KNAST GEHT UNS ALLE AN:
Seit einigen Jahren gibt es ein Bündnis anarchistischer/libertärer/autonomer/systemkritischer Antiknast-Gruppen im deutschsprachigen Raum. Jedes Jahr organisiert eine der beteiligten Gruppen in ihrer Stadt öffentliche Antiknast-Tage. Für 2011 haben wir vom Autonomen Knastprojekt Köln diese Aufgabe übernommen. Vom 28.-30. Oktober finden die diesjährigen Antiknasttage im AZ Köln statt. Wir würden uns wünschen, wenn das Wochenende in Köln nicht nur ein Treffen von „FachidiotInnen“ wird.
Knast ist ein zentrales Mittel von Herrschaftssicherung. Dabei denken wir jetzt gar nicht mal in erster Linie an die Spezialverfahren gegen uns als radikale Linke. Die wichtigste Funktion des Knasts ist die Erzeugung von Angst. Nicht nur die Gefangenen sind Opfer des Knasts. Unsere Angst vor dem Knast ist viel wichtiger für das System. Obwohl wir für die kostenlose
Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind, kaufen wir manchmal doch Fahrkarten. Wenn wir denn schwarzfahren, zahlen wir dann die 40 Euro bevor es zum Verfahren kommt. Oder wir lassen uns auf Sozialstunden ein. Alles in dem Bewußtsein, daß mensch als SchwarzfahrerIn in den Knast kommen kann. Als Hartz 4-EmpfängerIn nehmen wir es hin, daß wir mit Almosen abgespeist und schikaniert werden. Manche gehen betteln, sind froh, wenn über Suppenküchen und Tafeln einige Krümel vom kapitalistischen Kuchen abfallen. Wenn wir uns natürlich verhalten und uns am reichlich gedeckten Tisch bedienen, landen wir ja schließlich im Knast. Wenn wir gegen das System demonstrieren, holen wir uns häufig vorher eine Genehmigung des Systems. Absurdistan läßt grüßen.
Die Angst vor dem Knast bestimmt unser Leben mehr, als wir uns manchmal selbst eingestehen. Oberstes Ziel linker Politik ist deshalb zu verhindern, dass mensch selbst oder seine GenossInnen in den Knast kommen. Das Ziel einer Gesellschaft ohne Knäste wird zwar manchmal plakativ propagiert, aber ernsthaft glauben nur die Wenigsten innerhalb der Linken dran. Dies liegt einerseits daran, daß die Wenigsten von uns daran glauben, dass wir das herrschende kapitalistische System überwinden könnten. Andrerseits haben viele Linke selbst eine Liste von Leuten im Kopf, die sie gerne einsperren würden. Das sind schon einige Gründe, warum es für viele GenossInnen so schwierig ist, sich zur Antiknastarbeit zu verhalten.
Hinzu kommen Probleme, die wir auch aus anderen Bereichen kennen. Beispiel Erwerbslosenbewegung: Die Aufbruchstimmung aus den Anfängen der Zahltag-Bewegung ist längst Ernüchterung gewichen. Die große Mehrheit der Erwerbslosen ist alles andere als linksradikal. Sie versuchen individuell zwischen den Mühlsteinen der Bürokratie zu überleben. Unsere Strategie gemeinsamer Gegenwehr findet nur bei wenigen von ihnen Resonanz. So ist die Erwerbslosenbewegung überwiegend zu einer Rechtsberatung verkommen. Obdachlose und Junkies haben leider auch wenig mit uns zu tun. Auch die Millionen prekär Beschäftigter neigen selten zu revolutionären Aktionen. Das sind aber die Menschen, die überwiegend in die Fänge der Klassenjustiz geraten.
Da ist es logisch, dass die Mehrheit der Gefangenen sich ähnlich verhält, wie sie sich draußen als Erwerbslose, Obdachlose oder Junkies verhalten haben.
Trotzdem – unter der extremen Drucksituation des Knast entdeckt der Eine oder die Andere ihr rebellisches Potential. Das sind unsere BündnispartnerInnen. Außerdem – es gibt einfach Dinge, die wir als radikale Linke grundsätzlich ablehnen. Wir sind grundsätzlich gegen Krieg, auch wenn die Kriegsgegner die letzten Arschlöcher sind. Es gibt keinen gerechten Krieg. Das sehen wir anders als die Mehrheit der Grünen. Wir sind gegen Hartz 4 und Billiglöhne, auch wenn uns viele Erwerbslose und Hungerlöhner nicht grade sympathisch sind. Wir sind auch gegen Kapitalismus, selbst wenn uns die Mehrheit der Ausgebeuteten den Vogel zeigt.
Wie schwer sich große Teile der Linken damit tun, sich in gesellschaftlichen Diskussionen zum Thema Knast überhaupt zu verhalten, zeigt folgendes Beispiel: Seit einiger Zeit versuchen die Nazis gesellschaftliche Ängste vor Sexualstraftätern, vor allem sogenannten Kinderschändern für sich zu nutzen. In einem Klima von „Wegsperren für immer“ scheint ihre Forderung
nach Todesstrafe gar nicht mehr so weit entfernt von dem, was ein reaktionärer Teil der Bevölkerung sich wünscht. Auf Dauer wird es nicht reichen, dem nur ein „Nazis raus“ entgegenzusetzen und dem allenfalls hinzufügen, dass mensch natürlich gegen die Todesstrafe sei. Diese Strategie wird allenfalls gegen ein kleines Häufchen organisierter Faschos
erfolgreich sein. Es wird uns aber nicht gegen den reaktionären Stimmungssumpf helfen, in dem die Nazis fischen wollen. Da müssten wir uns schon die Mühe machen, uns selbst inhaltlich mit dem Problem des sexuellen Missbrauchs zu beschäftigen und zu versuchen, über „Lösungen“ nachzudenken, die sich vom „Wegsperren für immer“ unterscheiden. Neben Workshops zu solch grundsätzlichen Fragen wird es bei den Antiknasttagen aber auch um ganz praktische Dinge gehen, z.B. darum, welche rebellischen Gefangenen uns besonders nahestehen und wie wir die unterstützen können, oder wie wir die Öffentlichkeitsarbeit gegen das Knastsystem verbessern können.
Hier erst mal das vorläufige Programm :
Vorläufig deshalb, weil noch nicht alle Workshops feststehen und es auch möglich ist, noch während der Antiknast-Tage spontan Workshops zu machen, wenn das Bedürfnis da ist. Damit sind alle systemkritischen Gruppen angesprochen, die Berührungspunkte erkennen zwischen ihrem Aktionsbereich und den Fragestellungen zu Strafen, Repression, Ausgrenzung u.ä. Wenn Ihr einen Workshop anbieten wollt, ist es wünschenswert, diesen vorher bei uns anzumelden. Das ermöglicht mehr Planung. Aber zur Not lässt sich auch (s.o.) was während des Anti-Knast-Wochenendes improvisieren.
ANTI-KNAST-TAGE in Köln
Vom 28.-30.Oktober 2011 im Autonomen Zentrum Köln, Wiersbergstr.,44,
Köln-Kalk (U-Bahnhaltestelle Kalk-Kapelle, Linie 1 oder 9)
Freitag 28.10.
18.Uhr Gemeinsames Abendessen mit unseren Freunden aus anderen Städten und Pennplatzverteilung
19.30 Uhr
„Die Nazis gehen für die Todesstrafe auf die Straße. Was setzen wir dem entgegen?“
Diskussionsveranstaltung im Plenum
Samstag 29.10.
10 Uhr Frühstück
ab 11 Uhr
verschiedene Workshops
bisher vorgesehene Themen:
– Sicherungsverwahrung
– Hungerstreik von Werner Braeuner
– Kommunikation mit Gefangenen
– 129a-Verfahren in Dresden
– Sucht und Knast
15 Uhr: VoKü
Ab 16 Uhr
Fortsetzung der Workshops
18.30 : VoKü
n
20 Uhr
„Politisch“ – „Sozial“? Fragen zu unkritischer Begrifflichkeit. Wer sind
eigentlich „unsere“ Gefangenen? Und wie kooperieren wir mit denen?“
Diskussionsveranstaltung im Plenum
Sonntag 30.10.
Ab 11 Uhr Brunch
13.Uhr Abschlußplenum
Im Anschluß wollen bzw. können wir zur Entspannung noch gemeinsam einen Film gucken.
Bei Interesse könnten wir den Sonntag auch noch nutzen zu regionaler Koordination zwecks verbesserter zukünftiger Zusammenarbeit. (Die aus der Region haben ja kürzere Rückwege)
Wie gesagt, das Programm ist erst mal vorläufig, aber es gibt Euch einen Anhaltspunkt über den Ablauf des Wochenendes. Leute aus anderen Städten, die zu uns kommen wollen, würden wir bitten, uns möglichst vorher schon Bescheid zu geben, mit wie vielen ihr kommen wollt (wegen Pennplätzen und Essen).
Wir freuen uns schon auf Euch.
Autonomes Knastprojekt Köln
Kalk-Mülheimer-str. 210
51103 köln