achdem die sog. „vollzuglichen Maßnahmen“ der Justizvollzugsanstalt Torgau in den eineinhalb Jahren, die ich hier bislang verbringen musste, stets auf eine gerichtliche Kontrolle durch entspr. Anträge stellte und auch immer wieder Beschwerden über das Handeln der Anstalt bei dem Petitionsausschuss des Landtages erhob, wurde der Aufwand nun sehr hoch, sodass der Leiter der JVA-Torgau, Karl-Heinz Herden, gemeinsam mit seinen Abteilungsleitern Rainer Ritter, Anne Frit Eschler und Michael Rakelmann außergewöhnliche Maßnahmen dagegen ergriff:
Unter dem 17. Oktober 2012 verfügte die Anstalt, ich sei von der ursprünglichen Zelle in einen anderen Bereich innerhalb der Anstalt in eine andere Zelle zu verlegen, damit „die allumfassende Bearbeitung der Anliegen des Gefangenen gewährleistet (werden kann)“. Ich sollte durch die Verlegung dem Abteilungsleiter Ritter in seinem Bereich C4 unterstellt werden, damit dieser sich um die sog. „Anliegen“ kümmern könne. Die Abteilungsleiterin Eschler deutete in der Verfügung an, „eine adäquate Betreuung des Gefangenen kann momentan nicht gewährleitet werden“.
Ich wollte aber nich in eine andere Zelle, die sogar nur 2 Meter entfernt ist, umziehen nur, weil die berechtigten Beschwerden gegen das Treiben der Anstalt von einem anderen Vollzugsmitarbeiter bearbeitet werden. Klar, wollen sie bereits damit ein Aufbrechen des Flusses der zahlreichen Eingaben an die zuständigen Stellen bewirken.
Als ich mich weigerte, in den Bereich C4 umzuziehen, wurde die Ankündigung wahr gemacht, mich auf die Sicherheitsstation der JVA Torgau zu verschleppen, wo Gefangene vom Rest des Hafthauses einer Art Isolation unterworfen sind, weil keinerlei Kontakt zu Mithäftlingen außerhalb der Sicherheitsstation ermöglicht wird und besondere Regeln herrschen, wie z. B. Duschen nur 2x pro Woche (es sei denn ein Beamter ist gnädig und lässt einen doch noch öfter gehen, was zu Machtspielchen führen kann), Abbruch von Arbeit und Berufsausbildung, Entzug eigener Kleidung, usw.
Zwar bat ich um einen Aufschub, um die Verschleppung auf die Isolierstation einer gerichtlichen Überprüfung im einstweiligen Rechtsschutz zu unterziehen, was die Anstalt regelmäßig dazu bewegen müsste, belastende Maßnahmen nach Möglichkeit erstmal bis zu einer vorläufigen Entscheidung auszusetzen. Aber das interessiert die hier nicht. So wurde ich unter Anwendung unmittelbaren Zwangs, d. h. unter Anlegen von Handfesseln von vier Beamten auf die Sicherheitsstation der JVA Torgau getragen.
Die Anstalt nennt das „Einschränkung der gemeinschaftlichen Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit, weil es die Sicherheit und Ordnung der Anstalt erfordert“. Ein Mittel, wovon sie oft und gern Gebrauch macht, da es einfach ist, mal eben jemanden mit dieser Floskel vom Rest der Gefangenenpopulation im Haus zu trennen.
Besonders hart ist der „Abbruch der Ausbildung im Bereich IHK-Fachlagerist als Folge der Verlegung in diesen (Sicherheits-) Bereich“. Nach der Weigerung, die eigene Kleidung abzugeben und gegen Haftklamotten einzutauschen, „weil das hier so festgelegt ist“, kam heute eine Horde Bullen in den Duschraum und nahmen mir dort meine verbliebenen eigenen Kleider weg, um mich der demütigenden Maßnahme doch noch zu unterwerfen.
Was habe ich denn angestellt, wird so mancher fragen: nun, ich habe durch rein passive Weigerung gegen die sog. Gehorsamspflicht verstoßen, wie dies im Leben in Freiheit völlig legitim ist bei z. B. Sitzblockaden gegen Naziaufmärsche. Jedoch herrscht im Knast der Unterschied, dass mensch einer „Behandlung“ unterworfen wird, wenn der Forderung irgendwelcher Anweiser nicht freiwillig und mit eigener Kraft nachgekommen wird.
Vor Verschleppung auf die Sicherheitsstation war ich in der von Gefangenen gewählten Gefangenenmitverantwortung aktiv, die sich um die gemeinsamen Interessen der Gefangenen im Knast kümmert. Ich nahm seit über einem Jahr an einer Berufsausbildung teil, konnte mich bis vor vier Tagen noch täglich mit meinen Mithäftlingen über Vorgänge im Hafthaus austauschen.
Warum geht die Anstalt so hart gegen engagierte Gefangene vor? Dies lässt sich anhand einiger Beispiele verdeutlichen: or etwas über einem Jahr ordnete das Justizministerium an, dass „zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung in den Justizvollzugsanstalten Sachsens“ nunmehr Gefangene auch vor jedem Besuch körperlich zu entkleiden und so zu durchsuchen sind und die Nutzung einer Toilette während der Besuchszeit verboten ist. Bereits hier konnte die Durchführung dieser besonders einschränkenden „Behandlung der Gefangenen“ im Eilverfahren gerichtlich außer Vollzug gesetzt werden. Erfolge zu Gunsten aller Gefangenen wurden auch durch eine Erhöhung der Ausbildungshilfe erreicht. Die Anstalt hat über Jahre hinweg den Gefangenen ein zu geringes Entgelt für Ausbildungsteilnahme gezahlt. Erst kürzlich haben wir mit einer Entscheidung gegen die Anstalt obsiegt, wonach sie zumindest einem Gefangenen, von dem ich weiß, dass er sich zur Wehr setzt, ihm die zuwenig bezahlte Ausbildungsbeihilfe nachträglich noch zahlen muss. Bereits der Anstaltsleiter versuchte mich von einer Wahl zur Gefangenenmitverantwortung auszuschließen, wogegen ich mich erfolgreich gewährt hatte und es doch noch zur Wahl kam.
Bereits nach einer früheren Disziplinarstrafe gegen mich wegen Beleidigung während einer nächtlichen Razzia, die über mehrere Stunden lief, wo ich rief „Haut endlich ab, ihr blöden Bullenschweine!“, wurde ich auf diese Sicherheitsstation verlegt – allerdings auf eine Woche begrenzt. Schon zu diesem Zeitpunkt beschwerte ich mich im Interesse aller hier unten Eingesperrten wegen der demütigenden Regelung, eigene Kleidung dürfe nicht getragen werden. Diese und andere Kritiken, die ich massiv bei verschiedenen Stellen vortrage, um eine Verbesserung der Zustände im Knast zu bewirken, sind der JVA Torgau natürlich ein Dorn im Auge, weshalb sie alles daran setzt, dies zu unterbinden.
Wie geht es weiter? Wichtig ist zunächst einmal, aus der prekären Lage wieder heraus zu kommen. Bei einem Gericht wurde einstweiliger Rechtsschutz beantragt. Bestenfalls erkennt diesed die Rechtswidrigkeit der Verschleppung auf die Sicherheitsstation und ordnet die Rückgängigmachung an. Dies kann wenige Tage, aber auch einige Wochen dauern.
In solchen akuten Situationen ist für Gefangene Solidarität von draußen besonders wichtig. Natürlich können Leute in Freiheit unmittelbar nur wenig ausüben. Was die Anstalt nach meiner Erfahrung braucht, ist massiver öffentlicher Druck. Die Geschehnisse müssen nicht nur von mir selbst, sondern auch von den Leuten draußen skandalisiert werden. Dies kann geschehen durch Telefonanrufe, bei denen mitgeteilt wird, was von deren Maßnahmen zu halten ist, oder E-Mail oder Fax. Je mehr draußen von den Zuständen und Vorgängen im Knast erfahren, desto mehr muss die Anstalt Kritik fürchten. Wer möchte, erzählt also allen seinen Freunden über das, was über Knast zu erzählen ist: Demütigung, Erniedrigung, Ausübung von Macht, Fremdkontrolle, Sanktionen/Strafen u.v.m.
Tommy Tank, Am Fort Zinna 7, 04860 Torgau – 4. Tag auf Isolierstation, 26. Oktober 2012