Seit dem 30. September 2010 läuft in Stuttgart der medial groß inszenierte Prozess gegen das frühere RAF-Mitglied Verena Becker. Hintergrund des Verfahrens ist die Erschießung des damaligen Generalbundesanwalt Buback im April 1977 durch das RAF-Kommando „Ulrike Meinhof“.
Buback, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied, war in seiner Funktion direkt verantwortlich für die Verschärfung der Isolationshaftbedingungen und den Tod von vier Gefangenen aus der RAF: Holger Meins, Katharina Hammerschmidt, Siegfried Hausner und Ulrike Meinhof.
Vorgeladen und im Verena Becker- Prozess als Zeugen aussagen sollten die 11 früheren RAF-Mitglieder: Günter Sonnenberg, Stefan Wisniewski, Rolf Heißler, Waltraud Liewald, Knut Folkerts, Brigitte Mohnhaupt, Sieglinde Hofmann, Rolf Clemens Wagner, Irmgard Möller, Siegfried Haag und Roland Mayer.
Bisher wurde den als Zeugen und Zeuginnen vorgeladenen ehemaligen Militanten aus der RAF das Aussageverweigerungsrecht nach §55 StPO zugesprochen. Bei Siegfried Haag und Roland Mayer wurde das Aussageverweigerungsrecht jedoch nicht anerkannt. Die beiden waren seit November 1976 bereits inhaftiert und sollen – so die Argumentation des Senats und der Bundesanwaltschaft – sich somit durch Aussagen nicht selbst belasten können.
Infolge dessen wurde gegen sie durch den Senat 6 Monate Beugehaft und eine Geldstrafe von 300 Euro verhängt. Da sie gegen die Anordnung Beschwerde einlegten, ist die Vollstreckung bis zur Überprüfung durch den Bundesgerichtshof (BGH) ausgesetzt und die beiden befinden sich noch auf freiem Fuß.
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Voraussichtlich innerhalb der nächsten Wochen entscheidet der BGH dann darüber ob die Beugehaft gegen Siegfried Haag und Roland Mayer vollstreckt wird.
Revolutionäre Geschichte verteidigen …
Der momentan laufende Prozess gegen Verena Becker soll dazu dienen, ein weiteres Mal mit der Geschichte der RAF abzurechnen, indem diese diffamiert und letztlich entpolitisiert wird. Vor Gericht steht also nicht Verena Becker alleine, sondern auch die Geschichte und Politik der RAF und damit verbunden die revolutionären Kämpfe in der BRD und weltweit.
Die RAF verstand sich als Befreiungsbewegung im Kontext mit den Kämpfen im Trikont und in den Metropolen. Sie stand für Aufrichtigkeit, Mut und Hoffnung, auch unter schwierigen Bedingungen zu agieren und war für viele Linke ein wichtiger Bezugspunkt.
Daher müssen wir die RAF als Bestandteil unserer Geschichte – der Geschichte der revolutionären Linken – begreifen und verteidigen. Dass auch 33 Jahre nach der Aktion gegen Buback und 12 Jahre nach der Auflösung der RAF, noch immer seitens der Herrschenden versucht wird die Geschichte der RAF in ihrem Sinne umzudeuten, verdeutlicht wie wichtig es für den Staat ist auch den Teil der Geschichte für sich zu vereinnahmen.
Damit wird auch deutlich welchen Sinn und Zweck die Vorladungen der Ehemaligen Militanten aus der RAF haben sollte: Sie sollten zu Staatszeugen werden und aktiv dabei helfen die eigene Geschichte zu verleugnen und im Sinne der Herrschenden endlich abzuschließen.
… Solidarität organisieren – Tag X
Siegfried Haag und Roland Mayer sollen als Militante aus der RAF „abgestraft“ werden, letztlich damit auch das Bild des „RAF-Schreckens“ aufrecht erhalten und mit dem bewaffneten Kampf abgerechnet
werden. Da sie, wie auch andere ehemalige Militante oder AktivistInnen der revolutionären Linken, ProtagonistInnen linker Geschichte sind, ist es die Aufgabe von uns – als revolutionäre Linke – sie zu verteidigen und Angriffe gegen diese zurückzuschlagen.
Daher rufen wir dazu auf, dass wenn der BGH die Beugehaft bestätigen sollte, am Wochenende nach der Entscheidung mit unterschiedlichsten Aktionen den Protest gegen diese Entscheidung auf die Straße zu bringen und sich mit Siegfried Haag und Roland Mayer solidarisch zu zeigen.
Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!
Keine Beugehaft gegen Siegfried Haag und Roland Mayer!
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen
Aktuelle Informationen auf:
www.political-prisoners.net
www.nullaefinito.jimdo.com
„Wir machen keine Aussagen, weil wir keine Staatszeugen sind, damals nicht, heute nicht.“
Ehemalige Gefangene aus der RAF erklärten in einem Papier, das „von Einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren“ im Mai 2010 veröffentlicht wurde: „Wenn von uns niemand Aussagen gemacht hat, dann nicht, weil es darüber eine besondere ‚Absprache‘ in der RAF gegeben hätte, sondern weil das für jeden Menschen mit politischem Bewusstsein selbstverständlich ist. Eine Sache der Würde, der Identität – der Seite, auf die wir uns gestellt haben.“
In dem Papier stellten sie abschließend fest: „Wir waren im Knast, weil wir hier den bewaffneten Kampf angefangen haben, und in den Prozessen ging es uns höchstens darum, Inhalt und Ziele unserer Politik zu vermitteln. Einer Politik des Angriffs in der Metropole, die ihre Praxis im Zusammenhang weltweiter Kämpfe um Befreiung vom Kapitalismus begriffen und bestimmt hat. Wenn es noch etwas zu sagen gibt, dann dazu.“
Die Rote Hilfe e.V. ruft zu Spenden auf, wenn es zur Inhaftierung kommen sollte. Beugehaft bedeutet für die Betroffenen nicht nur Gefangenschaft, sondern auch der zurückgelassene Alltag muss organisiert, Wohnungen und die anwaltliche Vertretung müssen bezahlt werden.
Kontoinhaberin: Rote Hilfe e.V.
Konto Nr. 191 100 462
Postbank Dortmund, BLZ 440 100 46
Verwendungszweck: Beugehaft
Kampagnenseite: http://beugehaft.blogsport.de