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Symbolfigur wider Willen

Der Lehrer Michael Csaszkóczy kämpft in Heidelberg gegen die AfD und ein mögliches erneutes Berufsverbot

 

Eine Protestaktion gegen die AfD und die darauffolgende Anzeige wegen Hausfriedensbruchs rückte Michael Csaszkóczy ins nationale Rampenlicht. Dabei bleibt er nur lang gehegten Prinzipien treu.

Von Tilman Baur, Heidelberg nd 29.10.18

 

In Heidelberg-Rohrbach geht es beschaulich zu. Nur wenige Autos stören am Montagvormittag die Stille im Wohngebiet rund um den Eichendorffplatz. Am Horizont prangen die grünen Hügel des Neckartals. Im Zehn-Minuten-Takt rasseln Straßenbahnen gemächlich vorbei und verleihen der Gegend einen Hauch von Großstadt. Ein Aushang vor dem Haltestellenkiosk lockt Studenten mit einem Preisnachlass auf Kaffee und Schokoriegel.

 

Mittendrin liegt die Punkerstraße. Der Name ist hier nicht Programm. Es ist noch gediegener, noch ruhiger. Glaubt man rechten Kreisen, wohnt hier ein Aufwiegler, ein linksextremer Unruhestifter. Michael Csaszkóczy hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. Erst vor mehr als zehn Jahren, als das baden-württembergische Kultusministerium dem Realschullehrer wegen seiner politischen Aktivitäten ein dreijähriges Berufsverbot auferlegte.

 

Im vergangenen Jahr trug die Polizei den 48-Jährigen aus der Heidelberger Stadtbibliothek heraus. Dort hatte die AfD eine Versammlung abhalten wollen. Sie fühlte sich von der Präsenz einiger Antifaschistinnen und Antifaschisten gestört. Die Partei zeigte Csaszkóczy wegen Hausfriedensbruchs an, und tatsächlich verurteilte ihn eine Richterin des Heidelberger Amtsgerichts vor einigen Wochen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 80 Euro.

 

Die AfD stilisiert Csaszkóczy zum gefährlichen Linksextremisten, führt ihn auf ihrer jüngst ins Leben gerufenen Denunziationsplattform an prominenter Stelle. Der Verfassungsschutz beobachtet ihn schon lange. Doch angsteinflößend ist Michael Csaszkóczy nicht. Trotz unfreiwilliger medialer Dauerpräsenz und einer einmal mehr unsicheren beruflichen Zukunft – im schlimmsten Fall droht ein erneutes Berufsverbot – ruht er in sich. Er sitzt an seinem Wohnzimmertisch und spielt ein Video ab, das die AfD auf dem Videoportal YouTube veröffentlicht hat. Begleitet von rührseliger Klaviermusik listet es vermeintliche Fakten über Csaszkóczy auf. Der sei der »führende Kopf« der linksextremistischen Szene, heißt es da.

 

Sogar die bürgerliche »Rhein-Neckar-Zeitung« prangert das AfD-Video als »Sprachrohr der Linksextremisten« an. Gemeinderäten, die Csaszkóczy im Zuge der Affäre ihre Solidarität in einer Erklärung bekundet hatten, wirft es vor, mit Linksextremisten gemeinsame Sache zu machen. Csaszkóczy kann über derlei Anfeindungen nur müde lächeln. Trotzdem: Im Moment kommt es geballt. »Ich kenne das, es ist auch nicht das erste Mal. Aber es wäre gelogen, wenn man sagt, es geht völlig an einem vorbei«, sagt er. Denn Druck kommt nicht nur von Rechts, sondern auch vom eigenen Arbeitgeber: dem Kultusministerium. »Es kommt sehr deutlich rüber, dass sie nicht so undankbar wären, wenn sie wieder Anlass hätten, disziplinarisch gegen mich vorzugehen«, sagt Csaszkóczy.

 

Das Ministerium hat einen Beobachter für den Prozess abbestellt und die Prozessunterlagen angefordert. Die Ansage ist klar: Sollte es zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen, will man Maßnahmen ergreifen. »Ich glaube zwar nicht, dass es wieder auf ein Berufsverbot hinausläuft – aber natürlich triggert das die ganze Geschichte von damals.«

 

Damals, das war die Zeit zwischen 2004 und 2007, als das Land Baden-Württemberg Csaszkóczy erstmals verbot, zu unterrichten. Die Geschichte machte ihn bundesweit berühmt, finanziell aber entstand ein Loch. Csaszkóczy berichtete von damals: »Ich habe zuerst Schulden gemacht, später von Hartz IV gelebt. Am Ende hatte ich ein Promotionsstipendium von der Böckler-Stiftung. Das habe ich dann abgebrochen, als das Berufsverbot zu Ende war.«

 

Doch es gibt auch Unterstützung in der Sache. Die Solidaritätsnote des bürgerlich geprägten Gemeinderats hat Csaszkóczy überrascht und gefreut. »Ich habe hier schon das Stigma des Linksradikalen. Dass hier die Hälfte des Gemeinderats so eine Resolution verfasst, hätte ich nicht gedacht.«

 

Offenen Widerstand gegen die AfD und deren Auffassung der Versammlungsfreiheit hätte der Gemeinderat wohl insgeheim selbst gern geleistet, vermutet er – die Solidarität versteht er auch als Zeichen der Anerkennung. »Sie haben sich immer wieder beschwert, dass die AfD öffentliche Räume missbraucht. Ich habe den Widerstand dagegen eben durchgezogen, bekomme nun aber auch alles ab.«

 

Die Kollegen hielten sich mit Kommentaren zurück, sagt Csaszkóczy. An der Realschule schweigt man sich aus. Der Prozess werde kaum thematisiert. »Lehrer sind im Allgemeinen kein besonders mutiges Völkchen. Sie wollen es nicht so genau wissen, behandeln es als meine Privatsache.« Die Schüler seien da viel offener, stellten Fragen: Warum ist mein Lehrer in der Presse, warum ist er verurteilt worden? »Ich rede auch mit ihnen, bringe die Zeitungsartikel mit. Es bringt ja nichts, wenn sie etwas lesen und es nicht verstehen«, so der Lehrer.

 

Gegen das Urteil geht Csaszkóczy aller Voraussicht nach in Berufung. Auch eine Revision ist noch denkbar. »Das ist aber unwahrscheinlich. Denn wenn die Revision abgelehnt wird, kann ich nicht mehr in Berufung gehen«, erklärt er.

 

Der Prozess ist reich an Kuriositäten. So stellte sich heraus, dass die zuständige Richterin Julia Glaser die Schwiegertochter des AfD-Bundestagsabgeordneten Albrecht Glaser ist. Erst wenige Wochen vor Verhandlungsbeginn hatte das Gericht die junge Richterin für den Prozess bestimmt. Einer ungewöhnlichen Anordnung folgend übernahm sie alle Prozesse mit Angeklagten, deren Nachnamen mit C. beginnen.

 

Das Urteil begründete die Richterin damit, dass Csaszkóczy als Rädelsführer der linken Szene grundsätzlich Versammlungen verhindern wolle und er somit sein in Artikel 8 des Grundgesetzes verankertes Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verwirkt habe. »Das ist ziemlich haarsträubend. Die Richterin hat sich dieses Konstrukt zurechtgelegt und wollte danach nichts anderes mehr hören«, erinnert sich Csaszkóczy. Viermal habe sie den damals anwesenden Polizisten gefragt, ob er Csaszkóczy in der Bibliothek habe etwas rufen hören – bis er sich schließlich tatsächlich an einen solchen Ruf zu erinnern glaubte. Andere Zeugen, die zugunsten Csaszkóczys hätten aussagen können, ließ sie gar nicht erst zu.

 

Zur Verhandlung brachte die 35-jährige Richterin ihre Mutter mit, die am Tag nach dem Urteil die »Rhein-Neckar-Zeitung« in einem Leserbrief beschimpfte. »Ich kam mir vor wie in einem provinziellen Stieg-Larsson-Krimi, oder wie in einer Komödie«, sagt Csaszkóczy.

 

An einer rechtskräftigen Verurteilung hätte neben dem Kultusministerium auch der Verfassungsschutz ein vitales Interesse. Nachweislich beobachtet die Behörde Csaszkóczy seit 30 Jahren. Bruchstückhaft hat er Einsicht in die Akten erhalten. Sein erster Eintrag kam zustande, als er sich schützend vor ein Flüchtlingsheim in Mannheim-Schönau stellte, dessen Bewohner sich Anfang der 1990er Jahre mit einem Steine werfenden Mob konfrontiert sahen.

 

Zwei Schlüsselerlebnisse brachten den jungen Michael Csaszkóczy Anfang der 90er Jahre dazu, sich in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) zu engagieren. Zum einen die Wahl des Landtags von Baden-Württemberg im Jahr 1992, als die Republikaner mit einem Stimmenanteil von 10,9 Prozent ins Parlament einzogen. Zum anderen die Begegnung mit Max Ludwig Oppenheimer.

 

Der Heidelberger Publizist, Gewerkschafter, Historiker und Politiker wurde während der NS-Diktatur in das Konzentrationslager Dachau deportiert, konnte jedoch über die Schweiz nach England emigrieren. Später kehrte er nach Heidelberg zurück und war einer der Mitbegründer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).

 

»Grandseigneur des Widerstands« nennt Csaszkóczy ihn. »Er war während der Weimarer Republik an der gleichen Schule wie ich heute. Ich habe ihn bei einer Veranstaltung kennengelernt und über ihn andere Antifaschistinnen und Antifaschisten, die im Widerstand waren. Das waren alles Leute, die mich tief beeindruckt haben«, erzählt er. Von ihnen übernahm Csaszkóczy auch die antifaschistischen Stadtführungen, die er bis heute in Heidelberg durchführt.

 

Das Engagement für die antifaschistische Sache ist dringender denn je, meint Csaszkóczy. Das akademisch und international geprägte Heidelberg sei noch eine Art »Insel der Glückseligen«. Statt Stiefelnazis träten hier allenfalls Stichwortgeber der Burschenschaften in Erscheinung.

 

Doch weiter in der Provinz – in Kraichgau, Odenwald – braut sich Völkisches zusammen. »In den Dörfern hängen AfD- und NPD-Plakate nebeneinander. Andere Parteien plakatieren schon gar nicht mehr.« Für Michael Csaszkóczy geht der Kampf gegen Rechts jedenfalls weiter. Von einem abermaligen Berufsverbot lässt er sich nicht abschrecken, seinen Prinzipien bleibt er treu. »Eher suche ich mir einen anderen Beruf, als aufzuhören.«