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Artikel zum Prozess gegen Bernd Langer und seine Worte vor Gericht

Tat verjährt, Billigung strafbar
Freitag-Blog Peter Nowak

Bernd Langer, Der Antifaaktivist und Chronist der autonomen Linken musste die Erfahrung machen, dass die Kommentierung einer Aktion vor 21 Jahren strafbar ist.
Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Peter Nowak
„Aber es gab auch später noch militante Aktionen, zum Beispiel ein koordinierter Anschlag gegen die Junge Freiheit“ 1994. Wenn man liest, wie das bei denen reingehauen hat- die könnten ihre Zeitung fast zumachen – war das eine Superaktion gewesen.“

 

dieser Interviewpassage in der Tageszeitung Neues Deutschland wurde Langer am Dienstag vom Berliner Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 500 Euro wegen Billigung einer Straftat und Störung des öffentlichen Friedens verurteilt.
Ursprünglich sollte er sogar 3000 Euro zahlen. Die Justiz wurde aktiv, nachdem der ehemalige Generalbundesanwalt und langjährige Autor der Jungen Freiheit (JF) Alexander von Stahl einen Brief an die Justiz geschrieben hatte. Man möge ihm den Fortgang der Ermittlungen informieren, beendete er sein Schreiben. Der Zuruf von Rechts brachte Langer zunächst den Strafbefehl, nachdem er dagagen Widerspruch einlegte fand am Dienstag der Prozess statt.

Autonome Antifa zwischen Militanz und Bündnispolitik
Das knapp einstündige Verfahren entwickelte sich über weite Strecken zu einer Erörterung der Geschichte der autonomen Antifabewegung der 80er Jahre. Dass war schließlich das Thema des ND-Interviews, das vollständig verlesen wurde. Dort äußerten sich Langer und ein weiterer Zeitzeuge durchaus selbstkritisch über die Aktionsformen der autonomen Antifa zwischen militanten Angriffen auf rechte Strukturen und der Beteiligung an zivilgesellschaftlichen Bündnissen. Langer widersprach der Einschätzung seines Gesprächspartners, die konspirative Phase der Autonomen Antifa sei Ende der 80er Jahre zu Ende gewesen und wies auf den „Anschlag auf die Junge Freiheit“ hin.

Langers Anwalt Sven Richwin begründete seine Forderung nach einem Freispruch Langers mit zwei Argumente. Die Formulierung in dem Interview so allgemein gehalten, dass von der Billigung einer Straftat nicht die Rede sein könne. Man könne davon ausgehen, dass viele Leser_Innen gar nicht wussten, was mit dem Anschlag gemeint sei. Zudem sei die Tat bereits verjährt. Daher müsse es nach mehr als zwei Jahrzehnten möglich sein, ohne Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen über die Aktion zu diskutieren. Zumal sich Langer mit Büchern und historischen Spaziergängern als Chronist der autonomen Bewegung einen Namen gemacht hat. Kürzlich hat er das Buch „Antifaschistische Aktion – Geschichte einer linksradikalen Bewegung“ herausgebracht.

Wo bleibt die Solidarität der heutigen Antifa?
Zu seinen Leseri_nnen gehören auch viele jüngere Antifaschist_nnen. Doch unter den ca. 25 Prozessbesucher_nnen waren am Dienstag vor allem Menschen zu finden, die bereits in den 80er Jahren aktiv waren Auch auf den Internetseiten aktueller Antifagruppen findet man kaum Informationen über das Verfahren und den Prozess gegen Bernd Langer. Dass auch heutige Antifagruppen gegen Repression mobilisieren können, zeigt sich am Beispiel von Tim, der wegen seiner Beteiligung an einer Blockade gegen Nazis in Dresden kriminalisiert wurde. Auch für jüngere Antifaschist_innen war die Göttinger Antifa/M immer ein Vorbild. Zumindest die militante Symbolik wird auch heute gerne noch bei Antifademonstrationen verwendet. Da stellt sich schon die Frage, warum es keine Unterstützung gibt, wenn mit Langer ein Aktivist vor Gericht steht, der zu einen der wenigen Mitbegründer der Autonomen Antifa der 80er Jahren gehört, der öffentlich Gesicht zeigt und auch mit seinen Büchern, Plakaten und Stadtführugnen die damalige Politik zur Diskussion stellt. Dabei fehlt auch die Selbstkritik durchaus nicht. So hat Langer auch in dem inkriminierten Interview betont, dass die autonome Antifa in den 80er Jahren zuwenig Bündnispolitik gemacht und sich zu stark auf ihre vermeintliche eigene Stärke verlassen hatte. Ende der 80er Jahre ging die erste Phase der autonomen Antifa zu Ende. Es gab danach neue Gründungen von autonomen Antifagruppen mit jüngeren Aktivist_innen. Sie haben noch die Möglichkeit, Solidarität zu zeigen. Langer wird Widerspruch gegen das Urteil einlegen. Er will notfalls durch alle Instanzen gehen. „Ich wehre mich gegen einen politischen Prozess“, betonte er. „Wieder einmal springt die deutsche Justiz der politischen Rechten hilfreich zur Seite“, führte er in der Prozesserklärung azs.Dort stellte er auch die Frage, ob je ein Mitgleid der NS-Traditions- und SS-Veteranenverbände wegen Billigung einer Straftat verurteilt wurden, die sich in der BRD noch Jahrzehnte nach dem Ende des 2. Weltkriegs trafen und ihre Verbrechen im NS glorifzierten.
Peter Nowak
Link zu Kunst und Kampf
http://www.kunst-und-kampf.de/Aktuell.html
Die Prozesserklärung von Bernd Langer im Wortlaut:
http://www.kunst-und-kampf.de/Blog/Eintrage/2015/9/23_Worte_vor_Gericht.html
Link zum neuesten Buch von Bernd Langer:
ww.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/antifaschistische-aktion-471-detail
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Worte vor Gericht von Bernd Langer
23. September 2015,
Am 18. Juni wurde mir ein Strafbefehl über eine Geldstrafe zugestellt, weil ich in einem Interview einen Anschlag als „Superaktion“ bezeichnet hatte. Strafanzeige hatte der ehemalige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl gestellt. Am 22. September wurde öffentlich verhandelt.
Wir sind hier heute zusammen gekommen weil quasi auf Zuruf des deutlich rechtslastigen ehemaligen Generalbundesanwalts von Stahl die Staatsanwaltschaft angesprungen und der Staatsschutz eingeschaltet wurde. Es geht um einen Anschlag, der über 20 Jahre zurück liegt, die Tat selbst ist mittlerweile verjährt.

Ohne auch nur die Spur eines Zweifels wurde die Beschuldigung gegen mich gebilligt, ein Strafbefehl ausgefertigt. Wieder einmal springt die deutsche Justiz der politischen Rechten hilfreich zur Seite. Die Verurteilung scheint nur noch eine Formalie.
Ein Satz von mir, der eine historische Begebenheit erläutert, wird herausgegriffen, in einen anderen Zusammenhang gesetzt und für politische Gesinnungsjustiz genutzt.

Ich organisierte mich ab 1978 in der Antifa-Bewegung und propagierte eine avantgardistische Kunst, die permanent mit staatlicher Kriminalisierung konfrontiert war. Wer behauptet, in der BRD hätte es kein Verbot antifaschistischer Kunst gegeben, ist ein Lügner und Ignorant. Etliche meiner Plakatmotive wurden kriminalisiert, Gemälde von der Polizei beschlagnahmt, teilweise zerstört.
Während dessen traten NS-Täter öffentlich in Traditionsverbänden in Erscheinung, feierten ihre verbrecherische Vergangenheit und wurden von Politikern hofiert. Ich habe mich intensiv mit diesen „alten Kameraden“ beschäftigt und mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem die Traditionspropagandisten von Kolonialtruppen, Waffen-SS, Wehrmacht und wie sie alle hießen, wegen der Vergehen angeklagt worden wären, die mir hier und heute vorgeworfen werden.
Mittlerweile spielen solche Organisationen keine Rolle mehr, es handelte sich um eine historische Phase. Dass ich mich intensiv mit der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftige, ist kein Geheimnis, wie mein letztes Buch „Antifaschistische Aktion – Geschichte einer linksradikalen Bewegung“ zeigt. Dort ist auch die Zeit nach dem Anschluss der DDR an die BRD genauer beschrieben, als die rechtsradikale Gewalt in Deutschland eskalierte. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes, der nicht für übertriebene Statistiken in dieser Hinsicht bekannt ist, gab für 1992 allein 17 Todesopfer durch rechtsradikale Gewalttäter an, 1993 waren es 20 Tötungsdelikte. Gleichzeitig wurde die zur Rede stehende Zeitung im Rahmen der Berichterstattung über rechtsextremistische Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht ausführlich behandelt. Die in ihr veröffentlichten Beiträge enthielten nach Einschätzung des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Mehr muss zur Charakterisierung dieses Blattes nicht ausgeführt werden.

Tatsächlich habe ich aber nicht in einem Pamphlet oder öffentlichen Aufruf zu einer konkreten Tat aufgefordert oder Mord und Totschlag gehuldigt. Vielmehr habe ich in einem mehrstündiges Gespräch mit der Überschrift „Antifa hieß Angriff“, über die antifaschistische Bewegung in der BRD lediglich eine Frage, die bereits vom anderen Interviewpartner beantwortet worden war, relativiert.
Die Parole „Der Kampf geht weiter!“, die in diesem Falle nicht anders als „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“ zu verstehen ist, wird in einen militanten Aufruf umgedeutet, der aber in diesem Zusammenhang gar nicht gemeint sein kann. Ich habe lediglich ausgeführt, dass es auch heute noch militante Antifas gibt. Das ist eine Feststellung, aus der eine Provokation und Aufforderung zu Straftaten phantasiert wird.

Geradezu absurd ist es, mir darüber hinaus zu unterstellen, es sei meine Absicht gewesen, die Leserschaft des Neuen Deutschlands zu gewalttätigen Aktionen aufzustacheln.
Der Rechtsfriede wird nicht durch das freie Wort gestört, sondern durch politisch motivierte Gerichtsurteile gegen Antifaschisten. Wobei die Höhe einer Verurteilung vollständig egal ist. Es handelt sich hier um einen politischen Prozess.