Berichte von Konzerten der türkischen, revolutionären Band Grup Yorum in Düsseldorf und Istanbul/Harbiye

TAUSENDE WAREN IN HARBIYE

TAUSENDE HABEN NACH GERECHTIGKEIT VERLANGT…

Am 21. Juli hat Grup Yorum die Tradition der Open-Air Konzerte in Harbiye fortgesetzt. Tausende Konzertbesucher haben schon Tage zuvor angerufen und sich informiert. Es herrschte eine rege Vorfreude. Freiwillige KonzerthelferInnen haben viele Tage zuvor mit den Vorbereitungen angefangen.

Es herrschte eine lebhafte Stimmung, jeder packte etwas anderes an. Ein Teil war damit beschäftigt, das Konzert bekannt zu machen, andere mit Bügeln, wieder andere mit Kochen. Es war toll, wie gut alles funktionierte. Am Tag zuvor waren schon alle Karten ausverkauft, die letzten Vorbereitungen getroffen. Die größte Sorge war, ob auch alle Besucher reinkommen. Dann war es endlich so weit. Diesmal gab es ganz ungewohnte Gastauftritte.

Grup Yorum hatte die Bühne bis jetzt mit Musikern geteilt. Diesmal gab es Gastauftritte von KünstlerInnen eines anderen Genres: Regisseure, SchauspielerInnen, Bühnenregisseure für Theater, SchriftstellerInnen, JournalistInnen… Alle haben von den Angriffen der AKP ihren Teil abbekommen. Grup Yorum’s Einladung hat sie zusammengebracht. Grup Yorum trug vor allem Lieder aus dem 1. Album vor. Und endlich wurde das erste Lied vorgetragen.

Mit dem ersten Lied gab es einen tosenden Beifall und überall waren Parolen zu hören. Hasan Selim Gönen wurde am selben Morgen ermordet. Es war schon fast so, als würden Nelken in den Herzen der Zuschauer aufblühen. Als ob sie Hasan wieder ins Leben rufen wollten.

Hasan war jetzt eine Nelke. Er war die Personifizierung des Wunsches nach Gerechtigkeit, welche mit Parolen ins Leben gerufen wurde. Das gesamte Amphietheater hallte innbrünstig: Hasan Selim Gönen ist unsterblich“.

Mit verschlossenen Augen verfolgte Sultan, die Vertreterin der Gerechtigkeit, im Krankenhaus das Konzert vom ganzem Herzen. Sie schlief mit erleichterter Gewissheit, ihre Aufgabe erfüllt zu haben. Dutzende schwörten, die Plätze von Hasan und Sultan einzunehmen.

Das war so ein Konzert… hier war der Zuschauer nicht der Zuschauer. Waren die Zuschauer, die auf ihren Sitzen saßen auf der Bühne oder Grup Yorum, darüber ließ sich streiten. War es Yorum, die die mit Begeisterung Halay und Horon tanzenden Zuschauer anschaute oder die Zuschauer Yorum, die aus vollem Herzen ihre Lieder vortrug?

Man wuchs zu einer Einheit zusammen. Manchmal sagt ein einziges Wort, ein einziger Blick mehr als tausend Worte. Gedichte und Lieder wurden in einem harmonischen Fluss nacheinander vorgetragen. Und dann erreichte das Konzert seinen Höhepunkt.

Die KünstlerInnen, die allesamt Opfer von AKP- Übergriffen waren, wurden auf die Bühne gerufen. Die begeisterte Menge applaudierte den Künsterlnnen zu, die sich mit Yorum solidarisierten. Der Auftritt bedeutete in Einklang mit dem Publikum zu treten. Die Solidarität spiegelte sich in den Parolen: „Schulter an Schulter gegen den Faschismus.“ Treffender konnten die Parolen und die Schriftzüge auf den Transparenten nicht miteinander in Verbindung stehen: Die KünstlerInnen auf der Bühne öffneten ein Transparent mit der Aufschrift: „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“.

Der Bühnenregisseur des Stadttheaters Ragıp Yavuz berichtete von dem Druck, unter dem das Theater und die Künstler stehen. Er forderte Freiheit für Seckin Aydogan. Das Konzert ähnelte ganz bestimmt nicht einem milden Wind, sondern mehr einem Wirbelsturm. Ayse Gülen, Idil, Erdal Dalgic, Engin Ceber, deren heldenhaftes kurzes Leben auf Diashow gezeigt wurde, erhielten Applaus vom Publikum.

In der Konzerthalle wurden Transparente aufgehängt, die zum Widerstand und Zusammenschluss aufriefen. Ein Transparent, worauf revolutionäre KünsterInnen, die vom Faschismus schikaniert wurden abgebildet wurden, verlieh dem Konzert eine ganz besondere Bedeutung.  Manchmal war es so, als würde Picasso Guernica noch mal malen, dann als würde das Verbot des Liedes Cemo mit den Mitteln der Bühnenkunst kritisiert. Sie bekamen viel Applaus vom Publikum. Theaterschauspieler, die die Bühne mit Yorum teilten, verliehen dem Konzert einen ganz besonderen Akzent und demonstrierten einmal mehr, wie Kunst verbinden kann. Mit Yorum´s Aufruf begrüßten die Zuschauer auch die „Freien Gefangenen“, eine Minute lang gab es ständing ovations.

Hasan Selim dagegen, strahlte während des gesamten Konzerts, wie ein Stern auf der linken Brust der Zuschauer, um das ganze poetisch zu formulieren. Die letzten Worte von Yorum auf der Bühne lautete: „Wir sind im Recht, wir werden siegen“.

Am nächsten Tag machten sich Yorum und tausende Yorum Zuhörer auf den Weg um den Gefallenen der Revolution Hasan Selim die letzte Ehre zu erweisen. In Harbiye waren es 8000 Menschen, die Gerechtigkeit forderten…

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WIR WAREN ZEHNTAUSENDE GEGEN DEN RASSISMUS, MORGEN WERDEN WIR HUNDERTTAUSENDE SEIN

Die Band Grup Yorum, die am 2.Juni in der Mitsubishi Halle in Düsseldorf mehr als Zehntausend Menschen vereinte, gab ein großes Konzert mit dem Titel „Eine Stimme und ein Herz gegen den Rassismus“.

Der Saal war überfüllt und viele Fans mussten das Konzert großteils vom Korridor und vom Hof aus mitverfolgen.

Neben Deutschland nahmen Tausende Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern, wie England, Frankreich, Belgien, Holland, Österreich und Schweiz am Konzert teil.

Grup Yorum wurde von den Musikern Erdal Bayrakoglu und Burhan Berken, sowie vom Poeten Nihat Behram aus der Türkei begleitet. Die Rocksängerin Aylin Aslim konnte aufgrund eines Unfalls, bei dem sie sich den Fuß brach nicht teilnehmen, dem wurde jedoch mittels Live-Übertragung, bei der sie das Lied „Ulasir Sana“ sang ausgeholfen.

Grup Yorum hielt in Europa zum ersten ersten Mal ein Konzert mit Symphonieorchester ab und wurde vom Essen Symphonic Project begleitet. Auf der Bühne war außerdem ein Grup Yorum-Chor, der sich aus SchülerInnen Grup Yorum’s in Europa zusammensetzte, vertreten. Auf den seitlich von der Bühne installierten beiden Leinwänden wurden während des gesamten Konzerts Bilder im Zusammenhang mit dem Rassismus, mit der Arbeit im Ausland und dem Kampf in der Türkei ausgestrahlt. Zwischen den Liedern trugen Mitglieder der Idil Theaterwerkstatt und die Kölner Kunstwerkstatt Theaterstücke vor und teilten ihre Gedichte mit den ZuschauerInnen.

Das Konzert begann mit einer Rede von Tuncay Yilmaz im Namen der Anatolischen Föderation. Er sprach über die Bedeutung dieser Veranstaltung gegen Rassismus und zeigte auf, wie sich die im Ausland lebenden Menschen gegen rassistische Angriffe organisieren können. „Der einzige Weg, wie wir unser Leben schützen können ist die Organisierung. Wir werden uns gegen den Rassismus organisieren. Wir werden uns vereinen bevor die Rassisten an unsere Türen klopfen, ihre Messer an unsere Gurgel halten und ihre Waffen auf uns richten. Wir werden selbst für unsere Sicherheit sorgen. Wir rufen mit einer einzigen Stimme von Tausenden und Zehntausenden Herzen gegen den Rassismus, gegen den Feind der Völker, dem faschistischen Abschaum: Wir können uns vor rassistischen Angriffen nicht durch Angst sondern durch Organisierung schützen. Deshalb werden wir nicht aufgeben, uns zu organisieren, zu kämpfen und mit unserer Identität und Würde aufrecht gegen den Rassismus zu stehen. Wir fordern sowohl für unsere Toten als auch für unsere heute lebenden Millionen GERECHTIGKEIT. Wir fordern die Bestrafung der Mörder jedes einzelnen ermordeten Menschen von uns.“

Beim Konzert richtete sich außerdem Dilber Günes im Namen der Anatolischen Jugend an die ZuschauerInnen: „Wir, die Anatolische Jugend grüßen mit Enthusiasmus diese kräftige Stimme, die sich aus allen Ecken Europas kommend in Düsseldorf versammelt hat. Die meisten von uns Jugendlichen sind in Europa geboren, aufgewachsen und beherrschen nicht einmal ihre Muttersprache. Wir leben zwischen zwei Kulturen und unsere Generation wird weder als europäisch noch als türkeistämmig angenommen. Wir sind Kinder, die versuchen, diese große Liebe, die sich Heimat nennt, von Fotos, von der Telefonstimme des Großvaters und der Großmutter kennenzulernen. Doch sind wir eine Jugendgeneration, die sich niemals beugt. Wir sprachen vielleicht mit unserem ausländischen Akzent, vielleicht hat sich unser Outfit ein wenig geändert… Trotzdem haben wir niemals unsere Kultur und unsere Werte aufgegeben.

Darüber hinaus brachten der Assistent von Ulla Jelpe von der LINKEN und der MigrantInnensprecher der Gewerkschaft Ver.di von NRW, Ibrahim Isik in einer Rede ihre Solidarität zum Ausdruck.

Anschließend kamen in Begleitung des Symphonieorchesters mit dem Lied “ Devrim Yürüyüsümüz Sürüyor“ (Unser Revolutionsmarsch dauert an) die Bandmitglieder von Grup Yorum einzeln auf die Bühne.

Das Lied von Asik Mahsuni „Cesmi Siyahim“ wurde mit den Fans gemeinsam gesungen. Es folgten Lieder auf Arabisch, wie Weyn el Malain, auf Kurdisch und Türkisch, Cemo, Hasta Siempre, Bella Ciao und Hakliyiz Kazanacagiz (Wir sind im Recht, wir werden siegen).

Die BesucherInnen sangen während des gesamten Konzerts enthusiastisch die Lieder mit. Am Ende des Konzerts wurde von der Bühne aus von Mitgliedern der Grup Yorum auf den Kampf gegen den Rassismus einschworen. Aus einem Mund vereidigten mehr als Zehntausend Menschen ihre Einheit im Kampf gegen den Rassismus.