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Antifa heißt (immer noch) Klassenkampf! – Aufruf zur Demonstration „Solidarität mit allen Betroffenen“

Unser Aufruf zur Demonstration „Solidarität mit allen Betroffenen“ 23.03.2019/14Uhr/FFM-Kaisersack

Als Ausgangspunkt der Drohschreiben, signiert mit NSU 2.0, an die Anwältin Seda Basay-Yildiz ist das 1. Revier der Frankfurter Polizei zu betrachten. Dort wurden ihre Daten dem internen System entnommen und entweder an Faschisten weitergereicht, oder aber Polizisten haben selber die Initiative ergriffen und die Schreiben versandt.

Das erste Revier ist allerdings nicht nur Ausgangspunkt dieser Drohschreiben, sondern im Vorfeld dieser Enthüllung immer wieder durch seine rassistische und aggressive Alltagspraxis aufgefallen. So ist es nicht verwunderlich, dass das Innenstadtrevier immer wieder im Zusammenhang mit zum Beispiel Racial Profiling Erwähnung findet. Auch das gewaltsame vorgehen gegen friedliche Fußballfans im Bereich der Hauptwache im Winter 2018 ging von Polizisten des 1. Reviers aus. Auf diesem Revier haben sich Beamte außerdem in einer Whats-App Gruppe rassistische Bilder zugesandt und ausländerfeindliche Sprüche ausgetauscht.

Wer sich jedoch um die Struktur und die Geschichte der Polizei im Klaren ist, der weiß, dass ein solches Verhalten mehr Regel als Ausnahme ist und innerhalb der fortschreitenden Faschisierung mehr als geduldet, wenn nicht sogar durch die Politik gefördert. Die modernisierte Rechte ist in der Offensive – ob in den Parlamenten oder auf der Straße – wie der Angriff auf das ProjectShelter im Jahr 2017, das offene und das mehr oder weniger offene Agieren von Neofaschisten im Stadtgebiet und auf Landesebene zeigen. In anderen Städten gehören solche Szenarien längst zum Alltag. Die Alternative für Deutschland (AfD) erhält zunehmend Zulauf und Zuspruch aus der Mehrheitsgesellschaft, sitzt in den meisten Landtagen und bildet für die eh schon reaktionäre Politik den Lanzenbrecher, der ein rassistisches und faschistisches Vokabular wieder salonfähig macht. Die politische und wirtschaftliche Elite in Deutschland verhält sich ambivalent gegenüber dem Rechtsruck. Während ein autoritär-neoliberaler Flügel mit dem nationalistischen und rassistischen Projekt der AfD sympathisiert, deren Positionen in der Mehrheitsgesellschaft salonfähig macht und damit die zunehmende Gewalt gegen Geflüchtete antreibt, wendet sich ein anderer, sozialdemokratisch-neoliberaler Teil mit einem humanistischen Anstrich gegen die Gefahr von Rechts, betreibt aber in Wirklichkeit eine lediglich am Profitinteresse der deutschen Wirtschaftsverbände orientierte Ein- und Ausschlusspolitik von Geflüchteten.

Beide gemeinsam exekutieren rassistische Praxis: Racial profiling und Sonderrecht gegen den nicht-deutschen Bevölkerungsteil hier und „KZ-ähnliche“ (Auswärtiges Amt) Sammellager vor den Toren Europas für Geflüchtete. Folglich sind beide Fraktionen keine Alternativen, sondern der zu bekämpfende Gegner!

Der Faschismus kommt aus dem bürgerlichen Staat
Der Faschismus war schon historisch ein Herrschaftsprojekt aus den reaktionärsten Teilen der bürgerlichen Gesellschaft. Er hat keineswegs vom gesellschaftlichen Rand die Macht ergriffen, sondern wurde von bestimmten Teilen der politischen, militärischen und administrativen Elite und des Staatsapparats sowie der Großindustrie – ergo der herrschenden Klasse – in ein Bündnis integriert, das er unter Mobilisierung der Bevölkerung für sich vereinnahmen konnte. Während des Kalten Kriegs bauten vorherige Wehrmachts-, SD- und SS-Offiziere BKA, Verfassungsschutz und BND auf.

Der NSU-Komplex hat eindrücklich gezeigt, dass mit dem Staatsapparat verbandelte neo-faschistische Netzwerke bis heute existieren. Diese Gruppen sind die letzte Verteidigungslinie des bürgerlichen Staates – gegen alle fortschrittlichen Kräfte im Land. Eine Kritik an Neo-Faschisten muss vor diesem Hintergrund immer eine radikale Kritik am bürgerlichen Staat mit einschließen. So ist der NSU-Komplex um die NSU 2.0 Affäre weiter gewachsen und zeichnet ein deutliches Bild staatlicher Strukturen und Vertuschungsmechanismen, die gemein hin auch als Paradebeispiel der allgemeinen Vorgehensweise solcher „Auffälligkeiten“ gesehen werden können. Ähnlich ins leere Laufende Prozesse wurden schon bei den Drohschreiben durch Polizeibeamte an die Genossen aus dem Kontext der Rigaer94 in Berlin oder aber bei den Mördern von Oury Jalloh in Gang gesetzt. Akten werden vernichtet, interne Ermittlungen behindert und vom eigentlichen Tathergang abgelenkt.

Eine Verengung des Rechtsrucks auf die rein autoritäre Formierung, die Neue Rechte oder gar den traditionellen NS-Faschismus vergisst, dass zentrale Entwicklungen hin zu Austeritätspolitik und Autoritarismus ganz ohne deren Zutun bereits Wirklichkeit sind. Ist die bürgerliche Gesellschaft ihrem Kern nach ohnehin rassistisch, patriarchal und von Ausbeutung geprägt, so hat neoliberale Governance als Exekution vermeintlicher kapitalistischer Sachzwänge selbst die oberflächliche Kontrolle des parlamentarischen Systems ersetzt. Die Verselbständigung der Exekutive und die technologische Grundlage der Herrschaft entwickeln sich unabhängig von einzelnen Regierungswechseln. Faschismus beginnt heute nicht mit der „Machtübertragung“ an eine rechte Partei. Er ist ein kontinuierlich schleichender Prozess, sein Antlitz ein technisch-apparatives. Dieser Prozess hat längst begonnen. Die mit Terrorangst geschürte Sicherheitsdebatte inklusive „Schutzhaft“-Forderungen für „GefährderInnen“, den in Frankreich bereits durchgesetzten Ausnahmezustand, die Einrichtung von Gefahrengebieten in deutschen Städten, das Konzept „Zivile Verteidigung“, die massenhafte Überwachung von BürgerInnen und öffentlichem Raum, die physische Präsenz schwer bewaffneter Bulleneinheiten, stärkere Kriminalisierung von Protest – sowie nicht zuletzt der Ausbau der Geheimdienst- und Polizeibefugnisse als Belohnung für die Beteiligung am NSU-Terror sind Ausdruck von präventiver Konterrevolution und Faschisierung. Sie geben einen Vorgeschmack auf die Vision der Herrschenden über zukünftige gesellschaftliche Verhältnisse.

In der Dynamik der Faschisierung ist eine engere und weitere Verzahnung von Politik und Wirtschaft ebenso offensichtlich wie auch der Faschismus als Instrument zur Wahrung der bürgerlichen Herrschaftsordnung im Kapitalismus essenziell. So verwundert es nicht, dass gerade die AfD ebenso starke mediale Aufmerksamkeit erhält wie die etablierten Parteien. Die AfD steht für einen modernisierten Faschismus mit verschärfter neoliberaler Agenda. Sie vertritt die Interessen der Kapitalistenklasse gegen die der ArbeiterInnen offen und aggressiv. Es überrascht kaum, dass sich in ihren Reihen vor allem mittelständische UnternehmerInnen und LobbyistInnen sammeln, die ein Interesse an einer nationalistischen Wirtschaftspolitik haben. Die AfD steht für ein reaktionäres Frauen- und Familienbild und den Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen vom gesellschaftlichen Reichtum. Ihr Rassismus besteht aus der Einteilung der Welt in überlegene westliche und rückschrittliche östliche Kulturen: Die europäische Identität gegen „den ,Islam‘‘. Während die völkische Rechte, deren Rassenideologie und soziale Demagogie heute entbehrlich scheinen, zur Zeit nur in bestimmten Teilen des Repressionsapparats Unterstützung findet, ist gerade das Gefährliche an dieser Neuen Rechten, dass sie bis weit in die politische Klasse Sympathie für ihre Agenda genießt. Ein neuer Faschismus an der Regierung wird auch diesmal nicht auskommen ohne Unterstützung im bürgerlichen Staat und durch jene, die über Einfluss, Macht und Geld verfügen. Aber auch die Parteien in der Regierungsverantwortung sind jene, die die momentane Entwicklung im Sinne des Kapitals vorantreiben, treibende Kräfte einer immer weiter fortschreitenden Faschisierung, die natürlich auch in den kleinsten Zellen des Exekutivapparetes ihre Früchte trägt. Die neuen Polizeigesetze in Bayern, Sachsen und Brandenburg sind auch unter Beteiligung von Grünen und Linken ratifiziert worden. Es war unter SPD Beteiligung, dass sich im Hambacher Forst GenossInnen nicht auf anwaltliche Unterstützung berufen konnten. Es sind die Politiker der CDU, die dem rechtsterroristischen Verein „Uniter“ weiterhin einräumen, einen Förderbedarf durch staatliche Gelder zu haben.
Unsere Antwort: Antikapitalistischer Kampf von unten, im Betrieb, im Viertel, auf der Straße! Solange eine antagonistische, in Klassen gespaltene Gesellschaft existiert, so lange wird es auch einen idealen Nährboden für Faschismus geben – besonders in Krisenzeiten. Die modernisierte Rechte versucht, die sich auch in Deutschland anbahnende soziale Misere zu kaschieren und für die berechtigte Wut darüber Minderheiten als Feindbild anzubieten. Sie erfüllt damit für die Herrschenden eine wichtige Funktion in einer Zeit, in denen es diesen zunehmend schwerer fällt, ihre asoziale Kahlschlags- und Kriegspolitik hinter ,,Menschenrechten‘‘ und ,,Sozialreformen‘‘ zu verbergen.
Wo sich Faschisten zu diesen Fragen auf der Straße präsentieren wollen, müssen wir präsent sein, um sie daran zu hindern. Das allein wird uns aber auf lange Sicht nicht helfen – weder gegen die neue Rechte, noch gegen die Apparate. Die Möglichkeit ist längst obsolet, Menschen aufgrund von rechter Gesinnung in der Mehrheitsgesellschaft zu isolieren.

Die Antwort auf das Erstarken der Rechten kann daher keine reine Abwehrpolitik oder gar die Unterstützung für RotRot-Grün sein. Letzteres hat die Funktion hat, linkes Widerstandspotenzial zu absorbieren und zu neutralisieren. Positionen von Liberalen und Pseudo-Humanisten helfen uns nicht, sondern zersetzen als ideologischer Staatsapparat die kämpferische Linke. Wir müssen den Menschen fortschrittliche und radikale linke Antworten auf ihre Probleme liefern, sie für unsere Sache gewinnen, Organisationsangebote machen und gemeinsam eine Perspektive jenseits von Kapitalismus und bürgerlichem Staat entwickeln. Nur so graben wir der Neuen Rechten das Wasser nachhaltig ab. Denn: Dort, wo die Menschen ihren Gegner in ihrem Chef und dem kapitalistischen System statt im Geflüchteten oder Muslim sehen, dort sind sie bereits immunisiert gegen die schlimmsten Auswüchse der rechten Verhetzung.

Dem Rechtsruck auf allen Ebenen entgegenzutreten kann nur bedeuten, mit dem kapitalistischen System auch die Wurzeln des Faschismus zu beseitigen. Deshalb:

• Kampf dem Faschismus und seiner Wurzel!
• Kampf den Investoren und Miethaien! Stoppt die soziale Verdrängung in unseren Vierteln!
• Kampf den Bossen und korrupten Gewerkschaftseliten! Solidarität mit unseren KollegInnen im Betrieb und ihren legitimen Forderungen!
• Kampf dem Sonderrecht für MigrantInnen! Gegen Abschiebungen und Lagersystem!
• Kampf den Waffenexporten, Auslandseinsätzen und der deutschen Großmachtpolitik!
• Hoch die Internationale Solidarität gegen Nationalstaat und Kapital!
• Kampf der Überwachung und dem Grundrechteabbau! Für eine umfassende Vergesellschaftung und Demokratisierung mit sozialistischer Perspektive!
• Entschlossenen Gegenwehr gegen Rassisten und Faschisten aller Art!

Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg! Kommt am 23.03.2019 zur Demo, 14 Uhr, Frankfurt-Kaisersack

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