sandra bland

Zweifel an Selbstmord

USA: Schwarze Aktivistin tot in Zelle gefunden. Behörden sprechen von Suizid. Antirassisten fordern Aufklärung
Von Jürgen Heiser
junge welt 20.7.15
Wieder ist eine Afroamerikanerin Opfer rassistischer Polizeigewalt geworden. In Texas protestierten am Freitag nachmittag (Ortszeit) etwa 200 Demonstranten in der Kleinstadt Hempstead nahe Houston vor dem Gebäude, in dem das Büro des Sheriffs untergebracht ist. Sie forderten Aufklärung über den Tod der 28jährigen Sandra Bland, der tagelang geheimgehalten worden war.

Verhaftet worden war Bland bereits am Freitag, dem 10. Juli, nach einer Verkehrskontrolle. Drei Tage später war sie wenige Stunden, bevor sie gegen 5.000 US-Dollar Kaution freigelassen werden sollte, leblos in ihrer Zelle aufgefunden worden. Offizielle Todesursache: »Selbstmord«, wie Sheriff Glenn Smith im Houston Chronicle zitiert wurde. Die Autopsie habe »selbstverschuldetes Ersticken« ergeben. Sie habe sich »eine Plastiktüte über den Kopf gezogen«.

Eine Anwaltssozietät teilte unterdessen im Namen der Angehörigen mit, die Familie sei überzeugt davon, »dass Sandra Bland umgebracht wurde und keinen Selbstmord beging«. Die Anwälte seien beauftragt worden, die wahren Todesumstände zu ermitteln. Blands Ableben löste vor allem wegen der tagelangen Zurückhaltung der Information über ihren Tod einen Sturm der Entrüstung im Internet aus. Angeblich habe die Polizei die Familie in Chicago erst am Mittwoch erreicht, meldete die Chicago Tribune.

10 Argumente für jW 1
Bland hatte sich als Aktivistin der Bewegung »Black Lives Matter« einen Namen gemacht. Seit Januar hatte ihr Internetblog »#SandySpeaks« im Rahmen dieser vor zwei Jahren von afroamerikanischen Frauen gegründeten Widerstandsbewegung viel Beachtung gefunden. Darin setzte sie sich mit rassistischer Polizeigewalt auseinander und wollte den Dialog unter jungen Schwarzen voranbringen. »Die Sache, die ich im Kopf habe, hat sehr viel Kraft«, erklärte sie in ihrem Auftaktvideo.

Sandra Bland hatte vor, wegen einer in Aussicht stehenden Arbeitsstelle von Chicago nach Texas umzuziehen, und war deshalb an jenem Freitag mit ihrem Auto in Waller County unterwegs, als sie von zwei Streifenwagen längere Zeit verfolgt und dann gestoppt wurde. Sie habe beim Wechseln des Fahrstreifens den Blinker falsch gesetzt, lautete der Vorwurf. Im Internet kursiert ein Video, das zeigt, wie Bland von zwei Beamten bäuchlings auf den Boden gedrückt wurde. Sie protestierte gegen diese Behandlung und rief: »Warum drücken Sie meinen Kopf in den Dreck? Ich kann nichts mehr hören!« Für die Polizisten erfüllte schon das den Tatbestand »Angriff auf Staatsdiener«. Sie führten Bland ab und verbrachten sie in eine Gewahrsamszelle, die sie nicht mehr lebend verließ.

Freunde und engste Angehörige nannten den Tod Blands im Internet »unfassbar«. Es sei völlig klar, dass Bland »keinen Selbstmord beging«. Ihr Tod stehe vielmehr im Zusammenhang mit »jüngsten Fällen von Polizeigewalt gegen Schwarze«. Waller County sei für »seine rassistische Atmosphäre« berüchtigt. Bezirksstaatsanwalt Elton Mathis wies die Vorwürfe zurück und erklärte, er sehe »keinerlei Anlass anzunehmen, dass Blands Tod kein Selbstmord war«. Nun laufen laut Houston Chronicle Ermittlungen der Texas Rangers und des FBI. Das Ministerium für öffentliche Sicherheit teilte lediglich mit, bei der Verkehrskontrolle seien »Vorschriften missachtet« worden, weswegen man »den verantwortlichen Beamten in den Innendienst versetzt« habe. Am Wochenende weiteten sich die Proteste der »Black Lives Matter«-Bewegung auf andere Städte der USA aus.