8. Juli 2022: Ghassan lebt, Palästina lebt! Aufruf zur Organisierung zum 50. Jahrestag des Attentats von Ghassan Kanafani

Die palästinensische Sache ist nicht nur eine Sache für Palästinenser, sondern eine Sache für jeden Revolutionär, wo immer er sich befindet, als Sache der ausgebeuteten und unterdrückten Massen in unserer Zeit.

– Ghassan Kanafani

Eine Erklärung von Samidoun-Netzwerk und Palestinian Youth Movement (PYM)

Am 8. Juli 2022 ist es 50 Jahre her, dass Ghassan Kanafani, eine politische und kulturelle Ikone des palästinensischen Widerstands und des palästinensischen Volkes, einem Attentat zum Opfer fiel. Am 8. Juli 1972 wurde der palästinensische revolutionäre Schriftsteller Kanafani zusammen mit seiner Nichte Lamees Najm durch eine Autobombe des Mossads vor seinem Haus in Beirut ermordet. Wir fordern alle Palästinenser:innen, Araber:innen und internationalistischen Unterstützer:innen der palästinensischen Sache auf, diesen Jahrestag zu einem Tag des kulturellen und politischen Kampfes und Widerstands für Palästina in Städten und Gemeinden auf der ganzen Welt zu machen. Indem wir Aktionen und Demonstrationen in Städten auf der ganzen Welt veranstalten und unsere revolutionäre Kräfte auf die Befreiung ausgerichtete Verse und Bilder des gerechten Widerstands lenken, bekräftigen wir gemeinsam, dass das Erbe Kanafanis lebendig ist und dass unser Volk den Kampf bis zur vollständigen Befreiung und Rückkehr niemals aufgeben wird.

Wir fordern alle Gruppen, Organisationen und Gemeinschaften, die sich für Palästina einsetzen, auf, diesen bedeutsamen Jahrestag zu begehen, der die Unsterblichkeit des palästinensischen Widerstands und der palästinensischen Kreativität unterstreicht, trotz der gezielten Politik der Kolonisatoren, die gegen palästinensische Führer, Freiheitskämpfer und Visionäre gerichtet ist. Diese Politik der gezielten Attentate und Ermordungen wird bis zum heutigen Tag fortgesetzt; am 11. Mai wurde die beliebte palästinensische Journalistin Shireen Abu Aqleh von den Besatzungstruppen erschossen, als sie über deren Eindringen in Dschenin Flüchtlingslager berichtete. Von der Ermordung Kanafanis bis zu der von Shireen Abu Aqleh werden die palästinensischen Stimmen der Wahrheit und des Widerstands nicht zum Schweigen gebracht werden.

Dieser Jahrestag ist ein Anlass, die palästinensische Revolutions- und Widerstandskunst innerhalb und außerhalb Palästinas zu feiern, die Kämpfe der Gefangenenbewegung in den zionistischen und imperialistischen Gefängnissen hervorzuheben und internationale Solidarität mit der palästinensischen Sache, für die Befreiung und die Rückkehr nach Palästina, vom Fluss bis zum Meer, zu organisieren. Es ist an der Zeit, die enge Verbindung zwischen Aufständen für die antikoloniale Befreiung und dem kreativen Geist zu würdigen, den Kanafani in seinem Leben und Denken nahtlos verkörperte. Der Kampf für die Freiheit, die Weigerung, sich der Unterdrückung des zionistischen Siedlerkolonialismus zu beugen, ist ein zutiefst schöpferischer Prozess, der die Negation und den Abbau der bestehenden, repressiven Ordnung erfordert und die mutige Klarheit, sich vorzustellen, was uns danach erwartet.

Insbesondere rufen wir die palästinensische Jugend auf, sich von Kanafanis vielseitigem und brillantem Vermächtnis des Kampfes inspirieren zu lassen, um ihre Rolle bei der Erneuerung der palästinensischen revolutionären Kultur zu entwickeln und den palästinensischen Kampf zur Erreichung der Befreiung voranzutreiben. Kanafani verstand, dass die Kultur keine Ergänzung zu den politischen Bemühungen ist, sondern ein eigenes radikales Terrain für den politischen Kampf darstellt. Wir verweisen auch auf die tiefe kollektive und internationalistische revolutionäre Tradition von Kanafanis Vision und politischer Arbeit; dieser Jahrestag ist ein palästinensisches, arabisches und internationales Datum nicht der Trauer, sondern des kollektiven Aufbaus auf dem von Kanafani und seinen Genossen:innen geschaffenen Erbe.

Kanafanis revolutionäres Leben im Kampf

Ghassan Kanafani wurde am 9. April 1936 in Akka, Palästina, geboren. Während der Nakba von 1948 wurde er mit seiner Familie aus Palästina vertrieben, zunächst in den Libanon und danach nach Syrien, wo er an der Universität Damaskus studierte, bevor er aus politischen Gründen entlassen wurde. Anschließend arbeitete er als Lehrer in Kuwait, bevor er nach Beirut zurückkehrte, um sich im Rahmen der Arabischen Nationalistischen Bewegung, der von Dr. George Habash gegründeten panarabischen revolutionären, sozialistischen und antiimperialistischen Bewegung, journalistisch, kulturell und politisch zu betätigen. Zusammen mit Habash und anderen Genossen:innen war er Mitbegründer der Volksfront für die Befreiung Palästinas, war der Herausgeber der Zeitschrift Al-Hadaf und internationaler Sprecher der Front. Neben seiner politischen Führung und Vertretung entwarf und zeichnete er viele der frühen politischen Plakate der Front. Als revolutionärer Marxist-Leninist war er stark von den arabischen, afrikanischen und asiatischen Befreiungsbewegungen inspiriert und spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der „Strategie zur Befreiung Palästinas“.

Während Kanafani unermüdlich daran arbeitete, eine klare, revolutionäre Politik für die Befreiung Palästinas von Zionismus, Imperialismus und Reaktion zu entwickeln und zu vertreten, brachte er gleichzeitig die Kreativität der revolutionären palästinensischen Kultur zum Ausdruck. Kanafani arbeitete auch daran, die palästinensische Geschichte zu kollektivieren, indem er das nationale literarische und kulturelle Ethos weg von den diskreten Erfahrungen der Enteignung hin zu einer einheitlichen, nationalistischen literarischen Evokation der kolonialen Unterdrückung und des radikalen Widerstands verlagerte. Seine einfache, eindrucksvolle Sprache und sein Stil brachten die Realität des palästinensischen Volkes zum Ausdruck, sprachen von den Schmerzen der Diaspora und veranschaulichten die Opfer, die im Streben nach Heimat und Befreiung gebracht wurden, für die Palästinenser selbst und für die Welt; seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt und waren sowohl stilistisch als auch inhaltlich innovativ und beleuchteten die Erfahrungen der palästinensischen Arbeiter- und Volksschichten. „Männer in der Sonne“, „Rückkehr nach Haifa“, „Um Saad“, „Alles, was euch bleibt“ und seine zahlreichen Kurzgeschichten und Theaterstücke sind auch heute noch unsterbliche Werke der Literatur mit fesselnder Kraft.

Neben seinem kreativen Schreiben, seinen Romanen, Erzählungen und Theaterstücken, beschäftigte er sich auch mit umfassenden politischen und literarischen Studien. Er war der erste, der den Begriff „Widerstandsliteratur“ zur Beschreibung des palästinensischen Schrifttums verwendete, während er selbst viele der grundlegenden Beispiele für diese Literatur schuf.

Kanafani lernte 1961 Anni Høver, eine dänische Pädagogin und Verfechterin der Rechte von Kindern, kennen und heiratete sie. Sie bekamen zwei Kinder, Fayez und Laila, und nach Ghassans Ermordung gründete Anni die Ghassan-Kanafani-Kinderstiftung, die weiterhin Bildung und Ressourcen für palästinensische Flüchtlingskinder in den Flüchtlingslagern im Libanon bereitstellt, denen wie Ghassan weiterhin das Recht auf Rückkehr nach Palästina verweigert wird.

Sie können den Widerstand nicht ermorden

Die Ermordung Kanafanis am 8. Juli 1972 war ein Beispiel für die zionistische Attentatspolitik, die sich gegen palästinensische Führer, Schriftsteller, Diplomaten und Revolutionäre richtete. Es war ein fehlgeschlagener Versuch, den Widerstand zu töten, indem man den kreativen Schriftsteller und Revolutionsführer tötete, der den Kampf durch seine Worte und seine Ideen repräsentierte, der den Befreiungskampf des Volkes vom Kolonialismus widerspiegelte und als Stimme der Fedayeen im bewaffneten Kampf diente, obwohl er selbst nie eine Waffe trug. Mit dieser Politik wurde systematisch versucht, den Kampf des palästinensischen Volkes zu liquidieren, indem seine Führer und Visionäre ins Visier genommen wurden; trotz des blutigen Preises, den diese kriminelle Politik gefordert hat, ist sie gescheitert. Ghassan Kanafanis Worte, Ideen, Analysen und sein Vermächtnis sind aktueller denn je, 50 Jahre nachdem er uns im Alter von 36 Jahren gestohlen wurde.

Ghassan Kanafani war ein überzeugter Internationalist, der Beziehungen zwischen der palästinensischen revolutionären Bewegung und der PFLP mit revolutionären Bewegungen und Organisationen in der ganzen Welt aufbaute. Er betrachtete den Kampf gegen den Imperialismus, auch innerhalb der imperialistischen Länder, als zentral für den Kampf für die palästinensische und arabische Befreiung.

Der Imperialismus hat seinen Körper über die ganze Welt gelegt, den Kopf in Ostasien, das Herz im Nahen Osten, seine Arterien erreichen Afrika und Lateinamerika. Wo immer man ihn angreift, schadet man ihm und dient der Weltrevolution.

– Ghassan Kanafani

Art by Laila Abdelrazaq for PYM’s Ghassan Kanafani Anthology
Ghassan Kanafani lebt, Palästina lebt

Kanafanis kulturelle und politische Schriften bilden, entwickeln und inspirieren weiterhin Generationen von Palästinensern, Arabern und Internationalisten. In den Gefängnissen der zionistischen Besatzung lesen palästinensische Gefangene Kanafanis Werke gemeinsam als Teil ihrer Selbstbildung, die die Kerker der Besatzer in Schulen für die Revolution verwandelt. Und junge palästinensische Schriftsteller und Künstler lassen sich weiterhin von Kanafanis Leben, seinem Vermächtnis und seinen Schriften inspirieren, wie die Ghassan Kanafani Scholarship und Resistance Arts Anthology des Palestinian Youth Movement zeigt.

Der Versuch, Kanafani, seine klaren Analysen, seine revolutionäre Politik und seine Widerstandsliteratur zu vernichten, endete nicht mit der Bombenexplosion des Mossad, die ihm und seiner Nichte Lamees das Leben kostete. Gegenwärtig versuchen rechtsgerichtete, zionistische und für die Apartheid eintretende Organisationen, Akademiker zum Schweigen zu bringen, die sich über Kanafani äußern, Veranstaltungen über oder mit Bezug auf Kanafani abzusagen oder Lesungen oder Aufführungen seiner Stücke, Romane und Kurzgeschichten zu verhindern. Die zionistische Entität ist es jedoch nicht gelungen, Kanafanis Vermächtnis auszulöschen, und ihre Unterstützer werden niemals in der Lage sein, unsere rechtschaffenen, gedenkenden Akte des kreativen Widerstands zum Schweigen zu bringen.

Am 50. Jahrestag der Ermordung von Ghassan Kanafani sind wir entschlossen, deutlich zu machen: Ghassan Kanafani lebt weiter, durch all jene, die seinen Weg des kulturellen Widerstands und des engagierten Kampfes bis zur Befreiung und Rückkehr in ganz Palästina fortsetzen.

Beteiligt euch an der Organisation von Veranstaltungen und Aktivitäten!

Die Veranstaltungen können Folgendes umfassen:

Lektüre von Kanafanis Werken und Gruppendiskussionen über deren aktuelle Bedeutung.
Konferenzen, Diskussionen und Präsentationen zu den Ideen und dem Vermächtnis von Ghassan Kanafani.
Veranstaltungen mit der Ghassan Kanafani Resistance Arts Anthology.
Kundgebungen, Märsche und Demonstrationen für Palästina mit einer Ehrung für Kanafani.
Plakatierung in euren Städten und Vierteln über Kanafani, seine Ideen, Zitate und sein Leben.
Unterstützung der Ghassan Kanafani Cultural Foundation für palästinensische Kinder.
… Und mehr!
Kontaktiert uns unter samidoun@samidoun.net und palyouth.usa@gmail.com und markiert uns in den Social Media, um uns von euren Veranstaltungen zu berichten, einen Redner einzuladen oder um Vorschläge oder Ressourcen anzufragen!

Ressourcen:

Ghassan Kanafani Scholarship and Resistance Arts Anthology
The 1936-1939 Revolt in Palestine – Ghassan Kanafani
Ghassan Kanafani: Voice of Palestine (1936-1972)
كنفاني… عن الطفولة والأدب والماركسية والجبهة والهدف
وثيقة هامة من فكر غسان كنفاني: أفكار عن التغيير و”اللغة العمياء”
Ghassan Kanafani and the era of revolutionary Palestinian media
Kanafani’s interview with Richard Carleton
Mondoweiss: Palestinian youth launch Ghassan Kanafani scholarship, call for submissions

https://samidoun.net/de/2022/05/8-juli-2022-ghassan-lebt-palaestina-lebt-aufruf-zur-organisierung-zum-50-jahrestag-des-attentats-von-ghassan-kanafani/