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Denk- und Merkwürdiges zu Neupack

Nach einem siebentägigen Arbeitseinsatz (bis einschließlich Dienstag, 19.2.) in den Neupack-Werken streikten die KollegInnen wieder, als die IG BCE-Führung für den Donnerstag eine Mitglieder-Versammlung der Stellinger und Rotenburger Belegschaft einberief. Als sie danach wieder nach Hause gingen, richteten sie sich auf weitere Streik-Tage ein, jedoch erreichte sie am selben Abend noch die Botschaft vom Hauptvorstand aus Hannover, daß sie Freitag wieder zu arbeiten haben.

Die Maschinenführer spielen bei der Produktion eine entscheidende Rolle. Zwei von ihnen hatten die Gelegenheit genutzt und sich nach über dreieinhalb Monaten den Streikenden angeschlossen. Der Maschinenführer Iraklis Tsitouridis sagte: „Mir sind 500 Kilo von den Schultern gefallen! Ich bin froh, daß ich von nun an auch draußen bleiben werde“.
Da hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wie alle anderen wurde er von der IG BCE-Führung wieder an seinen Arbeitsort geschickt.
Was fühlt der Kollege Iraklis, nachdem er die 500 Kilo wieder auf die Schultern geladen bekommen hat? Nachdem sein Ausflug nach „draußen“ so kurz war? Im Streikinfo 39 schreibt die IG BCE: „Iraklis ist jetzt bei uns“. Ob er das wohl bleibt?
Die Verwirrung unter allen Streikenden wächst – ob der Weisheit der obersten Leitung.

Während des vorletzten Arbeitseinsatzes wurden in mehreren Abteilungen KollegInnen gemobbt, in Rotenburg und auch in Stellingen KollegInnen. Eine Kollegin aus Stellingen verließ ihren Arbeitsplatz und ging zum Arzt. Drei Kollegen in Rotenburg wurden abgemahnt (darunter der Betriebsrat Claus-Dieter Thiele). Der Flexi-Streik der IG BCE ist nichts für schwache Nerven! Aber die IG BCE appeliert an ihren Sozialpartner Krüger mit einer gar strengen Mahnung: „Im Interesse eines vernünftigen Umgangs von Streikenden und Streikbrechern wäre Augenmaß angesagt.“ (Streikinfo 40).

Wie hart der Kampf von den Krügers geführt wird, zeigt die Tatsache, daß ein Maschinenführer in Stellingen inzwischen die neunte (!) Kündigung erhalten hat! Der Betriebsratsvorsitzende Murat Günes hat bisher fünf oder sechs fristlose Kündigungen erhalten (Murat: „Ich zähle gar nicht mehr“.)

Die IG BCE begründet ihre Flexi-Streikstrategie, mit der sie der Familie Krüger immer wieder die fast leeren Lager auffüllt: „Wir wollen unberechenbar bleiben“. Sie zeige damit ihre Entschlossenheit, „sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen zu lassen“. Kritisch ist zu fragen, inwiefern sie für die Krügers unberechenbar ist, wenn sie die Streikenden für fünf oder sieben Arbeitstage ins Werk schickt.

Trocken wird in Streikinfo 40 über den vorletzten Arbeitseinsatz berichtet: „Außerdem mussten andere wichtige Arbeiten nachgeholt werden. Diese wurden in den Tagen des ausgesetzten Streiks erledigt.“ Wie wertet dies die Krüger-Familie? Als Unberechenbarkeit oder schließt sie die IG BCE-Führung in ihr abendliches Dankgebet mit ein?

Für die Streikenden jedenfalls ist die IG BCE-Führung unberechenbar.

In den Tagen nach Beginn des Streiks (1.11.12) hatte der örtliche Streikführer der IG BCE -und die Streikenden übernahmen diese Argumentation- gegenüber den Streikbrechern der Stammbelegschaft in der halbstündigen Warte- und Argumentationspause, die ihnen aufgezwungen wurde, entgegengehalten: Wenn ihr reingeht verlängert ihr nur den Streik! Und jetzt müssen sie auf Anweisung der hohen Streikleitung selber reingehen!

Die betriebliche Streikleitung hatte gefordert, daß ein wirklicher Flexi-Streik durchgeführt werde: An einem Tag rein und raus! Diese Art Flexi-Streik ist ein Unterschied ums Ganze und würde die Krügers wirklich durcheinander bringen und nicht stärken! Dieser Vorschlag wurde von Hannover abgelehnt!

Die IG BCE-Führung ist in einer Zwickmühle. Unter sich die kämpferische Belegschaft, die unablässig und beharrlich fordert: Wir wollen einen Tarifvertrag! Neben sich den DGB und die DGB-Gewerkschaften, die auf den Abschluß eines Tarifvertrages drängen und vor sich den unbotmäßigen Sozialpartner Krüger, der seine Rolle nicht spielen will und den die IG BCE-Führung anbellt aber nicht zubeißt. Und der deshalb ein freches und provozierenden Spiel mit der IG BCE-Führung treibt – auf Kosten der Belegschaft.

PS
Am späten Freitagnachmittag war der Hamburger Chor der GewerkschafterInnen da, mit 20 Sängern im kleinen Zelt. Aber es waren nur 20 ZuhörerInnen da. Davon nur fünf KollegInnen, die übrigen waren ja zur Lohnarbeit abgestellt und konnten sich daher die Streik- und Protestlieder nicht anhören. (DW)