Bremen: Sylvester zum Knast!

Wir wollen mit einer Kundgebung am 31.12.2011 vor der JVA Oslebshausen ein viel zu stark vergessenes Instrument institutionalisierter Unterdrückung und sozialer Ausgrenzung wieder in unser aller Bewusstsein heben. Gemeint sind die Gefängnisse.

Die Funktion

Uns wird gesagt, der Knast wäre ein absolut notwendiges Mittel, um diejenigen, die die Gesetze verletzen, zu bestrafen. Diese Gesetzte aber sind nicht etwa Vereinbarungen die zwischen den Individuen getroffen werden, um das Zusammenleben zu gestalten, sie dienen zur Aufrechterhaltung der herrschenden Verhältnisse. Wenn wir uns nun anschauen wie dieses Zusammenleben funktioniert, können wir uns lediglich entscheiden, wie wir uns den Gesetzen gegenüber verhalten wollen. Gefängnisse stellen hier das Mittel des Staates zur Bestrafung derjenigen dar, welche sich nicht an diese vom Staat erlassenen Gesetze halten. Dies hat nicht nur die individuelle Bestrafung im Sinn, sondern wird gleichzeitig als abschreckendes Beispiel für den Rest der Bevölkerung genutzt. Die dadurch geschaffene Trennung der Menschen in „gut“ und „böse“ torpediert eine Solidarisierung mit den „Kriminellen“. Durch den gesellschaftlichen Fingerzeig auf die „Kriminellen“ wird an dieser Stelle von den eigenen Verstößen gegen geltende Gesetze abgelenkt, so fungiert dieser als Selbstschutz vor der sozialen Ächtung.

Meist wird davon ausgegangen, dass nur Mörder*Innen und Sexualstraftäter*Innen eingesperrt seien, aber die Realität zeigt etwas anderes. Viele Menschen sitzen in den Knästen, weil sie nicht in der Lage waren ausstehende Rechnungen zu bezahlen, schwarz gefahren sind, sich im Supermarkt etwas gönnen wollten, usw. Oder aber weil sie flüchten mussten, vor Kriegen, politischer Verfolgung oder es für sie in ihren Herkunftsländern keine Möglichkeit mehr gab zu überleben. Und die jetzt in Abschiebeknästen darauf warten, abgeschoben zu werden. Genau deshalb sitzen fast nur Illegalisierte, Migrant*Innen oder Menschen aus ärmeren Verhältnissen im Knast, welche meist wegen „Verbrechen“ an Eigentumsverhältnissen einsitzen. Laut dem Bundesamt für Statistik waren am 31. März 2011 in Deutschland 71.200 Personen in Justizvollzugsanstalten inhaftiert, davon 10.864 in Untersuchungshaft und 51.616 im Strafvollzug. In 4.278 Fällen beruhte der Strafvollzug auf einer uneinbringlichen Geldstrafe, die als Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt werden muss, was verdeutlicht, dass Menschen mit genügend finanziellem Spielraum immer noch eine Alternative zum Strafvollzug zur Verfügung steht. Es ist also die kapitalistische Gesellschaft, die forciert, dass Menschen durch verschiedenste legale und auch „illegale“ Möglichkeiten um ihre Existenz kämpfen müssen. Der Knast ist eine soziale Frage und dementsprechend sind die Menschen, die einsitzen, soziale Gefangene.

Das System

Die Justiz bestraft diejenigen, die gegen die herrschenden Verhältnisse verstoßen haben. Das kapitalistische Eigentumsverhältnis, das das tägliche Leben der Menschen zurichtet, ist die strukturelle Gewalt aller kapitalistischen Gesellschaften. Das Recht ist daher nicht neutral, es ist nicht die natürliche Manifestation des allgemeinen Interesses, sondern der Ausdruck dieser Eigentumsverhältnisse zu einem gegebenen Moment in der Geschichte.

Doch aus dem Einsperren Tausender und der Verschleierung sozialer Missstände kann zudem auch noch ein wirtschaftlicher Nutzen gezogen werden, wie z.B. aus der Billiglohnarbeit, wie sie auch hier in der Bremer JVA Oslebshausen praktiziert wird. Unter der Suggestion eines humanen Strafvollzuges verrichten die Gefangen für knapp 1,50€ pro Stunde Handwerksarbeiten. In den letzten Jahren ist es zudem zu einer Ausweitung der Privatisierung der Knäste gekommen, was den Strafvollzug zusätzlich immer mehr zu einem Wirtschaftsunternehmen transformiert.

Doch wird weiter versucht den Menschen zu vermitteln, der Knast helfe den Gefangenen sich zu rehabilitieren oder sich in die Gesellschaft zu reintegrieren. Die Mehrheit der Gefangenen sind jedoch Wiederholungstäter*Innen. Wenn sich die ehemaligen Gefangenen in Freiheit wiederfinden, werden sie als eben diese stigmatisiert. Auf sie warten die gleichen, wenn nicht gar erschwerte Bedingungen und Voraussetzungen um sich wieder ein vermeintlich selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Auch das sollte zeigen, dass Knast keine Lösung für soziale Probleme ist.

Die totale Unterwerfung in Form von permanentem Zwang und allgegenwärtiger Kontrolle erzeugen ein Ohnmachtsgefühl einhergehend mit dem Gefühl des hilflosen Ausgeliefert-Seins an die Gefängnisstrukturen. Dies führt dazu, dass ein Reflexionsprozess gar nicht erst stattfinden kann. Bewiesenermaßen werden in Gefängnissen Unterdrückungsmechanismen sogar noch gefördert. Wenn es darum geht, die geeignetsten Voraussetzungen für den Prozess der Selbstreflexion eines Individuums zu schaffen, so ist das Gefängnis mit Sicherheit der Faktor, der dies am ehesten behindert.

Die Perspektive

So lange die gesellschaftlichen Verhältnisse von Ausbeutung und Herrschaft nicht grundlegend verändert werden, hat die sofortige Schließung von gefängnisähnlichen Anstalten wenig Sinn. Es geht uns darum, auf die sozialen Verhältnisse aufmerksam zu machen und die Verhältnisse zu kritisieren, die Menschen dazu zwingen „kriminell“ zu werden. Es geht uns auch nicht um eine kompromisslose Solidarisierung mit allen Gefangenen, sehr wohl solidarisieren wir uns dennoch mit den Kämpfen um bessere Bedingungen innerhalb der Knäste!
Wir streben eine Gesellschaft jenseits von Kapitalismus und Herrschaft an. In der jeder Mensch nach den eigenen Bedürfnissen leben kann und in der es keinerlei Beschränkungen der globalen Bewegungsfreiheit gibt. Das Gefängnis ist hierbei nur eine von einer Vielzahl von Einrichtungen, welche dieses System am Laufen halten und dazu dient Menschen zu erziehen und zu kontrollieren.

FÜR EINE LINKSRADIKALE PERSPEKTIVE!

Antifaschistisches Komitee Bremen im Dezember 2011