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Vor dem zweiten Corona-Notstand?

MEHR ANGST ALS VOR DEM VIRUS MUSS MAN VOR DEM DROHENDEN ZWEITEN LOCKDOWN UND DEM EINSATZ DER BUNDESWEHR IM INLAND HABEN. EIN KOMMENTAR

Klar ist schon, es wird für den Großteil der Menschen wieder ungemütlicher, nicht nur wegen des Virus, sondern auch wegen der autoritären Staatlichkeit. Wenn nun einige Unionspolitiker verlängerte Weihnachtsferien in den Schulen zu fordern, die Menschen aber keine längere Reisen mehr machen können, dann dürfte klar sein, dass es wieder Proteste und auch selbstorganisierte Feiern geben wird.
Wenn Politiker von einer „dramatischen Entscheidung“ sprechen, dann ist die Gefahr vor weiteren Zumutungen nicht weit. Mit diesen Phrasen wird das morgige Treffen von Merkel und den Ministerpräsidenten belegt, das dieses Mal nicht digital vonstatten gehen soll. Wie vor 7 Monaten wird auch jetzt wieder Angst und Panik geschürt. Schon wird von einem zweiten Lockdown gesprochen, wenn sich die Menschen nicht selber in ihren Wohnungen verkriechen. Auch linksliberale Journalisten wie ….

… Felix Lee rufen in der Taz „das Ende der Gemütlichkeit“ aus und fordern härtere Maßnahmen. Lee, als harter Kritiker von Einschränkungen von Freiheitsrechten in China bekannt, ruft nun in Zeiten von Corona nach mehr Staatsautorität:

Appelle reichen nicht – zu viele scheren aus. Der Staat muss handeln, darf leichtsinniges Verhalten nicht tolerieren. Und das heißt leider auch: mehr härtere Maßnahmen.

Felix Lee, Taz
Warum nicht zugeben, dass staatliche Autorität Corona nicht eindämmt
Lee kommt natürlich nicht ohne Begriffe wie „Flächenbrand“ aus, wenn er über den Anstieg der Corona-Zahlen spricht. Dabei haben mittlerweile Gesundheitsexperten, die sich noch vor Monaten selbst an der Panikmache beteiligt haben, erkannt, dass es falsch ist, auf die Fallzahlen zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange.

Gerade in Zeiten, in denen ein Großteil der Notfallbetten leer ist, bräuchte es mehr Politiker und Fachleute, die erklären, dass höhere Infektionszahlen noch nicht höhere Todeszahlen bedeuten. Zudem wäre es an der Zeit, doch mal der Tatsache ins Auge zu sehen, dass sich ein Großteil der Bevölkerung an die Maskenpflicht hält und viele weitere Einschränkungen in Kauf zu nehmen bereit ist und es war, und trotzdem die Infektionszahlen steigen.

Daraus könnte man die Konsequenz ziehen, dass der Ausbau des Gesundheitswesens und nicht mehr autoritäre Staatlichkeit nötig ist. Stattdessen werden alte Rezepte wieder recycelt. Da verhängen die Vivantes-Kliniken in Berlin erneut ein Besuchsverbot, das nur in Ausnahmefällen ausgesetzt wird. Dabei ist noch der beeindruckende Dokumentarfilm mit dem Titel „Eingesperrt mit dem Virus“ in der Mediathek zu sehen, in dem am Beispiel eines Wolfsburger Pflegeheims gezeigt wird, dass neben der Krankheit das Besuchsverbot ein großes Problem für viele Demenzkranke Menschen war.

Es wird dabei auch von Verletzungen der Grundrechte dieser Menschen gesprochen. Nun gibt es die allgemein als planlosen Aktivismus bezeichneten „Beherbergungsverbote“, die dafür sorgen sollen, dass Menschen nicht mehr in den Nachbarstädten übernachten sollen. Natürlich gehen die Interessenvertreter der Hoteliers auf die Barrikaden, weil sie massive Einkommensverluste befürchten.

Es ist auch nicht verwunderlich, dass die FDP, die ja mal als Mövenpick-Partei persifliert wurde, sich die Interessen des gastronomischen Mittelstands ein besonderes Anliegen sein lässt.

Am Ende droht die Bundeswehr
Doch es geht eben nicht nur um wirtschaftliche Interessen. Wenn Menschen aus bestimmten Städten in anderen Regionen nicht mehr übernachten können, wird hier ein Ausgrenzungsmechanismus in Gang gesetzt, der natürlich noch national verstärkt wird, indem Menschen aus anderen Ländern als Überträger von Krankheiten markiert werden.

Trump macht das vor, wenn er vom China-Virus redet. Doch die Politik auch in Deutschland funktioniert nach ähnlichen Ausgrenzungsmechanismen. Wenn die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig für ein besonders rigides Beherbergungsverbot eintritt und dabei darauf verweist, es sei nicht einzusehen, Menschen aus anderen Ländern abzuweisen, aber innerhalb Deutschlands andere Kriterien anzuwenden, spricht sie einen wichtigen Punkt an.

Doch die Konsequenz müsste darin bestehen, eben auch transnational die Einschränkungen abzubauen und nicht noch im Inland zu verschärfen. Vor dem Treffen zwischen Kanzlerin und Ministerpräsidenten führen die unterschiedlichen Interessenvertreter noch Kämpfe um die Ausgestaltung der weiteren Verschärfungen. Die Hoteliers und ihre Interessenvertreter wollen das Beherbergungsverbot möglichst entschärfen oder kippen und schlagen dafür andere Beeinträchtigungen vor.

Doch klar ist schon, es wird für den Großteil der Menschen wieder ungemütlicher, nicht nur wegen des Virus, sondern auch wegen der autoritären Staatlichkeit. Wenn nun einige Unionspolitiker verlängerte Weihnachtsferien in den Schulen zu fordern, die Menschen aber keine längere Reisen mehr machen können, dann dürfte klar sein, dass es wieder Proteste und auch selbstorganisierte Feiern geben wird.

Dafür steht dann die Bundeswehr bereit. Bisher war es bis in linksliberale Kreise Konsens, dass die Bundeswehr im Innern nichts zu suchen hat. Doch in Zeichen von Corona gilt das nicht mehr. Da müssen sich schon Politiker aus Kreuzberg dafür rechtfertigen, dass sie die Bundeswehr nicht als das taugliche Mittel zur Bewältigung einer Gesundheitskrise halten. Die DFG-VK, die sich als älteste antimilitaristische Organisation in Deutschland bezeichnet, erinnert jetzt noch mal an alte Grundsätze.

„Die Bundesregierung nutzt die Pandemie, um Einsätze der Bundeswehr im Inland zu normalisieren“, so Jan Sander, Bundessprecher der DFG-VK. In der Pressemitteilung der Organisation wird auch ein Zusammenhang zwischen der Erhöhung von Rüstungsausgaben und der Kürzung bei sozialen Belangen hergestellt.

Jahrelang hat man den Gesundheitssektor und den zivilen Katastrophenschutz zugunsten einer massiven militärischen Aufrüstung kaputtgespart und die aktuelle Notsituation damit selbst herbeigeführt“, wirft Sander der Bundesregierung vor. Seit Beginn der Corona-Pandemie versuche die Regierung den Einsatz des Militärs im Inland auszuweiten – der zwischenzeitlich erwogene Einsatz bewaffneter Soldat*innen wurde jedoch noch nicht realisiert.

Aus der Pressemeldung der DFG-VK
Erfreulich, dass es auch in Corona-Zeiten noch Organisationen gibt, die linke Kritik an autoritärer Staatlichkeit, wofür die Bundeswehr auf jeden Fall steht, nicht für veraltet halten. (Peter Nowak)

Erstveröffentlichungsort:
https://www.heise.de/tp/features/Vor-dem-zweiten-Corona-Notstand-4927850.html