Brief von Werner Braeuner vom 18.06.2011

A.S.: Eines Tages wurde dem Nichts langweilig. Da beschloß es, ei Etwas zu werden. Aus dem Etwas wurde ein Alles. So enstand die Welt.
(Schöpfungsgeschichte aus dem ältesten Buch der Weisheit, aus dem Herzen)

Sehnde, 18.6.2011 |

HS-Berichtsbrief 5

Salut, all Ihr KlassenkämpferInnen draußen!
Salut den GenossInnen der Berliner Soligruppe!

Einen Dank an die, die geschrieben haben, nach Ende dieser Schlacht kommt Antwort!

Ein Hoch auf die revolutionären Fraktionen des weltweiten Proletariats und auf jene, die sich diesen Fraktionen in den nastehenden Kämpfen noch anschließen werden – Planeta o muerte !

Wiegen am Freitag, 17.6., ergab 65,5 kg; Blutdruck 100:80; Puls 80; Urin- Schnelltest unauffällig. Die Geschwindigkeit der Gewichtsabnahme ist in der Wiegeperiode vom 10.6. (69,4 kg) auf den 17.6. (65,5 kg) mit 3,9 kg/Woche gegen die Erwartung gestiegen.

Berichtigung zu HS-Berichtsbrief 4: Anstatt Keraton hätte es richtig Keton heißen müssen, anstatt Schädeldrüsenaktivität richtig Schilddrüsenaktivität. Herr, wirf (Schädeldrüse vom Himmel 😉

Die Hungererschöpfung hat allgemein zugenommen; Kampfmoral und Psyche unverändert stabil. Der seit dem 6.6. nun lange wöchentägliche Zelleneinschluß von 12.30 Uhr bis zum nächsten Morgen um 6.05 Uhr ermattet zusätzlich. Die Mitgefangenen sind unverändert, allerdings zunehmend ruhiger geworden, was von Anspannung kündet. Bis auf jenen einen, der laut und euphorisch grell tönt. In anderen Stationen und Häusern gibt es da und dort Rumoren, ist zu erfahren. Widerstand findet Worte, mit solidarischem Unmut kommentieren einzelne repressives Vorgehen von Schließern gegen migrantische und insbesondere schwarze Mitgefangene. Der Großteil aller Gefangenen „deutscher“ Herkunft hat migrantische Eltern oder Großeltern, alteingesessen deutsche Gefangene sind in den Knästen lang schon Minderheit und Hauptreservoir für >Knasthuren<: zu gut dressiert, diese „Urdeutschen“, gelehrige Schüler der metropolen Waffenschmiede Deutschland.

Vorsicht, die Migranten kommen! Nein, sie sind schon da und beunruhigen den Untertanenfriedhof. Die Metropole erschüttern!

Ex nihilo plentitudines – aus dem Nichts Fülle !

Mit kameradschaftlich-kämpferisch-klassenBewußten revolutionären Gruß

Werner [Pfeil und Bogen]

P.S.: Es fehlt noch eine Berichtigung, die ich im HS-Berichtsbrief 4 übersehen habe bezüglich meines 3. Briefes >Gefangenen Info< 362, juni 2011, S.16, dort Absatz 5: Es geht da um die gemeinsame Jugend des Stern-Journalisten mit meinem damaligen Verteidiger im gerichtlichen Verfahren, RA Michael Brennecke. Hier der korrigierte Satz:

„Was da noch hinzuzufügen wäre, ist die Verbindung meines Verteidigers zum Stern-Journalisten Kuno Kruse (Stern 18/2002, >Hintergrundrauschen des Tötens<) durch deren gemeinsame Jugend in Verden; und Kuno Kruse ist wiederum Bruder von Gunther Kruse, dem gerichtspsychiatrischen Gutachter in meinem Verfahren; das alles ist, so finde ich, ein Lehrstück politischer Justitz!“

Diese Korrektur ist von Bedeutung, als der psychiatrische Gutachter offenkundig mit ins Boot gehörte. Durch die Drohung mit Psychiatrisierung und Zwangsmedikation mußte ich anläßlich der gutachterlichen Sitzungen peinlichst darauf achten, mich als im Grunde unpolitischen Affekttäter darzustellen, als „armen Verzweifelten“, der infolge seiner Arbeitslosigkeit versehentlich auf ein politisches Gleis geraten sei. Eben genau da liegt ja auch der Tenor des oben genannten Beitrags im Stern 18/2002! Und stellt die Wahrheit auf den Kopf: Als Revolutionär war ich nicht bereit, am kapitalistischen Konourrenzkampf aller gegen alle teilzunehmen, und betrachtete Arbeitslosigkeit als willkommenes Kampffeld! Ohne jede Drohung mit Psychiatriefolter, hätte ich über die Vorstellung, mich einem gerichtlichen Gutachter anzudienen, nur lachen können. Solche Typen verdienen zu gut, um sich revolutinär agitieren zu lassen, jenseits der Barrikade steht der Klassenfeind.

[Ende HS-Berichtsbrief 5]