Verfolgt, verbannt, vergessen… So ähnlich wird es knapp 70.000 Menschen in der BRD ergehen, 11 Millionen Menschen weltweit von denen sich die Hälfte in den USA, China und Russland befinden. Menschen, die sich hinter hohen Mauern befinden, bestückt mit kilometerlangen Stacheldraht, unzähligen Videokameras und eingepfercht in einer kleinen Zelle. Ein ausgeklügeltes System zur Sicherung der eigenen Machtinteressen, zum Fortbestand der kapitalistisch-bürgerlichen Demokratie, die es verstanden hat, unwillige widerständige Menschen aus dem Weg zu räumen. Unter dem Deckmantel der bürgerlichen Justiz findet der Kampf gegen all jene statt, die sich diesem ausbeuterischen System widersetzen. Und die Tendenz ist steigend und betrifft nicht nur Gefangene – die Repression ist ein fester gesellschaftlicher Bestandteil und immer mehr Menschen sehen sich mit der Justiz konfrontiert. Eine Justiz, die nur einer Klasse dient – die Klasse der Herrschenden. Dieser Klassenjustiz gilt es Widerstand zu leisten und vor allem auf all jene aufmerksam machen, die auf Grund ihres politischen Handelns, ihres sozialen Engagement oder einfach auf Grund ihrer Klassenlage, für viele Jahre weg gesperrt werden.
Der 18. März ist solch ein Tag. Ein Tag mit einer weitreichenden Geschichte – ein Tag der den politischen Gefangenen gewidmet ist. Erfreulicherweise gewinnt dieser Tag seit einigen Jahren wieder an Bedeutung und auch in diesem Jahr wird es wieder zahlreiche Aktivitäten geben. Für uns Anlass genug, die Situation der politischen Gefangenen und den Verfolgten kurz zu schildern, um aufzuzeigen, wie wichtig es ist sich solidarisch zu verhalten.
Verstärkte Repression gegen den Widerstand
Spätestens seit Juli 2017, den vielfachen und erfolgreichen Protesten gegen den G20-Gipfel, werden von den Herrschenden die Schrauben der Unterdrückung angezogen. Die „unabhängige Justiz“ zieht dabei alle Register, um drakonische Strafen zu verhängen. Da lautet ein Richterspruch schon mal: „3,5 Jahre für einen Wurf einer Falsche auf einen gut gepolsterten Polizisten.“ Nicht nur diese drastischen Verurteilungen dienen als Abschreckungsmaßnahme. Auch die medienwirksam inszenierten Razzien bei Menschen, die im Rondenbarg von den Bullen angegriffen wurden und die öffentlichen Fahndungen mit Fotos und Videos von Personen, die während des G20 an öffentlichen Versammlungen teilnahmen, haben das Ziel möglichst viele von der Teilnahme an zukünftigen Demos abzuschrecken und zum Schweigen zu bringen. Die Klassenjustiz versucht mit solchen Maßnahmen klar zu machen wo der Feind steht – nämlich links! Wir sollen möglichst lange in den Knast gesteckt werden, wir sollen abgeschreckt werden, eine Friedhofsruhe muss herrschen im „Herzen der Bestie“, damit die aggressive Ausbeutung dieser Welt weiter geführt werden kann.
Verfolgung linker migrantischer Strukturen geht weiter
Zum Ende des letzten Jahres hörten, sahen oder lasen wir immer wieder in den Medien, wie sich deutsche Behörden für die Freilassung von Gefangenen einsetzten. Allen voran in der Türkei. Ein Versuch, dass innenpolitische Antlitz durch außenpolitisches Eingreifen aufzuwerten. Doch war es nichts als eine Farce, wie wir wenige Monate später sehen können. Deutsche Panzer beteiligen sich am Krieg gegen die KurdenInnen. In der BRD selbst werden gerade kurdische und türkische Linke verfolgt, verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt.
Als juristische Waffe dient den Herrschenden dabei der § 129b, der die „Mitgliedschaft bzw. die Unterstützung in/für eine terroristische Vereinigung im Ausland“ unter Strafe stellt.
In langjähriger Tradition richtet sich die Verfolgung insbesondere gegen linke migrantische Organisationen, denen die Mitgliedschaft in der PKK1, der DHKP-C2 oder jetzt auch in der TKP-ML3 vorgeworfen wird.
In diesem Jahr wird vor dem OLG München im Prozess gegen 10 ATIK Mitglieder (Konföderation der Arbeiter aus der Türkei) mit einem Urteil gerechnet. Vorgeworfen wird ihnen Mitglieder der TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch) zu sein, dass sie Gelder gesammelt, die Aktivitäten der Organisation in der Türkei unterstützt und in Deutschland KämpferInnen für Rojava ausgebildet haben sollen.
In diesem Zusammenhang eingeknastet nach § 129b waren 40, zur Zeit sind es noch 19 Gefangene.
Weitere Verurteilungen wegen § 129b
Vier kurdische Politiker sind im letzten Jahr verurteilt worden: Hıdır Yıldırım zu 1 Jahr 9 Monaten, Ali Hıdır Doğan zu 2 Jahren und 4 Monaten, Zeki Eroğlu zu 2 Jahren 9 Monaten und Muhlis Kavak zu 3 Jahren und 3 Monaten.
In Hamburg begann im Januar der Prozess gegen Musa Aşoğlu, der vor über einem Jahr von deutschen Behörden in Hamburg festgenommen wurde und sich seitdem im Hamburger Untersuchungsgefängnis (UG) Holstenglacis in Totalisolation befindet.
Die USA stellte ein Kopfgeld in Höhe von 3 Mio. Dollar auf Musa Aşoğlu aus, dem eine Führungspositionen innerhalb der DHKP-C unterstellt wird. Die USA gerieten 2013 ins Visier der DHKP-C, welche die US-Botschaft in Ankara und das US-Konsulat in Istanbul militant angriffen. Da diese Aktionen gegen US-Einrichtungen bewusst vom OLG Hamburg nicht thematisiert werden, ist zu befürchten, dass Musa nach der Verbüßung seiner Haft in die USA ausgeliefert wird. Im Januar wurde Erdal Gökoğlu auf Ersuchen der BRD von Belgien ausgeliefert. Auch ihm wird „DHKP-C-Mitgliedschaft“ vorgeworfen.
Soziale und rebellische Gefangene
Doch nicht nur linke AktivistInnen werden von diesem Staat eingesperrt, sondern es werden alle Menschen verfolgt und bestraft, die sich nicht konform verhalten und in das kapitalistische Mehrwert-Prinzip einfügen wollen und können. Es werden selbst kleinste Ladendiebstähle mit hohen Tagessätzen belegt. Aufgrund des kleinen Geldbeutels können diese Sachen oftmals nicht bezahlt werden und dann endet es mit der Verurteilung zu einer Haftstrafe. Hinzu kommt die vermehrte Abnahme von DNA Proben, während einer Festnahme durch die Polizei. Die Betroffenen willigen leider häufig wegen Unwissenheit ein, obwohl sie durch keine gesetzliche Grundlage dazu verpflichtet sind, also meist auf Druck der vernehmenden Polizisten.
Das Gefängnis ist also eine der wichtigsten Institutionen des kapitalistisches Systems, es dient der sozialen Kontrolle, der Disziplinierung und der Repression. Es werden also nicht nur politische, sondern auch rebellische und widerständige Menschen weg gesperrt. Sie sollen hinter Gittern isoliert, gebrochen und auf Linie gebracht werden. Deswegen fordern wir auch die Freiheit dieser sozialen Gefangenen!
Erfolg Soziale Kämpfe oder „Wer Kämpft kann verlieren wer nicht kämpft hat schon verloren.“
Die Beispiele von Özgür Aslan , Yusuf Taş und Gülaferit Ünsal zeigen uns, dass Widerstand auch hinter Gittern erfolgreich seien kann.
Özgür Aslan war am 9. März 2017 in einen Hungerstreik „gegen Aufzwang von Anstaltskleidung und willkürliche Maßnahmen“ getreten. Er beendete den Protest, nachdem die Anstaltsleitung seine Forderung anerkannte. Mithäftlinge unterstützten ihn dabei, indem sie sich vor dem Büro der Anstaltsleitung versammelten und Druck auf diese ausübten. Am 18. April beendete er seinen Hungerstreik erfolgreich.
Yusuf Taş kämpfte mit einem 65 tägigen Hungerstreik erfolgreich für sein Recht, auf türkisch kommunizieren zu dürfen. Muzaffer Doğan, Musa Aşoğlu und Gülaferit Ünsal hatten mit einem mehrtägigen Hungerstreik seine Forderungen unterstützt. Gülaferit war ebenfalls ab dem 1. November 2017 in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Ihre Forderung war die Verlegung einer rassistischen Gefangenen, welche Gülaferit angegriffen hatte. Selbst die rassistische Gefangene, stellte ebenfalls solch einen Antrag, wurde aber zunächst nicht verlegt um die Situation zwischen den Beiden weiter zu eskalieren. An diesem Beispiel wird ganz klar, dass das Knastsystem die Gefangenen gegeneinander ausspielt. Am 3. November beendete Gülaferit Ünsal ihren Hungerstreik, da ihre Forderung erfüllt wurde.
Zurück zum 18. März
In vielen Städten dieser Republik entfalten sich vielfältige Aktivitäten, wie Veranstaltungen und Demonstrationen. Zusätzlich gelingt es uns in den bürgerlichen und linken Medien mit Artikeln auf die Lage der Eingekerkerten aufmerksam zu machen. Das sind lobenswerte Initiativen, doch sie reichen bei Weitem nicht aus, um ein wirksamer Faktor gegen Unterdrückung zu werden, denn die Klassenjustiz verhindert mit allen seinen Mitteln, dass sich was am Status Quo ändert. Warum das so ist, wird deutlicher, wenn wir diesen Staat genauer betrachten.
Die Lage in der BRD ist dadurch gekennzeichnet, dass dieser Staat weiterhin die stärkste europäische Macht und auch federführend bei der Konterrevolution in Europa ist. Innenpolitisch macht sich das fest an weiteren Verschärfungen und Einschnitten im sozialen Bereich. Diese haben auch Vorbildcharakter für andere europäische Staaten und sollen im Rahmen von Europa 2020 flächendeckend eingeführt werden. Außenpolitisch übernimmt Berlin immer öfters führende Rollen bei Kriegseinsätzen. Gegenwärtig sind deutsche Soldaten an 16 Kriegen und militärischen Missionen beteiligt.
Probleme und Grenzen der Solidaritätsarbeit
Um es nochmal zu betonen, Solidarität mit den Gefangenen ist wichtig, genau so wie das Hinterfragen des Knastsystems in unserer Gesellschaft. Wir müssen uns fragen, ob die von uns organisierte Solidarität ausreicht. Weiterhin müssen wir uns deshalb fragen, was an Druck und an Initiativen fehlt um unsere Arbeit effektiver zu gestalten.
Es ist wichtig, dass der 18. März nicht zur Routine verkommt, quasi zur Anerkennung des eigenen Status Quo. Damit meinen wir den Eventcharakter dieses Tages, d. h. sich nur zu diesem Tag zu verhalten, reicht nicht aus um einen notwendigen Druck zu erzeugen, um die ganze Repressionsmaschinerie zum Stürzen zu bringen.
Problematisch ist auch, dass nur ein kleiner Teil der (radikalen) Linken sich mit Repression beschäftigt. Weiterhin ist es oft so, dass nur dann Betroffenheit da ist, wenn jemand aus dem eigenen politischen Zusammenhang oder Freundeskreis von Unterdrückung und Verfolgung betroffen ist. Fakt ist auch, dass diverse Antirepressions-Gruppen nur vereinzelt agieren. Der Bezug auf andere von Repression Betroffene wird oft nicht gesucht, nicht gewollt oder wegen politischen Differenzen gemieden. Ein Beispiel hierfür sind auch die Besucherzahlen bei dem Gerade stattfindenden Prozess gegen Musa Aşoğlu.
Die Herrschenden hingegen sind mit der Verzahnung ihrer Repressionsapparate bundesweit und international viel weiter als wir. Wir wären natürlich stärker, wenn wir alle an einem Strang gegen die staatliche Unterdrückung ziehen würden. Somit müssen wir Wege finden, um die Grenzen der bisherigen Solidaritätsarbeit zu durchbrechen.
Kämpfen wir gemeinsam für die Freiheit der politischen und sozialen Gefangenen!
Uns verbindet mehr mit den Gefangenen als viele oftmals annehmen und deshalb ist es wichtig, Solidarität zu zeigen und praktisch werden zu lassen. Den Austausch mit den Gefangenen suchen, Aktivitäten unterstützen, sich draußen organisieren um eine gute Basis für ein geeintes Vorgehen gegen dieses Klassensystem zu entwickeln!
Wir rufen in diesem Jahr dazu auf, sich an der Antirepressionsdemo in Hamburg am 17.3. um 14:00 Uhr zu beteiligen.
In diesem Sinne:
Freiheit für die sozialen und politischen Gefangenen!
Drinnen und Draußen – ein Kampf!
Hoch die internationale Solidarität!
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen
political-prisoners.net
1PKK: Arbeiterpartei Kurdistans
2DHKP-C: Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front
3TKP/ML: Kommunistische Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten