tortura

Systematische Folter in Spanien

Expertenbericht für die baskische Regierung: Der offizielle Bericht über Folter und Misshandlungen durch verschiedene Polizeikörper in Spanien und im Baskenland in der Zeit zwischen 1960 und 2014 hat Staub aufgewirbelt. Im Auftrag der baskischen Regierung wurde die Expertise von einem Team von Expert*innen angefertigt. Darunter der Anthropologe und Gerichtsmedizier Paco Etxeberria von der Forschungsgemeinschaft Aranzadi. Das Ergebnis stellt der spanischen Polizei ein vernichtendes Zeugnis aus. Auch die baskische Polizei kommt nicht gut weg.

22% der 4.113 Misshandlungs-Fälle, die der erste offizielle Bericht über Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam dokumentiert, enthalten sexualisierte Gewalt, von Betatschen über Elektroden bis hin zu vaginalen und analen Vergewaltigungen. In 69% der Fälle wurden Schläge verabreicht, in 25% Erstickungsmethoden angewandt. Bei der Untersuchung über systematische Misshandlungen gegen baskische Personen in der Zeit von 1960 bis 2014 kam das Istanbul-Protokoll zur Anwendung, eine wissenschaftliche Methode, um die Glaubwürdigkeit von Folterschilderungen zu prüfen.

Die ausführliche Studie, die von einem Team des Baskischen Instituts für Kriminologie unter Leitung des Gerichtsmediziners Paco Etxeberria im Auftrag der baskischen Regierung fertiggestellt wurde, ist ein Röntgenbild des Horrors in den Gefängniszellen. In fast 70% aller Fälle spielten Schläge und Bedrohungen eine Rolle. Dazu kommt sexualisierte Gewalt in fast einem Viertel aller Fälle, einschließlich 17 Fälle von vaginalen und 19 von analen Vergewaltigungen. Von den 4.113 dokumentierten Fällen wurden 202 besonders intensiv geprüft nach den Kriterien des Istanbul-Protokolls: die große Mehrzahl der Schilderungen wurden als „sehr wahrscheinlich“ eingestuft. Nur 4,5% der Fälle insgesamt haben nach Ansicht der Expert*innen „wenig Basis“.
So wurde gefoltert: Schläge (69%, Erstickung (25%), sexualisierter Missbrauch (22%)
Der Bericht des Etxeberria-Teams stellt ein relativ komplettes Bild dar, wie in Polizeikerkern viele Baskinnen und Basken nach ihrer Verhaftung gefoltert wurden. In Prozenten ausgedrückt sah der Horror folgendermaßen aus: in fast 70% der Fälle bekamen die Verhafteten Prügel, bei 25% wurden verschiedene Erstickungsmethoden angewandt und in 22% der Fälle kam es zu sexualisierter Gewalt.

Für Personen aus dem Umfeld der baskischen Linken bedeuten die Daten des Folterberichts keine Überraschung. Denn alle haben früher oder später im Familienumfeld oder Freundeskreis einen Fall von Folter erlebt, wenn nicht sogar mehrere. Da im intimen Kreis über derlei Erlebnisse keine Märchen erzählt werden, wussten alle sehr genau Bescheid. Für viele andere Personen, die diese Art von direkter Konfrontation mit dem Staat und seinen Exekutoren nicht kannten, bedeutete die Expertise hingegen eine makabre Enthüllung. In der 500-seitigen Dokumentation über Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam (im Auftrag der baskischen Regierung) spielt selbstverständlich die Frage eine große Rolle, WIE die Folter ablief, und WORIN Misshandlungen bestanden – konkrete Zahlen, ausgehend von den 4.113 untersuchten Fällen.
Kaum vorstellbarer Sadismus

Der Horrorbericht enthüllt besonders sadistische Quälformen: die Benutzung von Tieren bei den Bedrohungen in vier Fällen; die Anordnung von erzwungenen Masturbationen in ebenfalls vier Fällen; acht Fälle von Folter mit Erdrückungen; sowie 465 Fälle, in denen Gefangene anhören mussten, wie andere Personen misshandelt wurden, darunter Freunde und Freundinnen.
Zwei Folterformen stechen zahlenmäßig besonders ins Auge: 69,8% der Betroffenen in den speziell untersuchten Fällen erhielten Schläge, fast alle davon (65%) regelrechte Prügel. Ebensoviele Opfer wurden bedroht. Dazu zählen zum Beispiel Schein-Erschießungen in jedem zehnten Fall. Praktisch genauso viele Opfer mussten Dauerverhöre über sich ergehen lassen (52,3%) oder Schlafentzug (31,2%).
Erstickung und sexualisierte Gewalt
Die Folterpraktiken mit Erstickung und sexualisierter Gewalt waren weniger verbreitet, fallen aber laut Bericht dennoch besonders auf. Die Erstickungs-Techniken tragen verschiedene Bezeichnungen, sie stellen sozusagen weltweit „die Klassiker“ in diesem Höllenmetier dar. Im untersuchten Zeitraum von 1960 bis 2014 (Diktatur, Transicion, Demokratie) wurden sie im Baskenland bei jeder vierten verhafteten Person angewandt, also in 25% der Fälle. Das Team des Baskischen Instituts für Kriminologie unterscheidet zwischen der sogenannten „trockenen Erstickung“, die auch als „die Tüte“ bekannt ist und in 19,5% der Fälle zum Einsatz kam; sowie der „nassen Erstickung“ – bekannt als „Badewanne“, die 8,4% der Opfer erleiden mussten. Zudem gibt es 1,1% von Fällen, in denen die Erstickungsmethode nicht genau beschreiben ist.
Sexualisierte Gewalt wurde in 22,3% aller Fälle angezeigt. Dabei sind verschiedene Formen zu unterscheiden: erzwungenes Entkleiden während der Kontaktsperre (18%), verbale Demütigungen mit sexistischem Gehalt (10,3%), Schläge in die Geschlechtsteile (9,7%), Betatschen (5,4%), Anwendung von Elektroden an den Geschlechtsteilen (1,4%), Einführung von Objekten in die Vagina (0,8%) und in den Anus (0,9%). Die beiden letzten Beispiele von Vergewaltigung wurden von insgesamt 36 Personen angezeigt.

Unsichtbare Folter

Da alle Fälle umfangreich dokumentiert sind, können viele weitere Schlüsse gezogen werden: die beteiligte Polizeieinheit, das Alter der Verhafteten, die Jahre der Ereignisse … aus dem letztgenannten Merkmal zum Beispiel hat das Team von Paco Etxeberria auf die Formen der sexualisierten Gewalt geschlossen. In den 1980er und 1990er Jahren wurden mehrfach Elektroden angewandt, ab dem Jahr 2000 waren es verstärkt Betatschen, Demütigungen oder Vergewaltigungen. An der zeitlichen Grenze dieser beiden Gewaltformen wird deutlich, „dass eine qualitative Änderung stattfand, weil (bei den Verantwortlichen) die Sorge wuchs aufgrund von Folterberichten und deshalb zu Formen übergegangen wurde, die weniger physische Spuren hinterlassen wie Hämatome,“ so der Bericht. 

Auf Seite 167 des Folterberichts wird festgestellt, dass “Frauen mit Männern verglichen häufiger gestoßen und an den Haaren gezogen werden, sie werden häufiger zum Dauerstehen gezwungen, erleiden häufiger die Erstickung mit der ‘Tüte‘ und sind häufiger von verschiedenen Formen von sexualisierter Gewalt betroffen (Zwang zum Entkleiden, Betatschen, verbale Demütigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt), schlechtere Bedingungen bei der Verhaftung (Konfronation mit Dauerlärm, keine Hygiene im Raum), häufiger Kapuzen-Anwendung, mehr Demütigungen und Drohungen, etc.“ Die Männer „werden häufiger verprügelt und zu unnatürlichen Körper-Haltungen gezwungen, sie erhalten mehr Schläge in die Genitalien als Frauen.“
Von Elektroden zu Dauerlärm

Von der eingangs geschilderten Benutzung von Elektroden als Foltermethode (…) WEITERLESEN:
http://www.baskultur.info/geschichte/friedensprozess/368-folterbericht1
webadresse:
http://www.baskultur.info…