenden des Gefängnisses Picaleña im Bundesstaat Tolima klagten, dass es dort nur zwei WC- und Waschanlagen für 140 Insassen gebe. Als Folge der „unmenschlichen Bedingungen“ in den unhygienischen Trakten von „Tramacúa“ leiden viele an Diarrhöe und Hautkrankheiten. Die dortigen Insassen prangerten außerdem an, sie seien ständig Elektroschocks, Tränengas und Schlagstockangriffen durch die Wachen ausgesetzt.
Weitere Probleme sind die schlechte Nahrung, die unwürdigen Besuchsbedingungen und das Kontaktverbot mit dem eigenen Anwalt. Daher fordert die MNC die Regierung auf, die humanitäre Krise anzuerkennen und ihre Lösung in die Wege zu leiten. Verlangt wird auch, dass die Regierung einen Verhandlungstisch einrichtet. Dabei sollen Vertreter der Bevölkerung, Regierung und Gefangene Auswege für die Krise finden. Außerdem soll dem Gesetzentwurf 082 zum Erlass von 20 Prozent der Haftzeit aller Insassen zugestimmt werden. Die Festlegung der Besuchszeiten auf acht Stunden pro Woche und die Abschaffung der Auslieferung ins Ausland sind weitere Forderungen.
Kolumbien sperrt über 116.000 Menschen in Gefängnisse, die für knapp 80.000 Häftlinge gebaut worden sind. Demnach gibt es 266 Häftlinge pro 100.000 Einwohner. Das sind drei Mal so viel wie in Ecuador, doppel so viel wie in Venezuela und erheblich mehr als in Peru, Bolivien, Paraguay und Argentinien. Cirka 9.500 der Inhaftierten sitzen in Kolumbien aus politischen Gründen im Gefängnis.