Verteidigung fordert die sofortige Freilassung von Ihsan Cibelik zur dringend erforderlichen Behandlung seiner Prostataerkrankung

Ihsan Cibelik wurde am Abend des 17. Mai 2022 vor seiner Wohnung in Bochum festgenommen. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt wegen einer krankhaften Prostatavergrößerung seit 2 Jahren in medizinischer Behandlung bei einer Fachärztin für Urologie. Aufgrund der problematischen Entwicklung hielten die Fachärzte dringend eine Biopsie für erforderlich. Diese sollte an sich in den nächsten Tagen erfolgen. Aufgrund der Festnahme scheiterte dies.

Bei der nichtöffentlichen Verhandlung über die Haftbefehlseröffnung am 18. Mai 2022 vor dem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Lutz als Ermittlungsrichter, an dem als Vertreter des Generalbundesanwaltes u.a. der Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Setton teilgenommen haben, wurde seitens des Rechtsanwaltes ausdrücklich zu Protokoll erklärt:

Der Beschuldigte leidet an einer Prostataerkrankung. Es war gestern eine Biopsie geplant, die allerdings nicht vorgenommen wurde. Diese sollte nach seiner Ansicht baldmöglichst vorgenommen werden.

Seitens des Ermittlungsrichters des BGH wurde in dem Aufnahmeersuchen vom 18.05. 2022 an die Leitung der Justizvollzugsanstalt Köln Ossendorf ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die „Biopsie (baldmöglichst) vorgenommen werden“ sollte.

Es sind jetzt genau 15 Monate seit der Festnahme vergangen, ohne dass diese medizinisch dringlich erforderliche Biopsie stattgefunden hat.
Aufgrund der zum Zeitpunkt der Festnahme bestehenden Diagnosen bestand Krebsverdacht. Die – am besten MRT-gesteuerte Biopsie – ist dringlich erforderlich, um aufgrund der Untersuchung der gezielt entnommenen Gewebeproben Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen. Der Prostatakrebs ist heilbar, wenn er frühzeitig erkannt wird. Er wächst zunächst innerhalb der Prostata. Erfolgt jedoch keine Behandlung kann er die Kapsel durchbrechen und außerhalb der Prostata fortschreiten/streuen. Je länger man wartet und um wahrscheinlicher ist die weitere Progression der Tumorerkrankung und Bildung von Metastasen, bevorzugt in Lymphknoten und im Skelett.
Durch die Verantwortlichen in der Justiz und Justizvollzugsanstalt wird seit 15 Monaten die dringlich notwendige Biopsie verschleppt, obwohl sie seit Beginn der Inhaftierung dem Ermittlungsrichter des BGH, dem Generalbundesanwalt, der Leitung der JVA und nach Anklageerhebung auch dem Staatsschutzsenat (7. Strafsenat) des OLG Düsseldorf bekannt ist.

Die Verteidigung von Ihsan Cibelik hat deshalb die sofortige Freilassung von Ihsan Cibelik beantragt, um die dringlich notwendige medizinische Behandlung zu gewährleisten. Das erfordern grundlegende Menschenrechte und die Achtung der Würde des Menschen. Die notwendige medizinische Behandlung darf auch einer Person, die in Opposition zum diktatorischen Erdoganregime steht und wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer sogenannten „ausländischen terroristischen Vereinigung“ vor Gericht steht, nicht verwehrt werden.

Nachfolgend Auszüge aus einer Erklärung von Ihsan Cibelik, die er in der Hauptverhandlung am 01.08. 2023 in diesem Zusammenhang abgegeben hat:

„Am 17. Mai 2022 wurde ich abends festgenommen. Am 18. Mai 2022 habe ich mit dem Arzt der JVA gesprochen. Ich habe ihn über meine Krankheiten informiert. Ich habe ihm von meinem Arztbesuch vom 17. Mai, einen Tag zuvor, in Frankreich, berichtet. In Frankreich befand ich mit seit 2 Jahren in Behandlung wegen der Vergrößerung der Prostata. Mein Arzt in Paris sagte mir zuletzt, das Problem sei sehr ernst und es bestünde eine große Krebsgefahr und man müsse deshalb zügig eine Biopsie durchführen … Am nächsten Tag wurde ich aber verhaftet. Ich berichtete alles dem Anstaltsarzt. Ich kam dann im Gefängnis in eine andere Abteilung. Am 20.05. 2022 wurde ich wieder zum Anstaltsarzt gerufen und berichtete wieder. Am 30. Mai wurde ich dann erneut zum Arzt gerufen und es wurde gesagt, ich sollte das nochmals detailliert erzählen. Was ich tat. Ich wurde dann zum Urologen überwiesen.
Bis zum 23. Juni 2022 ist dann nichts passiert. Am 23. Juni habe ich einen Brief geschrieben und nachgefragt, was los ist und warum die notwendige Biopsie nicht gemacht wird. Am nächsten Tag sagte mir eine Schwester, die türkisch konnte, ich würde in 1 Woche in das Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein-Westfalen in Fröndenberg/Ruhr (JVK) überwiesen werden, in dem es eine Urologie gibt. Und am 30. Juni 2022 kam vom Gericht die Mitteilung, ich könne in die Urologie Abteilung der Klinik in Fröndenberg verbracht werden. D.h., ein Gericht hat den Beschluss gemacht, dass ich in dieses Krankenhaus gebracht werden kann.
Bis zum 11. Juli passierte dann aber wieder nichts. Und am 11. Juli habe ich dann wieder schriftlich nachgefragt, was denn nun ist.
Am 19. Juli – nach 8 Tagen – kam diesmal ein weiterer – erfahrener – Arzt zu mir und wollte, dass ich noch einmal meine Geschichte mit der Prostata erzähle. Nach 2 Monaten musste ich also erneut die ganze Geschichte berichten. Um die Atteste aus Frankreich zu bekommen, wollte er die Adressen und Namen von den Ärzten. Das hatte ich aber alles schon am ersten Tag gemacht und alle Dokumente und Adressen der JVA gegeben. Ich habe das dann aber nochmal gemacht. Und ich hatte auch meine Frau mit eingespannt. Sie hat sich darum gekümmert, dass am nächsten Tag die Atteste kamen. Wir haben es dank ihr geschafft, sie hat es telefonisch geklärt und die Unterlagen an das Gefängnis schicken lassen. Und endlich, am 03. August 2022, wurde ich endlich in die Urologie in Fröndenberg gebracht. Und ich musste erneut das Problem mit meiner Prostata lang und breit erzählen. Tests wurden gemacht und wenn eine Biopsie notwendig sein sollte, werde man nach diesem Test entscheiden und wenn was Wichtiges ist, würden sie mir Bescheid sagen.
Es vergingen wieder Monate. Dann wurde ich wieder zur Urologie Abteilung der Klinik in Fröndenberg gebracht. Der Arzt hat genau dieselbe Prozedur wieder durchgeführt. Wäre eine Biopsie notwendig, sagten sie mir, würde man sich das in 1 Monat nochmal anschauen. Es kam der 28. November 2022, es sind wieder Monate vergangen, ich ging zum Anstaltsarzt und habe gefragt, was denn jetzt los ist. Mir wurde gesagt, ja, ich würde Bescheid kriegen. Und als Antwort wurde ich wieder in die Urologie der Klinik in Fröndenberg gebracht.
Der Arzt sagte zu mir, es müssten die gleichen Tests gemacht werden, gehen sie ins Nebenzimmer, ich werde nochmals dasselbe machen. Vor ihm ist der Computer, die Akten, die ganzen Infos, er weiß aber nicht, wen er vor sich hat. Ich habe ihm nochmals von Anfang an alles berichtet. Ich habe ihm gesagt, es ist dringend eine Biopsie nötig. Das dies seit 6 Monaten der Fall ist und dies nicht gemacht wurde und ich jetzt abermals hier bin.
Er sagte hmmm, ok, wir schauen uns das an und die Entscheidung erfährst du vom Anstaltsarzt. Dann habe ich wieder gewartet und dann am 23.01. 2023 nochmals beim Anstaltsarzt gefragt, was ist denn jetzt los. Er sagte, kommende Woche kommst du für eine Untersuchung in die Klinik. Am 03. Februar 2023 kam ich in die Uni-Klinik in Köln. Dort wurde eine MRT Untersuchung durchgeführt. Es wurde eine CD erstellt und ging an die JVA. Der Anstaltsarzt hat diese CD an die Urologie in Fröndenberg geschickt. Er sagte, die Entscheidung müsste so schnell wie möglich fallen.
Ich habe dann am 15. März 2023 nachgefragt. Man sagte es gäbe noch keine Information. Am 23. 03. 2023 habe ich dann wieder einen Brief geschrieben und nachgefragt. Mir wurde gesagt, es lägen immer noch keine neue Information vor.
Am 11.04. 2023 habe ich dann einen ausführlichen 3 – seitigen Brief verfasst.
Dort schrieb ich, dass meine gesundheitliche Lage immer problematischer und gefährlicher werde und beschwerte mich, dass ich im Gefängnis nicht die notwendige medizinische Behandlung bekomme. Am 17. April 2023 kam der Anstaltsarzt. Er habe die Urologie in Fröndenberg angerufen. Diese habe ihm gesagt, es sei an der Uniklinik in Köln zu entscheiden, ob eine Biopsie notwendig ist. Und er wusste nicht, warum diese Information 3 Monaten gebraucht hat, dass eine andere Klinik zuständig ist. Er hat sich um einen kurzfristigen Termin in der Uniklinik bemüht. Und er hat einen Termin im Juni bekommen. Ich habe geduldig gewartet. Am 03. Juli 2023 habe ich wieder einen ausführlichen Antrag geschrieben und bat um eine schriftliche Antwort, warum noch nichts geschehen ist. … Von Gericht habe ich dann erfahren, dass ein neuer Termin am 24. und 25. August ist.“

Die Verteidigung von Ihsan Cibelik wies an diesem Hauptverhandlungstag darauf hin, dass die Lage inzwischen dramatisch sei.

„Es besteht Lebensgefahr, wenn eine Streuung erfolgt. Dann besteht die Möglichkeit, dass der der Krebs nicht mehr beherrscht werden kann. Das ist es, wenn die Biopsie weiter hinauszögert wird. … Da Herr Cibelik in U-Haft ist, ist es mindestens erforderlich, dass er um seiner Gesundheit und der fehlgeleiteten Entwicklung wegen mindestens für die Dauer der Behandlung aus der Haft entlassen wird. … Jetzt scheint sich etwas zu bewegen. Der Kollege RA Sözen hat bereits bei der Verkündung des Haftbefehls am 18.5. 2022 beim Ermittlungsrichter des BGH darauf hingewiesen, dass die Biopsie dringend notwendig ist. 3 – mal Justizkrankenhaus Fröndenberg, 2-mal Uni-Klinik Köln – nichts hat sich bislang bewegt. Das ist ein Skandal. Darum stellen wir Haftentlassungsantrag. Wenn die Behandlung nicht durchgeführt wird, besteht Lebensgefahr. Was bislang geschah ist ein Spiel mit dem Leben von Ihsan Cibelik. Dem ist ein Ende setzen.“