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Tagung in Wuppertal am 25.08. zur Repression in der Türkei und zur Kollaboration Deutschlands

so_ko_wpt 7. August 2013 repression, veranstaltung, wuppertal

Neue solidarische Wege – dayanışma yeni yollar

Am Sonntag, den 25.August 2013 wollen das so_ko_wpt (soli-komitee-wuppertal) und kurdische und türkische Gruppen eine Tagung in Wuppertal ausrichten, bei der wir uns intensiv mit der staatlichen Gewalt in der Türkei und der Kollaboration Deutschlands mit dem türkischen Machtapparat beschäftigen:

Nicht erst seit den Protesten der letzten Zeit hat sich die Repression in der Türkei dramatisch zugespitzt. Schon lange vorher hat die AKP-geführte türkische Regierung ihre Maßnahmen gegen die Opposition intensiviert. Immer wieder wurde von Verhaftungswellen berichtet, denen immer öfter auch Journalisten und Journalistinnen, Künstler, Anwältinnen und Anwälte zum Opfer fielen.

Bereits im vergangenen Jahr waren mit Zehntausenden, die gegen die kriegstreibende Politik Ankaras gegenüber Syrien auf den Straßen türkischer Städte demonstrierten, Vorboten der aktuellen Proteste sichtbar geworden. Und seit längerer Zeit gab es bereits intensive urbane Auseinandersetzungen um den Umbau Istanbuls, etwa gegen die dritte Bosporusbrücke oder die Zerstörung des Stadtviertels Sulukule.

Die AKP-geführte Regierung verstärkte die Repression gegen revolutionäre Linke und die kurdische Bewegung, der Ausbau der “Typ F”-Gefängnisse wurde forciert. Auch der inzwischen eingeleitete Versuch eines Friedens mit der kurdischen Bewegung hat an den Inhaftierungen von AktivistInnen nichts geändert.

Die Repression gegen die “Occupy Gezi”- Bewegung hat die zunehmend autoritäre Politik der Erdogan-Regierung nun in das Blickfeld einer breiteren internationalen Öffentlichkeit gerückt.

Die Politik der AKP-Regierung reiht sich nahtlos in eine schon lange bestehende Geschichte türkischen Staatsterrors ein. Seit den Tagen des Osmanischen Reiches dauert die Repression des türkischen Staates gegen kurdische und armenische Menschen, gegen AlevitInnen und alle, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, an. Die traurige Bilanz dieser langen Unterdrückungsgeschichte sind zehntausende Tote, tausende von entvölkerten Dörfern und Millionen, die vor dem Terror des türkischen Staates fliehen mußten und zumeist unter unmenschlichen Bedingungen in Ghettos am Rande türkischer Großstädte leben.

    Hinter mir liegen 13 Jahre Gefängnis,
    vor mir noch 17,
    eine Fahne flattert über mir – blutrot.
    Eine Frau liebe ich –weiß wie Milch,
    ein Lied singe ich –hoffnungsvoller als die anderen.
    In meinem Lied die Freude, die Trauer, der Sieg meiner Menschen,
    und in meiner Hand die Hand meiner Frau, die mich nicht berühren kann.
    (Nâzım Hikmet)

Alle, die den türkischen Staat kritisierten und Demokratie und Menschenrechte, Meinungs- und Glaubensfreiheit für alle in der Türkei lebenden Menschen forderten, mußten mit schwersten Repressionen oder sogar ihrem Tod rechnen. Hunderte, vom Staat so genannter “Morde unbekannter Täter” an MenschenrechtsaktivistInnen, AnwältInnen, Journalisten und PolitikerInnen wurden verübt; auch auf Demonstrationen gab es regelmäßig Tote und Schwerstverletzte durch staatliche Gewalt. Zigtausende Menschen aller Schichten und Gruppen der Bevölkerung sind als politische Gefangene inhaftiert und oft schwerer Folter ausgesetzt.

Die in sehr vielen Jahrzehnten erprobten Unterdrückungsapparate des türkischen Staates werden infolge der “Occupy Gezi”-Proteste nun auch gegen urbane Bewegungen, InternetaktivistInnen und Fußballfans eingesetzt. Deren Kriminalisierung folgt denselben Mustern, mit denen die linke politische Opposition zerschlagen werden soll. Den für einen Erhalt des Gezi-Parks kämpfenden jungen AktivistInnen drohen nun Inhaftierungen in denselben, nach deutschem Vorbild errichteten “Typ F”-Knästen, in denen kurdische und revolutionäre KämpferInnen schon seit Jahren isoliert werden.

Die Kollaboration des deutschen Staates mit der jeweiligen Regierung des NATO-Partnerlands Türkei geht jedoch über den Wissenstransfer bei der Isolation von Gefangen hinaus. Sie reicht von Panzerlieferungen zur Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung seit den neunziger Jahren über die Ausbildung von Polizeieinheiten bis zur tätigen Kooperation bei der Unterdrückung von Vereinen und politischen Initiativen in Deutschland durch Verbote, Razzien und Verhaftungen oder politische Prozesse nach §129b. So wie unlängst am 26.Juni, als in Deutschland und Österreich erneut MigrantInnen zur Zielscheibe deutschen sicherheitspolitischen Beistands für das Erdogan-Regime wurden.

Wir wollen uns bei der Tagung einen Überblick über die einzelnen Teilaspekte verschaffen. Das Ziel der Tagung: Über ein tieferes Verständnis der Situation zu einer besseren transnationalen solidarischen Zusammenarbeit gegen die Repression zu gelangen und die Kooperation in Deutschland tätiger Initiativen und Gruppen zu intensivieren.

Als so_ko_wpt erhoffen wir uns von der seit längerem geplanten Veranstaltung einen Neuanfang des solidarischen Dialogs zwischen allen türkischen, kurdischen, alevitischen und deutschen Akteuren der Linken in Deutschland. Der Wunsch nach einem Neustart einer Kooperation der verschiedenen Gruppen entspringt der Einschätzung, dass aktuelle Auseinandersetzungen sowohl mit Staat als auch mit faschistischen Akteuren zukünftig hier wie dort entschlossenes gemeinsames Agieren erforderlich machen.

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Termin: 25.August 2013 (10:00 bis 19:00 Uhr – anschließend Film)
Ort: Wuppertal, Alte Feuerwache (bei schlechtem Wetter im Tacheles)

Programm:

    10:00 Uhr: Begrüßung und Auftaktrunde im Podium mit allen ReferentInnen zur politischen Lage und zur Repression in der Türkei, zur Situation in den Knästen, zur Verfolgung von politischen Gruppen und AktivistInnen

    11:30 Uhr: Input zu Kurdistan –  Einschätzung des laufenden Friedensprozesses,  Repression gegen kurdische AktivistInnen in der Türkei und in Deutschland, Rolle der kurdischen Bewegung bei den aktuellen Protesten
    ReferentInnen : Tatort Kurdistan / Azadi

    12:30 Uhr: Input zu Repression gegen türkische Linke und revolutionäre AktivistInnen in der Türkei und in Deutschland / Rolle der Organisationen bei den aktuellen Protesten
    ReferentInnen: angefragt

    13:30 Uhr: Input zur aktuellen Situation der urbanen Kämpfe, Einschätzung der Politik der Erdogan-Regierung, Entwicklung der Bewegung, Repression gegen AktivistInnen
  & nbsp; ReferentInnen: AktivistInnen aus Istanbul (angefragt)

    14:30 Uhr bis 16:00 Uhr: Mittagspause / gemeinsames Essen

    16:00 Uhr: Input zur Rolle Deutschlands und deutsche Kooperation mit der türkischen Regierung (Waffenlieferungen, Kooperation der Polizeiapparate, Ausbau des Knastsystems)
    Referent: Andrej Hunko

    17:00 Uhr: Input zur Repression gegen migrantische AktivistInnen in Deutschland mithilfe des § 129b, zur Situation der Inhaftierten und zur solidarischen Begleitung ihrer Prozesse
    ReferentInnen: angefragt

    18:00 Uhr: Gemeinsame Erklärung oder weitere Absprachen zur Zusammenarbeit

    19:00 Uhr bis 21:00 Uhr: Offene Runde / gemeinsames Essen (ggf. Transfer zur Alten Feuerwache)

    21:00 Uhr: zum Abschluss – Vorführung des Films “F-Typ” im Open Air-Kino der Alten Feuerwache

 & nbsp;  23:00 Uhr: Ende der Tagung
    (Übernachtungen in Wuppertal können auf Anfrage organisiert werden!)