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Dresden: Gefängnisstrafe für angebliche Megafondurchsagen

Am heutigen Mittwoch wurde ein Berliner Antifaschist zu einem Jahr und 10 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Der 36jährige soll nach Einschätzung des Dresdner Amtsgerichts am 19. Februar 2011 mit einem Megafon eine Menschenmenge aufgewiegelt und zum Durchbrechen einer Polizeisperre aufgefordert haben.

Der für das Verfahren zuständige Richter Hans-Joachim Hlavka war mit dem Urteil unter der Forderung der Staatsanwaltschaft geblieben, die für den Angeklagten in ihrem Schlussplädoyer wegen Körperverletzung, besonders schwerem Landfriedensbruch und Beleidigung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gefordert hatte. Bei dem Durchbruch im Vorfeld der erfolgreichen Massenblockaden von tausenden Menschen gegen mehrere von Nazis geplante Aufmärsche waren vier Einsatzkräfte verletzt worden.

Während der vier Verhandlungstage konnte die Staatsanwaltschaft Dresden weder eine allgemeine Tatbeteiligung noch konkrete Taten des Angeklagten nachweisen. Bereits am ersten Verhandlungstag hatte der Hauptbelastungszeuge den Angeklagten nicht als die Person identifizieren können, die mit einem Megafon die Menge zu einem Durchbruch aufgerufen haben soll. Auch vier der am Einsatz beteiligten Polizisten konnten vor Gericht keine Angaben zum Täter machen. Als am dritten Verhandlungstag der Arbeitgeber des Mannes in den Zeugenstand musste, versuchte der Richter immer wieder, dessen Parteizugehörigkeit mit dem Durchbruch in Verbindung zu bringen. Dies sorgte schließlich dafür, dass sich der ursprünglich als Zeuge vorgeladene Arbeitgeber von der Partei Die Linke politisch verteidigen musste. Ein weiteres im Prozess verwendetes Beweismittel war ein Polizeivideo. Auf diesem war der Durchbruch einer Menschenmenge durch eine Polizeikette an der Bamberger Straße Ecke Bernhardstraße in der Dresdner Südvorstadt zu sehen. In dem Video waren etliche gescheiterte Versuche zu sehen gewesen, die durch eine Polizeieinheit aus Nordrhein-Westfalen abgesperrte Straßenkreuzung zu durchbrechen. Direkt im Anschluss an einen erfolgreichen Durchbruch zeigten die Aufnahmen sogar zwei Personen, die mit dem Megafon die Ansage “Kommt nach vorne!” gerufen haben sollen. Dennoch konnte diese Sequenz wenig zur Aufklärung beitragen, da die Gesichter der beiden Personen auf dem Video nicht zu erkennen gewesen waren.

Dem Staatsanwalt und dem Gericht reichte die Vermutung, dass es sich hierbei um den durch seine Körpergröße und andere Indizien ihrer Ansicht nach hinreichend identifizierten Angeklagten gehandelt habe jedoch aus. Obwohl dem nicht vorbestraften Familienvater selbst keine einzige Straftat vorgeworfen werden konnte, konstruierte die Staatsanwaltschaft eine Rädelsführerschaft auf Grund der auch auf dem Video durch die Polizei festgehaltenen Durchsage und machte ihn gleichzeitig für alle am Ort des Geschehens stattgefundenen Straftaten verantwortlich. In seinem mündlichen Urteilsspruch stellte der Vorsitzende des Schöffengerichts abschließend noch einmal klar, dass die Dresdner Bevölkerung solche Krawalltouristen satt habe und verurteilte den Angestellten der Bundesgeschäftsstelle der Linken trotz einer positiven Sozialprognose zu einer knapp zweijährigen Haftstrafe. Der Richter kritisierte in seinem Urteil den Angeklagten nicht nur dafür, sich während des Prozesses nicht entschuldigt zu haben, sondern zeigte sich empört darüber, dass dieser trotz des Urteils gegen die massenhafte Funkzellenabfrage am 19. Februar Rechtsmittel eingelegt hatte.

Sein Berliner Rechtsanwalt Sven Richwin bezeichnete das Urteil gegenüber der taz im Hinblick auf die bevorstehenden Proteste am 13. Februar in diesem Jahr als Exempel mit abschreckender Wirkung. Zugleich kündigte er an, gegen das noch nicht rechtskräftig gewordene Urteil in Berufung zu gehen. “Wir hatten unsere Hoffnungen ohnehin nicht in die erste Instanz gesetzt“, so der Verteidiger in seinem Fazit nach dem harten Urteil.

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