Unsere Genossin Ivana – voller Nächstenliebe und Hoffnung

Wer war Ivana Hoffmann? Ivana Hoffmann ist der Name einer jungen Frau, die sich 2014 dazu entschied, sich dem bewaffneten Kampf in Rojava anzuschließen und am 7. März 2015 unsterblich wurde. Doch sie war nicht nur eine Revolutionärin, sondern inspirierte zahlreiche Menschen mit ihrer Positivität, ihrem Kampfgeist und ihrem Veränderungsdrang.

Ivanas Leben in Duisburg

Ivana wurde 1995 geboren und wuchs in Duisburg bei ihrer Mutter auf, einer Stadt im Ruhrgebiet, die auf den ersten Blick nicht außergewöhnlich klingt, kaum außergewöhnlich erscheint und auch eher unscheinbar ist. Schon als Kind strahlte Ivana eine energische und leidenschaftliche Persönlichkeit aus. Das zeigte sich auch eines Tages, als ein Fotograf die junge, lachende Ivana in einer Eisdiele mit ihrer Mutter entdeckte und diesen Moment der puren Freude unbedingt aufnehmen musste. Ivana war auch ein großer Fußballfan. Sie hatte ein Schalke-Trikot in ihrem Zimmer hängen und spielte in einer Mädchenmannschaft, wo sie erste Kontakte zu kurdischen Kindern und ihrer Kultur knüpfte. Neben ihrem engen Verhältnis zu ihrer Mutter pflegte Ivana auch eine enge Beziehung zu ihrem Stadtteil, in dem sie aufwuchs. Diese Verbundenheit übertrug sie leicht auch auf Duisburg-Meiderich, wohin sie und ihre Familie 2006 umzogen. Hier lernte sie viele kurdische Jugendliche kennen und erfuhr mehr über die Situation des kurdischen Volkes. Dies führte dazu, dass sie schon vor ihrer Politisierung eine enge Verbindung zu Kurdistan und der kurdischen Freiheitsbewegung entwickelte.

Ivana hatte es nie leicht; sie war das Kind einer deutschen Arbeiterin und eines togolesischen Migranten. Trotzdem zog sie sich nicht zurück, sondern versuchte früh, sich an Aktionen zu beteiligen, und politisierte sich sehr früh. Bei der Bildungsstreik Bewegung 2009 versuchten zahlreiche Schülerinnen und Schüler, unter anderem durch das Fernbleiben vom Unterricht, sich für ein verändertes Bildungssystem einzusetzen. Während die Hauptforderungen sich vor allem gegen das dreigliedrige Schulsystem, das G8-Gymnasium und zu überfüllte Klassen richteten, war es dennoch ein wichtiger Punkt in ihrer politischen Entwicklung. Sie beteiligte sich aktiv und wurde aufgrund ihrer aufgeschlossenen, offenen und herzlichen Art bald zur Pressesprecherin in Duisburg gewählt, wo sie eine wichtige Aufgabe übernahm. Zudem konnte sie durch ihre empathische und offene Art viele Schüler:innen für die Aktivitäten in der Bewegung gewinnen.

Eines Tages kam es dazu, dass Ivana am Bahnhof Meiderich einen Streit schlichten wollte und dort eine Kurdin traf, die sie zu einem Besuch im Verein Young Struggle einlud. Ab diesem Besuch engagierte sie sich aktiv in deren politischer Arbeit. Sei es der Tag gegen Gewalt an Frauen oder Aktionen zur Solidarität mit dem kurdischen Volk – es war Ivanas hoher Gerechtigkeitssinn, der sie veranlasste, an jeder politischen Aktion teilzunehmen und diese selbst zu organisieren. So organisierte sie 2011 im selben Jahr ihrer Beteiligung bei Young Struggle bereits den Bildungsstreik in Duisburg und nahm 2012 an einem Hungerstreik für die Freiheit von Gefangenen der PKK teil. Es war ihre lebendige und kämpferische Art, mit der sie hervorstach und alle in ihren Bann zog.

In dieser Art ließ sie sich nie unterkriegen. Es gab eine Zeit, in der es in Duisburg kaum Bewegung im Verein und der politischen Arbeit gab. Meistens waren nur wenige bei den Plena anwesend, aber Ivana ließ sich nicht von solchen Umständen entmutigen. Sie hielt die Moral in der Gruppe stets hoch und ermutigte ihre Genossen, auch politische Arbeit zu leisten, selbst wenn man nur zu dritt ist. Drei Personen reichen aus, um Beschlüsse zu fassen, Kundgebungen zu organisieren und die Arbeit voranzutreiben, denn ohne diesen Antrieb kann eine Bewegung nicht wachsen und sich vermehren. Ivana versuchte immer, so viele Menschen wie möglich für die Politisierung zu gewinnen. Sie verkaufte Zeitungen in Meiderich, die sie selbst nicht lesen konnte, weil sie in einer Sprache verfasst waren, die sie nicht verstand. Ebenso ging sie am Tag vor ihrer Abreise nach Rojava noch zur Schule, weil sie es für wichtig hielt, Zeitungen zu verkaufen und weitere Menschen zu organisieren.

Von Duisburg bis nach Rojava

2014 folgte Ivana schließlich dem Aufruf der MLKP Rojava, sich der Verteidigung anzuschließen. In einem Abschiedsbrief an ihre Genossinnen schrieb sie: „Nichts hält mich mehr hier. Ich kann nicht tatenlos zusehen, während meine Schwestern, Brüder, Freunde, Mütter, Väter und Genossen um die Freiheit und die Unabhängigkeit vom Kapitalismus kämpfen. Ich werde den Internationalismus der Partei vertreten und ein Teil der organisierten bewaffneten Bewegung sein. Wenn ich zurückkomme, werde ich meine Genossen und mein Umfeld mit dem Kampfgeist und der Willenskraft anstecken, ich werde wie die schönsten Lieder sein und jeden in meinen Bann ziehen. Ich werde eine Guerilla voller Nächstenliebe und Hoffnung sein.“ In Rojava stellte sie sich der Aufgabe, eine fremde Sprache zu lernen, zu kommunizieren, aber auch im Kampf ihren Mut und ihre Lebendigkeit nicht zu verlieren. Es gibt eine Geschichte von Ivana, in der sie und eine Genossin, während alle am Lagerfeuer verschiedene internationale Arbeiterlieder sangen, einen deutschen Schlager anstimmten. Der Geschichte zufolge denken wohl immer noch Genossinnen in Kurdistan, dass „99 Luftballons“ ein deutsches Arbeiterlied sei. Am 7. März wurde Ivana schließlich nach 6 Monaten Aufenthalt bei der erfolgreichen Verteidigung von Tell Tamers unsterblich.

Von ihrem Leben und ihren Eigenschaften lernen

Was können wir von ihr lernen? Ivana war kein außergewöhnlicher Mensch. Weder wurde sie als Revolutionärin geboren, noch war es ihre Berufung, nach Rojava zu gehen. Ivana wurde wie jeder andere Mensch von den Widersprüchen ihrer Existenz und der Gesellschaft geformt, hat sich diesen aber nie ergeben, sondern ist diesen Widersprüchen aktiv entgegengetreten. Sie hat sich nie zurückgezogen, sondern ist immer in die Konfrontation gegangen und hat sich immer weiterentwickelt.

Und das ist eine Besonderheit an Ivanas Lebensweg. Er ist zu einem großen Teil nicht außergewöhnlich, und wir alle können uns mit Teilen ihrer Ängste, aber auch ihres Mutes identifizieren. Wir alle wollen etwas verändern, und so gilt es von ihr zu lernen. Wir können auf die Momente schauen, in denen es in Duisburg schwer war und nur wenig los war, aber sie hat die Moral hochgehalten. Die Momente, in denen sie über ihren eigenen Schatten gesprungen ist, um mehr Zeitungen zu verkaufen oder neue Genossinnen zu organisieren. Die Momente, in denen sie auch in schwierigen Zeiten versucht hat, sich und ihre Genossinnen aufzuheitern.

Dort können wir ansetzen, in jedem Moment, in dem etwas holprig verläuft, nicht den Mut zu verlieren und zu kämpfen. In dem Moment, in dem man Angst oder Respekt vor einer Aufgabe hat, diese trotzdem anzunehmen. Von Ivana zu lernen, heißt nicht nur, die Waffe aufzunehmen und zu kämpfen. Von Ivana zu lernen, heißt auch, sich mit dem proletarischen Internationalismus zu befassen, und es heißt auch, die alltäglichen Aufgaben anzunehmen und sich stets weiterzuentwickeln und Kraft zu schöpfen.

Denn wenn niemand die Flagge Ivanas weiterträgt, fällt sie auf den Boden. Machen wir es uns zur Aufgabe, von ihr zu lernen und ihren Mut, ihre Lebensfreude und ihren Ehrgeiz weiterzutragen und zu kämpfen.

Sehid Namirin