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Zivilklage gegen Bad.Württemberg: Zu hohe Telefonkosten im Knast!

Wie schon an anderer Stelle berichtet hat auch das Landgericht Freiburg bestätigt, dass Inhaftierte zu viel für die Telefonie bezahlen müssen. Nunmehr wurde Zivilklage auf Schadenersatz eingereicht.

Gefangenentelefonie

Ein Leben ohne Telefon ist für viele der Menschen außerhalb der Gefängnismauern kaum mehr vorstellbar, das Smartphone erscheint allgegenwärtig. Aber es gibt empfangsfreie Orte, die Gefängnisse. In Bayern sind Telefonate nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig, in Baden-Württemberg, zumindest im Bereich der Sicherungsverwahrung während der Zellenöffnungszeiten, also werktags von 6:25 Uhr bis 22:00 Uhr. Telefonate sind essentiell für die Förderung, den Aufbau und den Erhalt sozialer Bindungen, zumal in der Regel die Familien oder Freundinnen der Insassen in der ganzen BRD, oder im Ausland und nicht etwa vor Ort in Freiburg leben, so dass die Telefonate auch als Ersatz für Besuche dienen (müssen).

Die Kosten

Bezahlen müssen für die Telefonate die Insassen, denn sich anrufen zu lassen ist in fast keiner Haftanstalt möglich. Viele Haftanstalten sind dazu übergegangen die Telefonie outzusourcen, wobei bundesweit vor allem der Anbieter Telio GmbH hervorsticht, da er den Gefängnisleitungen und Ministerien verspricht die gesamte Infrastruktur bereit zu stellen und zu betreuen, nicht nur der Telefonie, sondern, in einzelnen Anstalten, auch die Versorgung mit Fernsehern und Computern in den Hafträumen, mit eingeschränktem Zugang zum Internet. Für Ferngespräche musste man in Freiburgs Gefängnis deshalb 20 Cent pro Minute, für Ortsgespräche 10 Cent in der Minute bezahlen.

Ein 30-minütiges Gespräch nach Dresden oder Berlin schlug somit mit jeweils 6 Euro zu Buche.

Die erste Klage in Freiburg

Schon vor fast drei Jahren verklagte ich deshalb die Anstalt darauf, einen günstigeren Anbieter zu verpflichten, denn die Preise entsprächen nicht ansatzweise denen vor den Gefängnistoren. Mit Beschluss vom 22. April 2016 (Az.: 13 StVK 550/14) gab mir das Landgericht Freiburg vollumfänglich recht, die Justizvollzugsanstalt müsse nämlich die wirtschaftlichen Interessen der Insassen schützen. Das hiesige Landgericht bezog sich dabei auf ein Musterverfahren in einem anderen Bundesland, in welchem der Berliner Rechtsanwalt Dr. Jan Oelbermann (http://kanzlei-gleisdreieck.de) intensive Arbeit geleistet und vor Landgericht, wie Oberlandesgericht für seinen inhaftierten Mandanten obsiegt hatte.

Die Reaktion der Justizvollzugsanstalt Freiburg

Wer nun erwartet, die Anstalt hätte dafür gesorgt, dass alle Insassen günstiger telefonieren können, wird eines Besseren belehrt werden. Die Folge der Gerichtsentscheidung war, dass nunmehr viele Insassen, so auch ich selbst, sogar mehr zu bezahlen hatten, bzw. haben, als noch zuvor. Wie denn das?

Im Laufe der zuvor laufenden Rechtsstreitigkeit mit der JVA Freiburg, führte die Telio GmbH einen neuen Tarif ein: den „Flexi-Tarif‘. Gegen einen monatlichen Betrag von knapp 10 Euro, konnte man die monatlichen Kosten um 50% senken: d.h. statt 20 Cent/min für Ferngespräche, fielen „nur“ noch 10 Cent/min an; für Ortsgespräche statt 10 Cent/min derer 5 Cent/min.

In Folge der oben erwähnten Gerichtsentscheidung trat die JVA Freiburg in Verhandlungen mit Telio GmbH. Das Ergebnis: generell wurde der Tarif für Ferngespräche auf 15 Cent/min gesenkt, jedoch unter Wegfall des „Flexi-Tarifs“. Das Ende vom Lied war also, eine fast 50%-ige Preiserhöhung für jene Insassen die viele Ferngespräche zu führen haben, denn zuvor konnte man den Ferntarif auf 10 Cent/min drücken. Da nutzte es auch nichts, dass die Anstalt 10 Freiminuten pro Monat aushandelte.

Auf Kritik der Verwahrten gab die Anstaltsleitung lapidar bekannt, man habe diese Auswirkungen so gar nicht im Blick gehabt.

Um es noch mal zusammenzufassen: das Landgericht verpflichtete die JVA im Rahmen einer neuen Prüfung der Angelegenheit, auf eine Senkung der Tarife hinzuwirken, die JVA stimmte aber einer Erhöhung der Tarife durch die TELIO GmbH zu. Ein Schelm wer, selbstverständlich völlig unberechtigterweise, dabei Böses denkt.

Die Zivilklage

Nachdem sich also die Mitarbeiterinnen der Haftanstalt als geradezu resistent, manche Insassen meinen auch: renitent, erweist, was die Senkung der Tarife angeht, hat nun mein Rechtsanwalt, Dr. Klaus Eschenburg (http://www.dr-klaus-eschenburg.de) mit Schriftsatz vom 19.06.2017 bei der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe, Klage gegen das Land Baden-Württemberg erhoben, um im Wege der sogenannten Amtshaftung (Artikel 34 Grundgesetz i.V.m. § 839 BGB) vom Land den mir entstandenen und künftig entstehenden finanziellen Schaden ersetzt zu erhalten.

Unter anderem bezieht sich der Rechtsanwalt auch auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches schon vor Jahren entschieden hatte, dass Haftanstalten verfassungsrechtlich verpflichtet seien, die finanziellen Interessen der Gefangenen zu wahren, wenn sie sich externer Anbieter bedienen sollten. Dass jedoch die Gefängnisleitungen vor Ort, so auch in Freiburg, nicht sonderlich geneigt sind, verfassungsrechtliche Rechtsprechung oder die unterer Instanzen zu befolgen, ist kein Geheimnis.

Ausblick

Bekommt irgendwer der diesen Beitrag liest, gelegentlich Anrufe?
Genau, sich anrufen lassen! Außerhalb der Gefängnisse Alltag. Nicht so in den Gefängnissen (es sei denn es handelt sich um Beschäftigte: diese telefonieren ausgiebig, ausufernd, gerne auch privat veranlasst, während der Dienstzeiten). Schon vor drei Monaten hat das Landgericht Freiburg auf meinen Antrag hin entschieden, es müsse geprüft werden, wie man mir ermöglicht gleichfalls angerufen zu werden (Az.: 13 StVK 163/15, Beschluss vom 11.04.2017).

Ich verrate gewiss nichts Überraschendes, aber bis heute kann ich
-selbstverständlich- nicht angerufen werden.

Allerdings ließ der viel beschäftigte Vollzugsleiter, Sozialoberinspektor G. ausrichten, es liege ein Vorgang in dieser Sache dem Justizministerium zur Entscheidung vor, es sei allerdings weiter Geduld erforderlich.

Letztlich kann die Anstalt von mir aus künftig Verträge mit
Telefonie-Drittanbietern schließen die auch 5 €/min verlangen, solange dann das Land den Insassen und damit auch mir, die Differenz als Schadenersatz zurück überweist.

Diese Verfahren zeigen deutlich wie mühselig, zeit- und arbeitsaufwendig es ist, Mitarbeiterinnen einer Behörde, die den Anspruch erheben, Gefängnisinsassen zu einem „Leben ohne Straftaten und in sozialer Verantwortung“ befähigen zu wollen (wie es fast lyrisch im Gesetzestext heißt), beizubringen, erst einmal selbst zu lernen Gesetze zu befolgen, bevor sie sich anmaßen, andere Menschen zu irgendetwas ertüchtigen zu wollen.

Thomas Meyer-Falk,
z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com