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Ehe­ma­lige verdeckte Ermit­t­lerin in Ham­burger linker Szene ent­tarnt

Geschrieben von http://?verdeck?teer?mit?tler?.blogsport?.eu Haup­tkat­e­gorie: Debatte    Kat­e­gorie: Beiträge    Veröf­fentlicht: 11. Novem­ber 2014  Zugriffe: 217
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Veroef­fentlichung zur verdeck­ten Ermit­t­lerin Iris Plate

Ein­leitung

Mit diesem Text soll über die Aktiv­itäten der verdeck­ten Ermittler*in des Lan­deskrim­i­nalamtes (LKA) Iris Plate informiert wer­den. Sie war unter dem Deck­na­men „Iris Schnei­der“ von 2000 bis 2006 in der Ham­burger linken Szene aktiv. Anlass für diesen Text ist ein zufäl­liges Zusam­men­tr­e­f­fen mit Iris Plate 2013, bei dem sie sich selbst als Beamtin des Ham­burger LKA, Abteilung Präven­tion islamis­cher Extrem­is­mus, Pro­jekt Präven­tion Smart Approach, offiziell vorgestellt hat.

Iris Plate wohnt unter ihrem Namen im Stein­hagen­weg 33 (Klin­gelschild „Plate/?[…]“) in 22143 Ham­burg. Bis vor zwei Jahren hatte sie ihren Wohnort in Klein-?Borstel.

Siehe auch die Kom­mentare unter: https://?linksun?ten?.indy?media?.org/?n?o?d?e?/?1?2?6?5?3?2

Im Fol­gen­den sollen chro­nol­o­gisch ihre Aktiv­itäten als Verdeckte Ermittler*in dargestellt wer­den, wie sie uns bekannt sind. Die Beson­der­heit an diesem Fall ist, dass sie bere­its während ihrer aktiven Zeit verdächtigt wurde, eine verdeckte Ermittler*in zu sein. Dieser Ver­dacht wurde jedoch als nicht beleg­bar fallen gelassen. Aus diesem Grund wer­den die Ereignisse, vor allem in Bezug auf die Verdäch­ti­gung im Fol­gen­den aus zwei Per­spek­tiven dargestellt und reflek­tiert:
Ein­mal aus der Per­spek­tive der sie damals Verdächti­gen­den (Text: Reflek­tion aus Sicht der Verdächti­gen­den) und ein­mal aus der Per­spek­tive der sie damals Unter­stützen­den (Text: Innenperspektive).

Wir wer­den anschließend auf den Umgang mit Verdäch­ti­gun­gen im All­ge­meinen und kurz juris­tis­che Aspekte beleuchten. Weit­er­hin wer­den wir darauf einge­hen, inwieweit diese „geheim­di­en­stlichen“ Aktiv­itäten über unglaubliche 6 Jahre selbst den rechtsstaatlichen Rah­men ver­lassen (Text: Verdeckte Ermittler*innen der Polizei Hamburg).

Wir bemühen uns um begrif­fliche Genauigkeit und ver­wen­den bewusst NICHT den Aus­druck “Spitzel”, welcher in der All­t­agssprache häu­fig unge­nau benutzt wird: Wir tren­nen zwis­chen 1. Verdeck­ten Ermittler*innen; 2. V-Leuten/Informant*innen und 3. Zivilpolizist*innen (“Zivis”), mehr dazu findet ihr in den rechtlichen Grundlagen.

Und zu Beginn noch einige Anmerkun­gen zu unserer Veröf­fentlichung der Recherche-?Ergebnisse:

Die Recherche zu Iris Plate diente zunächst der Ver­i­fizierung unserer Annahme, dass es sich bei ihr um die Per­son han­delt, die uns als Iris Schnei­der bekannt war. Wir weisen im Ver­lauf der Texte mehrmals auf die Schwierigkeit hin, verdeckte Ermittler*innen durch Recherche zu ent­tar­nen. Damit durch die Veröf­fentlichung unserer Ergeb­nisse nicht der gegen­teilige Ein­druck entsteht, ist es uns wichtig anzumerken, dass es wesentlich ein­facher ist, mit Ken­nt­nis eines echten Namens Infor­ma­tio­nen über eine entsprechende real existierende Per­son zu sam­meln. Wir mussten lediglich den Namen mit einem Gesicht verbinden und abgle­ichen. Hier­für nutzten wir den Wohnort. Außer­dem mussten wir sicher gehen, dass dieselbe Iris Plate tat­säch­lich als Polizistin bzw. LKA-?Beamtin arbeitet. Diese trotz­dem immer noch zeitaufwändige Recherche ist im Ver­gle­ich zu der Ent­tar­nung einer Tarn-?Identität ohne Anknüp­fungspunkte an einen „echten“ Namen wesentlich einfacher.

Nach einem län­geren Diskus­sion­sprozess haben wir uns dafür entsch­ieden, alle uns bekan­nten Infor­ma­tio­nen über die LKA-?Beamtin Iris Plate öffentlich zu machen. Unter dem Schutz ihrer Tarn-?Identität hat sie uns und eine Vielzahl poli­tis­cher Struk­turen und Einzelper­so­nen im staatlichen Auf­trag aus­ge­forscht. Sie hat uns bel­o­gen und bet­ro­gen, Fre­und­schaften und Beziehun­gen geführt und so auch intim­ste Ein­blicke in unsere Leben und unsere Befind­lichkeiten gewon­nen, uns in Stasi­manier bis ins Pri­vat­este hinein überwacht. Dieser miesen Form staatlicher Überwachung, die sicher kein Einzelfall ist, set­zten wir durch diese Veröf­fentlichung Trans­parenz ent­ge­gen. Sowohl durch die Veröf­fentlichung der gesamten Geschichte, als auch durch die Veröf­fentlichung ihrer Per­son. Wer diesen Job macht, hat unserer Ansicht nach, seinen eige­nen Anspruch auf Anonymität und den Schutz seiner Pri­vat­sphäre ver­loren. Wir wollen, dass die Ver­ant­wortlichen merken, dass es nicht ein­fach möglich ist, jahre­lang als verdeckte Ermittler*innen zu arbeiten und dann ein­fach abzu­tauchen und ein nor­males Leben zu führen. Dieses Han­deln hat Kon­se­quen­zen, auch noch nach zehn Jahren. Außer­dem wollen wir dem aktuellen sozialen Umfeld von Iris Plate die Möglichkeit ein­räu­men, selbst darüber zu entschei­den, ob sie mit einer ehe­ma­li­gen verdeck­ten Ermittler*in Kon­takt haben wollen.

Chronolo­gie

Die Chronolo­gie ist nach bestem Wis­sen erstellt, auf­grund des lange zurück­liegen­den Zeitraums sind evtl. nicht alle Tat­sachen aufge­führt. Iris war über eine lange Zeit in vie­len Struk­turen und Umfeldern poli­tisch und pri­vat unter­wegs und nicht alles, was sie gemacht hat, ist lück­en­los zu rekonstruieren.

Ab dem Jahr 2000 fand in der Flora das „Cafe Nie­mand­s­land“ regelmäßig statt, es sollte offen für neue Leute sein, um diesen den Zugang zur Flora und in die Struk­turen zu erle­ichtern. Iris Plate tauchte dort regelmäßig auf und nutzte die Gele­gen­heit, mit den Cafebetreiber*innen in Kon­takt zu kom­men und mit diesen gemein­sam Ver­anstal­tun­gen zu besuchen. Iris Plate stellte sich als „Iris Schnei­der“ vor, Jahrgang 1979, die im Jahr 2000 aus Han­nover nach Ham­burg gezo­gen war. Sie gab an, auf­grund von Dif­feren­zen bezüglich ihrer sex­uellen Ori­en­tierung keinen oder wenig Kon­takt mit ihrer Mut­ter zu haben, von einem Vater war nie die Rede. In Han­nover wäre sie nicht poli­tisch aktiv gewe­sen, Kon­takte hätte sie auch keine engeren mehr dor­thin. Hier in Ham­burg gab sie vor, in der Ver­wal­tung von „Gale­ria Kaufhof“ zu arbeiten.

Nach kurzer Zeit fing sie an, das „Cafe Nie­mand­s­land“ mit zu betreiben und über­nahm immer mehr Ver­ant­wor­tung. Bald ging sie als Delegierte des Cafés mit auf das Haus­plenum der Roten Flora, um dort nach und nach zu einer regelmäßi­gen und aktiven Teilnehmer*in zu werden.

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Sie war bei vie­len Aktiv­itäten der linken Szene mit dabei, wie z.B. Demon­stra­tio­nen, Beset­zun­gen, Infor­ma­tions– und Kulturveranstaltungen.

Sie engagierte sich außer­dem in einer Radi­ogruppe im FSK (Freies Sender Kom­bi­nat), hatte Kon­takte in das Inter­na­tionale Zen­trum B5, nahm am Plenum des LIZ (Lib­ertäres Zen­trum im Karovier­tel) teil, half mit, den damals noch als Print­ver­sion erscheinen­den “Bewe­gungsmelder” zu drucken, beteiligte sich am Ladyfest Ham­burg und war in einer Polit­gruppe aktiv.
Sie war aber nicht nur poli­tisch aktiv, sie trainierte in einer queeren Kickbox-?Gruppe, war regelmäßig in Kneipen und auf Par­ties anzutr­e­f­fen, baute sich einen Fre­un­deskreis auf und führte unter ihrer Tarn-?Identät sogar Liebesbeziehungen.

Sie war durch ihre vielfälti­gen Aktiv­itäten umfassend informiert, sowohl über laufende szeneöf­fentliche Diskus­sio­nen als auch Vor­bere­itun­gen nicht öffentlich geplanter Aktio­nen. So kon­nte sie dem Staat tiefge­hende Ein­blicke in poli­tis­che und soziale Struk­turen und Dynamiken der linksradikalen Ham­burger Szene liefern.

Im Jahr 2002 wurde sie bere­its verdächtigt, eine Verdeckte Ermittler*in zu sein, der Vor­wurf wurde jedoch nicht öffentlich geäußert. Erst im Zuge der anste­hen­den Räu­mung des Wagen­platzes Wen­de­becken in Hamburg-?Barmbek 2004 wurde sie mit dem Ver­dacht kon­fron­tiert. Auf­grund dieser Geschehnisse zog sie sich etwas aus dem poli­tis­chen All­t­ags­geschehen zurück und –so gab sie zumin­d­est vor– ver­ließ deswe­gen Ham­burg im April 2006, um für ein Jahr „in die USA zu fliegen“. Kurz vor Beendi­gung „ihrer Reise“ dis­tanzierte sie sich per E-?Mail auf die Frage, wann sie denn wieder zurück­käme, sehr schroff von den Freund*innen und behauptete, dass es ihr in den USA viel besser ginge. Sie brach alle Kon­takte ab, wurde allerd­ings in den fol­gen­den Jahren noch einige Male in Ham­burg in der U-?Bahn oder an anderen öffentlichen Orten, z.B. auf queeren Ver­anstal­tun­gen, getrof­fen. Bei diesen Begeg­nun­gen ignori­erte sie die jew­eili­gen Per­so­nen meist völ­lig und ver­suchte sich möglichst schnell der Sit­u­a­tion zu entziehen. Es gab Einzelne, denen dieses Ver­hal­ten verdächtig vorkam, daraus ent­stand aber keine Auseinan­der­set­zung mit dem dama­li­gen Ver­dacht. Als sie zuletzt angetrof­fen wurde, hatte sie kurze, hell­blonde Haare.

Reflek­tion aus Sicht der Verdächtigenden

Wir sind ein Teil der Leute, die Iris Plate bere­its 2002 verdächtigten, eine Verdeckte Ermittler*in zu sein. Wir wer­den in diesem Abschnitt unseren dama­li­gen Ver­dacht und unseren Umgang damit kri­tisch beleuchten, indem wir die Ereignisse chro­nol­o­gisch darstellen und reflektieren.

Ironie des Schick­sals, dass wir aus der heuti­gen Per­spek­tive mit unserem Ver­dacht „Recht“ hat­ten. Das ändert jedoch nichts an den vie­len Fehlern, die wir im Umgang mit unserer Verdäch­ti­gung gemacht haben.

Zum Hin­ter­grund

Die Geschehnisse um die Verdäch­ti­gung spiel­ten sich von 2002 bis 2004 in Ham­burg ab. Die poli­tis­che Sit­u­a­tion war zu dieser Zeit geprägt durch die recht­spop­ulis­tis­che CDU-?Schill-?FDP– Regierung in Ham­burg, die ein­herg­ing mit einer Aufrüs­tung der Polizei, mas­siven Spar­maß­nah­men im sozialen Bere­ich, Schließung von Frauen­häusern und der Dro­gen­hil­feein­rich­tung „Fixstern“, Angrif­fen auf linke und alter­na­tive Pro­jekte, wie die Räu­mung von Bauwa­gen­plätzen und speziell der „Bam­bule“. Ander­er­seits formierten sich in der Stadt Proteste gegen die Regierung und ihre Poli­tik, die auch weit über die radikale Linke hin­aus zum Tra­gen kamen. Hier­durch gab es in weiten Teilen der linken poli­tis­chen Szene Euphorie, eine Auf­bruchsstim­mung und das Gefühl, „Es geht wieder was“. Die Parole „Regierung stürzen“ schien vie­len ein real­is­tis­ches poli­tis­ches Ziel.

Alle zu Beginn am Ver­dacht beteiligten Per­so­nen waren in rel­a­tiv lock­eren Zusam­men­hän­gen organ­isiert. Es gab zu dieser Zeit in unserem Umfeld kaum feste Grup­pen­struk­turen. Alle Beteiligten waren seit etlichen Jahren in der Szene aktiv, waren Teil der Sub­kul­tur und hat­ten sich bere­its län­gere Zeit in ver­schieden­sten Struk­turen bewegt. Mit dieser Aus­sage wollen wir zeigen, dass wir keine so genan­nten „Anfänger*innenfehler“ gemacht haben, son­dern obwohl (bzw. sogar weil) wir bere­its lange ver­traut mit den Struk­turen waren, die hier später dargestell­ten Fehler gemacht haben.

Beginn der Verdächtigung

Die Geschichte der Verdäch­ti­gung begann in einer WG-?Küche, in der eine Per­son drei Freund*innen den Ver­dacht bezüglich Iris mit­teilte. Sie kan­nte Iris flüchtig, hatte sie zu eini­gen Ver­anstal­tun­gen mitgenom­men, später aber kaum noch Kon­takt zu ihr. Grund­lage des Mis­strauens waren ver­schiedene, für sich alleine gese­hen unin­ter­es­sante Punkte, die ihr in ihrer Gesamtheit aber Sorge bereiteten.

Die Ver­dachtsmo­mente waren:

–Iris wohnte alleine in einem anony­men Wohn­block an der Bundesstraße/?Ecke Rentzel­straße, ihre Woh­nung war sehr spar­tanisch und unper­sön­lich eingerichtet.

–Sie behauptete, bei „Gale­ria Kaufhof“ im Büro zu arbeiten, in einer Abteilung, in der sie nicht besucht wer­den könnte.

–Für einen Sze­nee­in­stieg war sie mit Mitte 20 schon rel­a­tiv alt.

–Sie war kom­plett geschicht­s­los. So habe sie ange­blich auf­grund einer schwieri­gen Biografie sowohl den Kon­takt zu ihren Eltern, als auch zu ihrem früheren Umfeld abge­brochen, auch sei sie früher nicht poli­tisch aktiv gewesen.

–Sie zeigte sich inter­essiert und stellte viele Fra­gen, beson­ders zu flo­rain­ter­nen Strukturen.

–Sie war immer hil­fs­bereit und über­all unter­wegs, über­nahm Auf­gaben und war schnell Teil von Struk­turen (Drucken des Bewe­gungsmelders, Cafe Niemandsland).

Es gibt etliche Men­schen in der Szene, auf die diese Punkte ganz oder in Teilen zutr­e­f­fen. Dies bedeutet deswe­gen jedoch nicht, dass sie verdeckte Ermittler*innen sind. Für uns waren diese Punkte damals aber in der Summe der Anlass, einen Ver­dacht zu äußern. Es muss betont wer­den, dass nicht per­sön­liche Antipathie der Grund für die Äußerung des Ver­dachts war. Der innere Kon­flikt der verdächti­gen­den Per­son bestand darin, ein­er­seits Iris als hil­fs­bereit und sym­pa­thisch zu erleben und ander­er­seits ihr jedoch auf­grund der oben genan­nten Punkte zu misstrauen.

Das Aussprechen der Verdäch­ti­gung gegenüber Freund*innen in einem unklaren pri­vaten Rah­men war bere­its der erste Fehler. Es ging nicht konkret darum, einen Umgang zu finden son­dern eher um die per­sön­liche Ent­las­tung der verdächti­gen­den Per­son, die alleine nicht wusste, wie sie damit umge­hen sollte. Nie­mand der Anwe­senden sah daraufhin die Notwendigkeit, konkret etwas zu unternehmen. Auch hat­ten die über den Ver­dacht informierten Per­so­nen nie die Chance abzublocken, zu sagen: „Ich will dieses Wis­sen gar nicht teilen“.

Die Schwierigkeit liegt darin, dass ihnen ein­fach nur von dem Ver­dacht erzählt wurde, ohne dass in diesem Gespräch Hand­lung­sop­tio­nen ent­standen sind. Die Gefahr, dass diese Per­so­nen sich auf die gle­iche Weise ent­las­ten und wiederum andere mit ins Ver­trauen ziehen, war groß und dies ist in unserem Zusam­men­hang mehrfach geschehen.

Grün­dung der Recherchegruppe

Um Unter­stützungsak­tio­nen für den von der Räu­mung bedro­hten Wagen­platz „Bam­bule“ zu pla­nen, trafen sich mehrere Men­schen zur Grün­dung einer Aktion­s­gruppe. Nicht alle Anwe­senden auf diesem Tre­f­fen kan­nten sich gut. Es gab zwar ein Gefühl, sich zu ken­nen, aber es wurde ver­säumt, sich kurz genauer über die einzel­nen Bezüge zueinan­der und die einzel­nen Biogra­phien auszutauschen.

Bei diesem ersten Unterstützer*innentreffen waren sowohl eine Per­son, die bei der Ver­dacht­säußerung in der Küche dabei war, als auch Iris anwe­send. Die um den Ver­dacht wis­sende Per­son fühlte sich verpflichtet, die Aktion­s­gruppe über diesen Ver­dacht zu informieren und tat dies auch nach dem Plenum.

Rück­blick­end wäre es besser gewe­sen, dass die Per­son nur ihre eng­sten Ver­trauten informiert und mit ihnen gemein­sam auf dem näch­sten Plenum the­ma­tisiert hätte, inwieweit sich die Gruppe genug kennt und ob aus­re­ichend Ver­trauen da ist. So hätte ein gegen­seit­iges gle­ich­berechtigtes Über­prüfen der jew­eili­gen Hin­ter­gründe stat­tfinden kön­nen, ohne dies lediglich von einer Einzelper­son zu fordern. Es hätte zwar nicht bewiesen wer­den kön­nen, dass Iris Polizeibeamt*in ist, jedoch wäre aufge­fallen, dass Iris die einzige Per­son ohne über­prüf­baren Lebenslauf war. Stattdessen grün­dete sich aus einem Teil der übri­gen Teilnehmer*innen eine Recherchegruppe, mit dem Ziel, den Ver­dacht zu beweisen oder zu entkräften.

Neben dem legit­i­men Wun­sch, unsere Struk­turen vor Bespitzelung und Repres­sion schützen zu wollen, hat sich immer wieder gezeigt, wie wirk­mächtig andere Fak­toren waren: Wir haben im Nach­hinein viel darüber gesprochen, dass es bei uns auch um die Befriedi­gung unbe­wusster Bedürfnisse wie z.B. Anerken­nung bekom­men, sich wichtig fühlen, Geheimnisse haben, han­delte und dass diese Bedürfnisse sich auf die Grup­pen­dy­namik des verdächti­gen­den Per­so­n­enkreises auswirkten.

Arbeit der Recherchegruppe

Die Arbeit der Recherchegruppe beschränkte sich auf rel­a­tiv hil­flose Ver­suche, mehr Infor­ma­tio­nen über Iris zu bekom­men. Es wur­den Einzelper­so­nen hinzuge­zo­gen, um mehr über Iris in Erfahrung zu brin­gen. Dadurch erweit­erte sich sowohl die Per­so­n­en­gruppe der um den Ver­dacht Wis­senden als auch die Recherchegruppe. Darüber hin­aus suchten wir im „Archiv der sozialen Bewe­gun­gen“ und im Info­laden „Schwarz­markt“ alte Veröf­fentlichun­gen zu verdeck­ten Ermittler*innen. Zum dama­li­gen Zeit­punkt fan­den wir keine Fälle, die nicht durch Zufall aufge­flo­gen sind. Nicht bedacht haben wir, dass Zufälle bei Ent­tar­nun­gen auch behauptet wer­den kön­nen, um nicht Meth­o­den oder Infor­ma­tion­squellen zu benen­nen. Des Weit­eren fan­den wir keine Aufar­beitun­gen von falschen Verdächtigungen.

Wir haben Iris zu Hause besucht, um uns unter einem Vor­wand ihren Per­son­alausweis zeigen zu lassen. Dieser war auf den Namen Iris Schnei­der, ihre Tarniden­tität, aus­gestellt. Während des Besuchs ent­zog sie sich Gesprächen über ihre Ver­gan­gen­heit. Für die Men­schen, die diesen Besuch durch­führten, war es extrem unan­genehm, da sie das Gefühl hat­ten, Iris zu belü­gen und zu hin­terge­hen. Daran verdeut­licht sich das moralis­che Dilemma einer Recherchegruppe.

Was wir nicht getan haben, war zu über­prüfen, ob sie wirk­lich bei der „Gale­ria Kaufhof“ arbeitet, d.h wir haben nicht ver­sucht, sie auf ihrer ange­blichen Arbeitsstelle anzutr­e­f­fen oder zu schauen, ob sie da mor­gens erscheint. Fak­tisch ist das Überwachen einer Per­son außeror­dentlich ressourcenin­ten­siv, zeitlich und per­son­ell. Wir waren damit überfordert.

Auf­grund der nicht vorhan­de­nen Rechercheergeb­nisse haben wir uns rel­a­tiv schnell vorgenom­men, Iris mit unserem Ver­dacht zu kon­fron­tieren. Wir haben eine Reihe von Fra­gen zusam­mengestellt, die Iris beant­worten sollte. So soll­ten unter­schiedliche Lebenssta­tio­nen nachvol­lziehbar gemacht wer­den, wie etwa Eltern, Schule und Aus­bil­dungsstätte. Par­al­lel dazu woll­ten wir Ein­sicht in per­sön­liche Doku­mente wie Kon­toauszüge oder Mietver­trag erhal­ten. Auch wenn wir es uns damals nicht einge­s­tanden haben, scheit­erte die Durch­führung der Kon­fronta­tion an den Hem­mungen und Unsicher­heiten eines Großteils der Gruppe. Ein­er­seits war uns nicht klar, ob wir mit den Fra­gen an Iris über­haupt ein klares Ergeb­nis hät­ten erzie­len kön­nen. Ander­er­seits hat­ten wir Angst, vor Iris einzugeste­hen, dass wir sie über einen län­geren Zeitraum verdächtigt, ihr hin­ter­her spi­oniert und somit einen mas­siven Ver­trauens­bruch began­gen hatten.

Wir fürchteten uns vor den möglichen Konsequenzen!

De facto löste sich die Recherchegruppe nach mehreren aufgeschobe­nen Kon­fronta­tion­ster­mi­nen unaus­ge­sprochen ergeb­nis­los auf. Trotz der Ver­suche einzel­ner, sie wieder zu beleben, fan­den keine Tre­f­fen mehr statt.

Zwei Jahre später: 2004 auf dem „Wendebecken“

Iris war weit­er­hin in der Szene aktiv, unsere per­sön­lichen Über­schnei­dun­gen mit ihr waren jedoch eher sub­kul­tureller und nicht poli­tis­cher Art. Nach fast zwei Jahren tauchte sie wieder in einem uns nahen poli­tis­chen Kon­text auf: einem Plenum zur Ver­hin­derung der Räu­mung des Bauwa­gen­platzes „Wen­de­becken“. Hier waren Einzelper­so­nen aus der ehe­ma­li­gen Recherchegruppe anwe­send. Sofort war der Ver­dacht bei diesen Per­so­nen wieder so präsent, dass Iris vor Plenums­be­ginn unter dem Vor­wand per­sön­licher Gründe des Platzes ver­wiesen wurde. Hieran verdeut­licht sich ein­er­seits, wie schw­er­wiegend und dauer­haft eine Verdäch­ti­gung wirkt, ander­er­seits die Wider­sprüch­lichkeit, dass wir es in Kauf genom­men haben, dass Iris weiter in der Ham­burger Szene aktiv war, jedoch selbst erst tätig wur­den, als wir unmit­tel­bar betrof­fen waren.

Kon­fronta­tion

Durch den Rauswurf zeigte sich Iris per­sön­lich schwer ver­letzt. Auf­grund dessen fühlten sich die beteiligten Per­so­nen unter Zugzwang, Iris mit dem Ver­dacht zu kon­fron­tieren. Zusät­zlich gab es moralis­che Bedenken, Iris län­gere Zeit in Unwis­senheit über die wahren Gründe des Rauswurfs zu hal­ten. So kam es zu einer Kon­fronta­tion, die durch zwei Per­so­nen an einem von Iris gewählten Ort stat­tfand. Dort wurde ihr jedoch nur mit­geteilt, dass es den Ver­dacht gegen sie gibt und daher jetzt gemein­sam zu ihr nach Hause gegan­gen wer­den würde. Ihre erste Reak­tion bestand in der Frage, ob die Verdäch­ti­gung aus der Flora käme, in welcher sie mit­tler­weile sehr aktiv war und auch Fre­und­schaften geschlossen hatte. Dies wurde deut­lich verneint. Auf dem Weg zu ihrer Woh­nung wurde Iris ein Tele­fonat zuge­s­tanden, um eine Ver­trauensper­son hinzuziehen zu kön­nen. Dort angekom­men gab sie bei der „Befra­gung“ an, keine Kon­toauszüge aufzube­wahren und auch andere Dinge wie z.B. eine Schüler*innenzeitung, eine Sporturkunde, einen Zeitungsar­tikel o.ä. in der/?dem sie auf­taucht, eben­falls nicht zu besitzen. Grund­sät­zlich hatte sie eine eher ver­weigernde Hal­tung gegenüber der Über­prü­fung ihrer Iden­tität. Sie gab dann jedoch die Tele­fon­num­mer ihrer ange­blichen Mut­ter her­aus. Nach Ver­lassen der Woh­nung wurde diese Num­mer angerufen, es meldete sich eine Frau unter dem angegebe­nen Namen. An diesem Punkt wurde das Tele­fonat beendet.

Die Kon­fronta­tion war für die Kon­fron­tieren­den geprägt von Scham und Schuldge­fühlen, da Iris offen­sichtlich schwer getrof­fen war. Zusät­zlich ent­stand in der Wahrnehmung der Kon­fron­tieren­den ein Kon­flikt zwis­chen Iris und ihrer inzwis­chen hinzugekomme­nen Ver­trauensper­son, die ihr riet, den Fragestel­lun­gen nachzukom­men. Die Unsicher­heit der Kon­fron­tieren­den wurde dadurch zusät­zlich ver­stärkt, so dass auch sie froh waren, als die Sit­u­a­tion „über­standen“ war.

In Folge der Kon­fronta­tion gab sich Iris enorm ver­letzt und wandte sich an ihr poli­tis­ches und per­sön­liches Umfeld aus der Flora. Auf einem fol­gen­den Plenum, das auf dem „Wen­de­becken“ stat­tfand, kam aus ihrem Umfeld die berechtigte Forderung, entweder Beweise vorzule­gen oder Iris zu reha­bil­i­tieren. Da wir keine Beweise hat­ten, haben wir sie mit einem Flyer „reha­bil­i­tiert“, in dem wir fest­stell­ten, dass sie keine verdeckte Ermittler*in gewe­sen sei und wir sie falsch verdächtigt hät­ten. Wobei Iris’ sehr emo­tionale Reak­tion sowie der Druck durch ihr Unterstützer*innenumfeld uns in der Annahme bestärkte, dass es sich um einen falschen Ver­dacht gehan­delt haben muss und wir einen großen Fehler began­gen hat­ten. In keiner der Veröf­fentlichun­gen wurde aus Schutz für ihre Per­son ihr Name genannt.

Aufar­beitung

Iris und ihr Umfeld ver­langten von uns, die ganze Geschichte Iris gegenüber offen­zule­gen und uns mit unserem falschen Ver­hal­ten auseinan­derzuset­zen. Ein großer Teil der Per­so­nen, die von dem Ver­dacht wussten, traf sich daraufhin mit Iris, um sich per­sön­lich zu entschuldigen und ihr zu erzählen, wie sie von diesem Ver­dacht erfahren hat­ten und worin ihre eigene Rolle darin bestand. Wir haben ihr so Struk­turen aufgezeigt und für sie die Dynamik unserer Verdäch­ti­gung offengelegt.

Par­al­lel began­nen wir uns regelmäßig zu tre­f­fen, um das Geschehene aufzuar­beiten. Dazu ist heute anzumerken, dass dies vor dem Hin­ter­grund stat­tfand, Iris fälschlicher­weise verdächtigt zu haben. Wir beschäftigten uns mit unserem „falschen“ Ver­dacht im Beson­deren und der Schwierigkeit von Verdäch­ti­gun­gen im All­ge­meinen. In der Folge führten wir eine Diskus­sionsver­anstal­tung in der Flora durch, im Anschluss daran ent­standen zwei Texte, die sich mit unserem Ver­hal­ten auseinan­der­set­zten. Diese wur­den jedoch nicht veröf­fentlicht, da wir mit dem Unterstützer*innenumfeld verabre­det hat­ten, die Texte vorher Iris zur Durch­sicht zu über­lassen. Ein OK zur Veröf­fentlichung haben wir von ihr nie bekommen.

Wie erst im Laufe dieser Aufar­beitung her­aus­gekom­men ist, hat das Unterstützer*innenumfeld diese Texte nie von Iris erhalten.

Per­sön­liches Fazit

Im Prozess der Recherche haben wir ver­säumt, Ver­ant­wor­tung an Per­so­nen abzugeben, die sich mit der The­matik besser auskan­nten als wir. Noch nicht ein­mal als die Moti­va­tion so weit gesunken war, dass keine Tre­f­fen mehr stat­tfan­den, kam es zu Über­legun­gen, andere Per­so­nen mit einzubeziehen, obwohl es in der Szene Erfahrun­gen mit der Ent­tar­nung verdeck­ter Ermittler*innen gibt.

Aus der heuti­gen Per­spek­tive wäre es z.B. abso­lut sin­nvoll gewe­sen, sich an Flo­ras­truk­turen zu wen­den, denn die Flora ist ein für Ham­burg zen­traler Ort linksradikaler Poli­tik und entsprechend war und ist sie auch Ziel verdeck­ter Ermit­tlun­gen. Es hat sie vor Iris Plate gegeben und es ist davon auszuge­hen, dass es sie nach ihr gab und gibt.

Wieso wir uns damals davor gescheut haben, hatte ver­schiedene Gründe. Wir hat­ten damals keine per­sön­lichen Kon­takte zu Struk­turen, denen wir ver­traut hät­ten. Wir haben aber auch nicht ver­sucht den Kon­takt herzustellen, da die in der Flora exis­ten­ten informellen Hier­ar­chien in uns, mit damals Anfang/?Mitte 20, Äng­ste aus­lösten, nicht ernst genom­men und für unseren Ver­dacht kri­tisiert zu wer­den. Weit­er­hin hat­ten wir den Anspruch, den Kreis der Beteiligten klein zu hal­ten, wie wider­sprüch­lich das heute auch klin­gen mag.

Augen­schein­lich ist, dass wir rel­a­tiv konzept­los ange­treten sind, „die Wahrheit“ zu ermit­teln. Und es ist uns nicht gelun­gen, das Ganze zu been­den. Stattdessen zeich­nete sich unsere Arbeit durch kon­se­quentes Ver­schlep­pen und Ver­drän­gen aus. Unsere gemein­schaftliche Ver­ant­wor­tung, sowohl der betrof­fe­nen Per­son, als auch der Szene gegenüber sind wir nicht gerecht gewor­den. Von Anfang an man­gelte es uns an kri­tis­cher Dis­tanz zu unserem Tun, die jed­erzeit nötig und möglich gewe­sen wäre.

Wir haben in Kauf genom­men, dass wir Iris zu Unrecht verdächtigten, dadurch Teile ihres sozialen Umfelds zer­stören und sie sozial wie poli­tisch isolieren. Denn ein ein­mal geäußerter Ver­dacht ist schwer aus den Köpfen und der Welt zu räu­men. Fakt ist, dass die Men­schen die von dem Ver­dacht wussten, sich eher von ihr fern hiel­ten.
Gle­ichzeitig haben wir trotz des Ver­dachtes und unseres Anspruches, die Szene schützen zu wollen, in Kauf genom­men, dass Iris sich weit­er­hin in anderen Zusam­men­hän­gen engagiert und bewegt. Unsere Antwort auf diesen Wider­spruch war eine Art kollek­tive Ver­drän­gung, statt der poli­tis­chen wie auch per­sön­lichen Ver­ant­wor­tung gerecht zu werden.

Mit dem spon­ta­nen Rauswurf aus dem „ Wendebecken“-Plenum und der unvor­bere­it­eten Kon­fronta­tion von Iris set­zten sich unsere Fehler fort. Die Kon­fronta­tion wurde auf­grund des zeitlichen Drucks viel zu kurzfristig und unvor­bere­itet durchge­führt. Zusät­zlich waren die Hem­mungen bei den Durch­führen­den so groß, dass sie nicht kon­se­quent, nach­drück­lich und aus­re­ichend Infor­ma­tio­nen ein­forderten. Der Mehrheit der ehe­ma­li­gen Recherchegruppe war die Vorstel­lung, Iris mit dem Ver­dacht zu kon­fron­tieren, so unan­genehm, dass sie nicht bereit war, sie per­sön­lich durchzuführen.

Durch die Kon­fronta­tion wurde unser Han­deln szeneöf­fentlich und daraufhin scharf kri­tisiert. Dieser Prozess bein­hal­tete auch heftige und emo­tionale Auseinan­der­set­zun­gen, welche zu teils dauer­haften Zer­würfnis­sen zwis­chen den beteiligten Umfeldern führten. Für uns als Verdächti­gende bedeutete der Kon­flikt teils lan­gan­hal­tende per­sön­liche Auss­chlusser­fahrun­gen, die dazu beitru­gen, dass einzelne sich aus der Szene zurück­zo­gen und teil­weise sogar die Stadt verließen.

Die Kri­tik an unserem Ver­hal­ten war inhaltlich richtig und auch in ihrer Emo­tion­al­ität nachvol­lziehbar. Aus unserer Sicht prob­lema­tisch war, dass obwohl wir bereit waren, uns mit unseren Fehlern auseinan­derzuset­zen und dies auch taten, wir dauer­haft auf per­sön­licher Ebene aus­ge­grenzt wur­den. Poli­tisch sin­nvoller wäre gewe­sen, aufeinan­der zuzuge­hen, so hät­ten wir auch den Stand unserer Auseinan­der­set­zung an die Unterstützer*innen kom­mu­nizieren können.

Auch wenn es ein emo­tionales, nachvol­lziehbares Ver­hal­ten war, uns per­sön­lich und poli­tisch zu ignori­eren, ist dies wenig kon­struk­tiv. Grund­sät­zlich hal­ten wir es für wichtig, dass wenn Men­schen Fehler ein­se­hen, ihnen eine neue Chance gegeben wird. Die per­sön­liche hat die poli­tis­che Ebene über­lagert, dadurch hatte der emanzi­pa­torische Grundgedanke, Men­schen Verän­derun­gen zuzugeste­hen, hierin wenig Raum.

Wir hal­ten dieses Ver­hal­ten für ein sich häu­fig wieder­holen­des prob­lema­tis­ches Muster in Kon­flik­ten in der Szene, von dem auch wir nicht frei sind. Häu­fig reicht es aus, sich auf der guten Seite zu wis­sen, auf eine kon­struk­tive Auseinan­der­set­zung wird daraufhin verzichtet. Die Grund­lage für eine kon­struk­tive Auseinan­der­set­zung ist natür­lich die Bere­itschaft eigene Fehler einzugeste­hen. Wir beziehen uns hier aus­drück­lich nicht auf legit­i­men inhaltlichen poli­tis­chen Dis­sens, welcher sehr wohl eine poli­tis­che Zusam­me­nar­beit unmöglich machen kann.

Jen­seits der beschriebe­nen Dynamik hat Iris aktiv den Ver­lauf bes­timmt, durch ihre unendliche Betrof­fen­heit und das aktive Zurück­hal­ten unserer Texte hat sie die Spal­tung aktiv befördert.

Trotz­dem haben wir uns kon­struk­tiv mit unserer, aus dama­liger Per­spek­tive, falschen Verdäch­ti­gung auseinan­derge­setzt und kon­nten uns so poli­tisch weit­er­bilden und festigen.

Die ganze Dynamik und lei­der auch Dra­matik der Ereignisse lässt sich besser ver­ste­hen, indem auch die Per­spek­tive derer, die dem Ver­dacht –sei es aus per­sön­lichen oder anderen Grün­den– kein­er­lei Glauben schenk­ten, aufgezeigt wird. Der fol­gende Text ist erst nach der Ent­tar­nung von Iris Plate im Herbst 2013 entstanden.

Innen­per­spek­tive

Mit diesem Teil des Textes wollen wir als dama­lige Freund*innen von Iris, gle­ichzeitig Mit­glieder des dama­li­gen Flora-?Plenum, ver­suchen, die Ereignisse aus unserer (zwangsläu­fig) sub­jek­tiven Sicht Revue passieren zu lassen. Hierin geht es weniger um den Anspruch an die Voll­ständigkeit der Ereignisse (siehe Chronik), son­dern um den Ver­such, zu erk­lären, warum die Dinge so gelaufen sind, wie sie gelaufen sind… Eine Geschichte von Hier­ar­chien, man­gel­nder Kom­mu­nika­tion, Sich-?im-?Recht-?Fühlen und vielem mehr, was die objek­tive Betra­ch­tung von Ereignis­sen deut­lich einschränkt/?erschwert. Es ist ver­dammt lang her, was die Rekon­struk­tion dessen was passiert ist und erst Recht die selb­stkri­tis­che Reflek­tion des eige­nen Ver­hal­tens nicht ger­ade ein­facher macht.

Fak­ten, Fak­ten, Fakten…

Es ist die Zeit der ange­hen­den Schill-?Ära. Innere Sicher­heit ist ein zen­trales Thema der radikalen Linken. Am 1. Mai 2000 wird die Flora nach einer Reclaim the streets – Demo “für die Aneig­nung öffentlicher Räume” am frühen Mor­gen gestürmt und alle Besucher*innen wer­den in Gewahrsam genom­men. In der Fol­gezeit wird der Ruf nach einer Räu­mung der Flora lauter und lauter. Par­al­lel dazu befindet sich die Struk­tur der Flora mal wieder in einer Krise. Zu wenige, die Ver­ant­wor­tung übernehmen, zu viele, die nur die Räum­lichkeiten oder gebote­nen Events kon­sum­ieren, ein immer wiederkehren­des Problem.

Die Flora fordert von der Szene das aktive Ein­brin­gen in die Struk­turen, statt den Ort lediglich als Tanztem­pel zu nutzen. Dem wird ent­ge­genge­hal­ten, die Struk­turen seien nicht offen genug, um sich ein­brin­gen zu kön­nen, neuen Leuten würde Mis­strauen ent­ge­genge­bracht wer­den, das ZK halte alles fest in seiner Hand…

Die Struk­tur ver­sucht, wie so häu­fig, die Quad­ratur des Kreises, den Spa­gat zwis­chen Geheimhaltung/?Geschlossenheit und Transparenz/?Offen­heit. Aber das Ziel ist klar: Mehr Leute sollen mehr Ver­ant­wor­tung übernehmen, ein Mehr an Offen­heit ist unverzichtbar…

Einige Nutzer*innen der Flora wer­den aktiv, es bildet sich das Cafe Nie­mand­s­land, ein neues Ange­bot in der Flora mit dem Anspruch, inter­essierten Leuten einen ein­facheren Zugang zu den Struk­turen zu ermöglichen, sich zu informieren, in Diskus­sion zu kom­men, in der Hoff­nung Leute länger­fristig ein­binden zu kön­nen. Ein gutes und notwendi­ges Ange­bot – par­al­lel ein ide­ales Ein­fall­stor. Das Bemühen um mehr Offen­heit gegenüber der Szene ist ein ide­aler Zeit­punkt für verdeckte Ermittler*innen, in den Struk­turen aktiv zu werden.

Start

Iris taucht recht bald im „Cafe Nie­mand­s­land“ auf und übern­immt rel­a­tiv schnell die Delegierten­funk­tion für das Cafe auf dem Flora-?Plenum. Sie nimmt ab jetzt nicht nur regelmäßig am Plenum teil, son­dern auch am anschließen­den Gang in die Kneipe bis spät in die Nacht.

Schnell entste­hen per­sön­liche Kon­takte /?Freundschaften. Das geschieht weniger über den Aus­tausch von per­sön­lichen Infor­ma­tio­nen (Iris gibt vor, sie habe keinen bzw. kaum Kon­takt zu ihrer Fam­i­lie und wolle darüber nicht sprechen), als vielmehr durch gemein­same Aktiv­itäten und regelmäßige Tre­f­fen. Iris fehlt so gut wie nie auf dem Plenum, ist bei allem dabei, übern­immt viele Orga-?Aufgaben, ist bei Spontan-?Demos in der ersten Reihe zu finden. Bei einem abendlichen Spazier­gang zum Wasser­turm wird sie mit anderen Florist*innen in Gewahrsam genom­men. Sie selbst tritt als tougher, energievoller Men­sch auf und ihre radikalen Ansichten in Diskus­sio­nen, die sie sehr engagiert ver­tritt, lässt sie zudem für uns authen­tisch erscheinen.

Längst geht der Kon­takt über das rein Poli­tis­che hin­aus – sie ist auf Geburt­sta­gen und Par­tys, trinkt gerne auch mal einen über den Durst, kommt zu Spieleaben­den in WGs, hilft beim Ren­ovieren und gießt die Blu­men, wenn jemand in den Urlaub fährt – sie ist Genossin, Ver­traute und Fre­undin, sie ist „eine von uns“.

Die kom­menden zwei Jahre bes­tim­men die The­men Innere Sicher­heit, Wagen­plätze und Brech­mit­telver­gabe die poli­tis­che Agenda. Ins­beson­dere die Räu­mung der Bam­bule erforderte damals ein hohes Maß an aktiver Beteili­gung… und Iris ist immer engagiert mit dabei. Sie beteiligt sich an Demos, besucht Tre­f­fen als Delegierte der Flora, ist in diversen poli­tis­chen Grup­pen eigen­ständig engagiert.

Stopp

Im Angesicht der Wen­de­beck­en­räu­mung wen­det sich das Blatt für Iris. Sie wird von einem Vor­bere­itungstr­e­f­fen im Hin­blick auf die dro­hende Räu­mung aus­geschlossen, mit der vagen Begrün­dung, es gäbe per­sön­liche Dif­feren­zen. Es wird ein Tre­f­fen in Aus­sicht gestellt, ihr die Umstände bald genauer zu erk­lären. Sie wird nach diesem de facto „Rauss­chmiss“ von einer Per­son auf der Straße angetrof­fen – weinend. Ca. 1 – 2 Tage später im Rah­men eines Besuchs bei einer von uns berichtet sie darüber, dass sie des Tre­f­fens ver­wiesen wor­den sei und nicht wisse, warum. Am Abend sei das Tre­f­fen geplant, auf dem sie darüber mehr erfahren solle – sie wirkte bedrückt und sor­gen­voll. Bei diesem Tre­f­fen kommt es zu der bere­its geschilderten Kon­fronta­tion mit dem Spitzelvorwurf.

Erst ca. 2 Tage später meldet sich Iris bei einer von uns und bit­tet um ein drin­gen­des Tre­f­fen. Sie berichtet völ­lig aufgelöst unter Trä­nen über den gegen sie geäußerten Ver­dacht. Die Maschinerie kommt ins Rollen. Sofort wird das per­sön­liche und poli­tis­che Net­zw­erk, ins­beson­dere aber die Flora bzw. das Flora-?Plenum informiert. Für alle (?), die Iris nahe standen oder viel mit ihr zu tun hat­ten kamen diese Vor­würfe aus heit­erem Him­mel – dementsprechend groß die Empörung, Wut und Fas­sungslosigkeit über den Ver­dacht und den Umgang damit. Auf dem näch­sten Flora-?Plenum wurde der Vor­fall zum Thema gemacht und es herrschte Einigkeit darüber, dass der Ver­dacht halt­los und völ­lig aus der Luft gegrif­fen sei. Wir wur­den als Delegierte auf das Vor­bere­itungstr­e­f­fen des Wen­de­beck­ens geschickt, um dieses zur Rede zu stellen. Für uns galt es für eine Fre­undin und Genossin einzuste­hen, die durch diesen Vor­wurf dauer­haft stig­ma­tisiert würde. Mit ordentlicher Wut im Bauch wurde sich dementsprechend selb­st­be­wusst präsen­tiert. Mit einer gewis­sen Arro­ganz wäh­n­ten wir nun die am Vor­wurf Beteiligten in der Bringschuld. Rück­wirk­end müssen wir fest­stellen, dass wahrschein­lich nichts, was von den­jeni­gen, die den Vor­wurf geäußert hat­ten, getan wurde und noch hätte getan wer­den kön­nen, uns genügt hätte.

Schuld und Sühne

Und dann lehn­ten wir uns zurück und warteten auf das, was als Reha­bil­i­ta­tion von Iris organ­isiert wurde. Doch trotz der Einzel­tr­e­f­fen der Verdächti­gen­den mit ihr und den daran gekop­pel­ten Entschuldigun­gen, dem Besuch des Flora-?Plenums, einer von den Verdächti­gen­den ini­ti­ierten Ver­anstal­tung, die all­ge­mein den Umgang mit solchen Vor­wür­fen inner­halb der Szene klären sollte, einer öffentlichen Erk­lärung, in der sich für den Vor­wurf entschuldigt wurde, kam es zu keiner Annäherung der Beteiligten. Im Nach­hinein müssen wir deut­lich sagen (auch wenn wir es damals nicht so emp­fun­den haben), dass hierin eine immense Hier­ar­chie inner­halb der Struk­turen deut­lich wird (“das Flora-?Plenum” vs. die „Bauwagen-?Hippies“) und Iris für ihre Zwecke in die Hände gespielt hat. Etwas gön­ner­haft blick­ten wir von oben herab und waren uns sicher, dass “die” das eh nicht hinkriegen. Im Nach­hinein lässt sich fest­stellen, dass ein Abschluss des Ganzen von Iris sogar aktiv block­iert wurde, sie hielt 2 Texte, die sich mit dem ver­meintlichen Vor­wurf auseinan­der­set­zten zurück, das Plenum blieb in der Annahme, dass diese nie geschrieben wor­den seien. Aus dem Kon­flikt wurde per­sön­liche Antipathie. Nichts hätte zu einer Über­brück­ung der Dif­feren­zen führen kön­nen – Streit, Ignori­eren, Mis­sach­tung, nicht mehr miteinan­der reden, Brüche in Fre­und­schaften waren die Folge (well done, Iris!).

Wir selbst set­zten uns jedoch auch nicht zusam­men, um zu for­mulieren, was eigentlich noch genau getan wer­den müsse, um eine Reha­bil­i­ta­tion zu erre­ichen – und Iris forderte dies nicht ein. Wir fra­gen uns heute, warum eigentlich nicht wir aktiv wur­den, um die Vor­würfe außer Kraft zu set­zen, denn dies hätte eigentlich sowohl in unserem Sinne (sie war ja eine Fre­undin) als auch im Inter­esse von Iris sein müssen. Doch wir warteten einfach.

Zudem stellte sich uns immer wieder die Frage, warum sich nie­mand zu einem früheren Zeit­punkt an uns gewandt hatte, immer­hin waberte der Ver­dachts bere­its seit 2 Jahren im Raum, in denen Iris ihren Platz in der Flora fes­ti­gen kon­nte. Wir hat­ten davon nie etwas mit­bekom­men. Die erar­beit­eten Kred­ite der ver­gan­genen Jahre zahlten sich in diesem Augen­blick für Iris voll aus. Das Flo­raplenum stand geschlossen hin­ter ihr.

For­ward and Rewind

Iris kon­nte sich somit auch weiter frei bewe­gen und war nach wie vor in mehreren Grup­pen aktiv. Nach und nach ver­lagerte Iris ihren poli­tis­chen Schw­er­punkt weg von der Flora auf queere Poli­tik und sie kam immer unregelmäßiger zum Plenum. Doch auch hier blieb das Ver­trauen in sie unge­brochen, so wurde sie Teil einer Unterstützer*innengruppe für eine Betrof­fene von sex­u­al­isierter Gewalt inner­halb der Szene. Und sie blieb weit­er­hin Fre­undin, auch wenn einige Kon­takte sich mit der Zeit lockerten…bis sie 2006 ver­meintlich aus “Ent­täuschung über die poli­tis­che Szene in Ham­burg” in die USA ging.

Wir kön­nen nur spekulieren, was Iris dazu bewogen hat auch nach Bekan­ntwer­den des Spitzel-?Vorwurfs gegen sie weit­er­hin in der Szene aktiv zu bleiben. Vielle­icht hat ihr die Polizeiführung die Order gegeben, vielle­icht war sie von sich aus beson­ders wage­mutig. Vielle­icht war sie per­sön­lich zu sehr ver­strickt, als dass sie ein­fach hätte gehen kön­nen. Wir wis­sen es nicht und wer­den es wohl auch nie erfahren. Was wir aber fes­thal­ten kön­nen, ist, dass wir es ihr und uns ein­fach gemacht haben. Sie hatte unsere uneingeschränkte Sol­i­dar­ität und unser Ver­trauen. Das was sich damals richtig ange­fühlt hat, kommt nun als Boomerang zu uns zurück. Zuviel Herz, zu wenig Ver­stand wenn man denn so will…

Verdeckte Ermittler*innen der Polizei Hamburg

Zum All­t­ags­geschäft staatlicher Überwachung und Repres­sion linksradikaler Poli­tik gehört neben Obser­va­tio­nen, der Überwachung des Post– und Telekom­mu­nika­tionsverkehrs auch der Ein­satz von V-?Leuten und verdeck­ten Ermittler*innen. In Ham­burg sind dabei der Ver­fas­sungss­chutz und die Staatss­chutz­abteilung des LKA Ham­burg wesentliche Akteure. In Einzelfällen und anlass­be­zo­gen kom­men Oper­a­tio­nen des BKA oder aus­ländis­cher Geheim­di­en­ste hinzu.

Im Fol­gen­den geht es um den Ein­satz von verdeck­ten Ermittler*innen des LKA Ham­burg. Zuvor jedoch eine Abgren­zung zu V-?Leuten (d.h. Ver­trauensleute). V-?Leute sind Pri­vat­per­so­nen, auch dur­chaus aus der Szene, die der Polizei oder dem Ver­fas­sungss­chutz als Informant*innen zur Ver­fü­gung ste­hen. Aus Sicht von Behör­den sind solche Per­so­nen mitunter erpress­bar oder verpflichten sich unter dem Ver­sprechen von Strafmilderung in laufenden Ver­fahren zur Zusam­me­nar­beit. Es kön­nen finanzielle Motive eine Rolle spie­len, manch­mal aber auch ver­meintliche ideelle Gründe oder Wichtigtuerei. V-?Leute, die auf poli­tis­che Struk­turen ange­setzt wer­den, wirbt vor allem der Ver­fas­sungss­chutz an, aber auch die Polizei bedi­ent sich solcher Zuträger. Aus Sicht der Repres­sion­sor­gane sind V-?Leute nicht immer zuver­läs­sige Quellen. Daher führt der Ver­fas­sungss­chutz in der Regel für ein Objekt wie z.B. die Rote Flora min­destens zwei V-?Leute, die selb­stver­ständlich gegen­seitig nicht voneinan­der wis­sen, um die Zuver­läs­sigkeit des jew­eili­gen Infor­man­ten gegenchecken zu kön­nen. Da V-?Leute natür­lich nicht in die oper­a­tiven Ziele konkreter Aus­forschungsin­ter­essen eingeweiht wer­den, kön­nen sie nicht im engeren Sinne ziel­gerichtet Infor­ma­tio­nen beschaf­fen. Schließlich sind sie meis­tens nicht pro­fes­sionell genug (Aus­nah­men bestäti­gen die Regel!), um nicht durch auf­fäl­liges Ver­hal­ten oder Nach­forschen Arg­wohn auf sich zu ziehen. Daher ver­sucht der Ver­fas­sungss­chutz diesen Man­gel durch eine exten­sive Abhör­praxis von Räu­men, Tele­fo­nen und Überwachung des Mail­verkehrs auszugleichen.

Im Gegen­satz dazu bedi­ent sich die Polizei gerne des Ein­satzes von verdeck­ten Ermittler*innen, um sich ggf. Zugang zu Infor­ma­tio­nen zu ver­schaf­fen, die sie auf­grund von kon­spir­a­tiven Ver­hal­ten u.ä. sonst nicht erlan­gen könnte.

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Die Rechts­grund­lage für den Ein­satz von verdeck­ten Ermittler*innen ist im „Gesetz über die Daten­ver­ar­beitung der Polizei“ im Para­grafen 12 „Daten­er­he­bung durch den Ein­satz Verdeck­ter Ermit­tler“ for­mal­rechtlich geregelt. In diesem Para­grafen ist fest­geschrieben, dass ein*e Polizist*in „unter einer ihm ver­liehenen, auf Dauer angelegten, verän­derten Iden­tität (Leg­ende) einge­setzt“ wer­den darf. Ziel dieses Ein­satzes sollen entweder „Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Frei­heit einer Per­son“ sein oder aber wenn „Tat­sachen die Annahme recht­fer­ti­gen, dass Straftaten von erhe­blicher Bedeu­tung began­gen wer­den sollen und der Ein­satz zur Ver­hü­tung dieser Straftaten erforder­lich ist; der gezielte Ein­satz gegen bes­timmte Per­so­nen ist nur zuläs­sig, wenn Tat­sachen die drin­gende Annahme recht­fer­ti­gen, dass diese Per­so­nen Straftaten von erhe­blicher Bedeu­tung bege­hen wer­den und die Aufk­lärung des Sachver­halts auf andere Weise aus­sicht­s­los wäre.“ Schließlich wird fest­ge­hal­ten, dass der Ein­satz „außer bei Gefahr im Verzuge der Zus­tim­mung der Staat­san­waltschaft“ bedürfe. Eine analoge Regelung ist in den Para­grafen 110 a und b der Straf­prozes­sor­d­nung formuliert.

Es bedarf keiner inten­siven juris­tis­chen Vor­bil­dung für die Fest­stel­lung, dass ein kon­tinuier­licher über min­destens vier Jahre geführter Ein­satz einer verdeck­ten Ermit­t­lerin in der Roten Flora ganz sicher nicht durch die o.g. Geset­zesvor­gaben gedeckt ist. Dass aus der Flora über diese Zeit andauernd Straftaten von erhe­blicher Bedeu­tung ger­adezu tagtäglich dro­hten, das glaubt wohl selbst die Staatss­chutz­abteilung des LKA Ham­burg nicht. Tat­säch­lich stellt die Arbeit der verdeckt arbei­t­en­den LKA-?Beamtin Iris Plate eine grun­drechtswidrige geheim­di­en­stliche Aus­forschung von poli­tis­chen Struk­turen dar. Es ging dabei nicht um die polizeiliche Auf­gabe der Aufk­lärung von ver­meintlichen Straftaten oder der Ver­hin­derung solcher unmit­tel­bar und konkret bevorste­hen­den Straftaten, son­dern um ein Aus­forschungsin­ter­esse, das die Polizei, hielte sie sich an die geset­zlichen Vor­gaben, nicht befriedi­gen könnte.

Rechtlich hat sich die Ham­burger Polizei in der Ver­gan­gen­heit mit einem ein­fachen Trick beholfen. Sie behauptet ein­fach, es wür­den lediglich all­ge­meine struk­turelle Ermit­tlun­gen und Bew­er­tun­gen hin­sichtlich organ­isatorischer Struk­turen erhoben. Denn daten­schutzrechtlich wird der Ein­satz von Verdeck­ten Ermittler*innen nur ein Thema, wenn per­so­n­en­be­zo­gene Daten im Rah­men der Strafver­fol­gung erhoben wer­den. Dann wiederum müsste eine rechtliche Legit­imierung unter den Voraus­set­zun­gen der bere­its ange­sproch­enen Vor­gaben des Geset­zes zur Daten­er­he­bung der Polizei bzw. der Straf­prozes­sor­d­nung erfol­gen. Wenn es aber ange­blich nur darum geht, durch verdeckte Maß­nah­men eine all­ge­meine Gefahren-?Erforschung zu betreiben, han­delt es sich eben nicht um eine per­so­n­en­be­zo­gene Daten­er­he­bung und die benan­nten geset­zlichen Voraus­set­zun­gen sind kom­plett aus­ge­he­belt. Mit anderen Worten: durch eine ein­fache von keiner Instanz zu über­prüfenden polizei­in­ter­nen Umetiket­tierung findet ein mas­siver Grun­drecht­se­in­griff statt, der jeder Kon­trolle ent­zo­gen ist.

Die Auswahl von verdeck­ten Ermittler*innen unter­liegt einer speziellen Abteilung im LKA, die anhand eines psy­chol­o­gis­chen Anforderung­spro­fils in einem inter­nen Auswahlver­fahren geeignete Beamt*innen auswählen. Anschließend wer­den sie in einem Vor­bere­itung­spro­gramm für die kün­ftige Ver­wen­dung als verdeckte Ermittler*innen geschult. Verdeckte Ermittler*innen wer­den mit falschen Papieren aus­ges­tat­tet, die von den jew­eili­gen Insti­tu­tio­nen (Bun­des­druck­erei u.ä.) aus­gestellt wer­den. Von daher sind Doku­mente wie Per­son­alausweis, Führerschein oder Stu­den­te­nausweis nicht als „falsch“ erkennbar, son­dern wirken selb­stver­ständlich echt. Der Ein­satz unter­liegt stan­dar­d­isierten Abläufen, die dazu dienen, Arbeits­fähigkeit und Schutz der verdeck­ten Ermittler*innen zu gewährleis­ten. Verdeckte Ermittler*innen erfassen in regelmäßi­gen Berichten ihre Wahrnehmungen. Unter anderem dazu mietet das LKA „kon­spir­a­tive“ Woh­nun­gen im Ein­satzum­feld der verdeck­ten Ermittler*innen an. Dort ste­hen dien­stliche Com­puter, mit denen die Erken­nt­nisse in die polizeilichen Daten­sys­teme eingegeben wer­den kön­nen. Damit ist sichergestellt, dass verdeckte Ermittler*innen weder polizeiliche Dien­st­stellen auf­suchen müssen, noch „zu Hause“ in ihrer Cov­er­woh­nung Hin­weise auf mögliche Verbindun­gen zur Polizei haben. Mit ihren dien­stlichen Vorge­set­zten tre­f­fen sich Verdeckte Ermittler*innen regelmäßig an neu­tralen Orten. Dies dient ein­er­seits der inhaltlichen Begleitung des verdeck­ten Ein­satzes, spielt natür­lich aber auch eine Rolle in der psy­chol­o­gis­chen Betreu­ung der verdeck­ten Ermittler*innen. Die verdeckt einge­set­zten Beamt*innen dür­fen selb­stver­ständlich keine Straftaten bege­hen, man muss aber davon aus­ge­hen, dass dies mit Bil­li­gung von Vorge­set­zten kreativ aus­gelegt wird. Ins­beson­dere um die Leg­ende nicht auf­fliegen zu lassen, wird über niedrigschwellige Rechtsver­stöße hin­wegge­se­hen. Aus den prak­tis­chen Erfahrun­gen der Ver­gan­gen­heit kann man zumin­d­est für die Ham­burger Praxis resümieren, dass verdeckte Ermittler*innen sich tat­säch­lich aus krim­i­nal­isier­baren Aktiv­itäten eher her­aushal­ten und es auch keine Erfahrun­gen mit dem Anstacheln zu Straftaten gibt.

Umgang mit Verdächtigungen

Mit diesem Text­teil wollen wir ver­suchen, all­ge­meinere Ratschläge zum Umgang mit Verdäch­ti­gun­gen zu for­mulieren. Welche Aus­löser lassen eine Per­son für mich verdächtig erscheinen? Wie ist der prak­tis­che Umgang mit Verdäch­ti­gun­gen? Wir schreiben den Text aus der Per­spek­tive eigener Erfahrung, mit dem Wis­sen, was falsch laufen kann und möchten euch im Fol­gen­den Anhalt­spunkte geben, die wir in unserer gemein­samen Aufar­beitung als „Knack­punkte“ iden­ti­fiziert haben. Unserer Mei­n­ung nach kann es jedoch keinen voll­ständi­gen Rat­ge­ber geben, da sich die Fälle immer wieder voneinan­der unter­schei­den werden.

All­ge­meines

Poli­tisch aktive Men­schen sind sich meist darüber bewusst, dass der Staat ein Inter­esse daran hat, Infor­ma­tio­nen über ihre Aktiv­itäten einzu­holen. Wie gelan­gen Polizei und Ver­fas­sungss­chutz an die für sie notwendi­gen Infor­ma­tio­nen? Generelle Angst vor Überwachung bee­in­flusst den all­ge­meinen Umgang in der Szene miteinan­der. Wir wer­den hier keine Liste liefern anhand derer ihr bei drei oder mehr angekreuzten Auswahlmöglichkeiten wisst, dass ihr es mit verdeck­ten Ermittler*innen zu tun habt. Es sei hier noch ein­mal deut­lich darauf hingewiesen, dass für verdeckte Ermittler*innen authen­tis­che Leg­en­den erstellt wer­den und für diese Tätigkeit Beamt*innen aus­gewählt wer­den, die diese Leg­en­den glaub­haft verkör­pern kön­nen. Sie tun dabei Dinge, die nicht geset­zeskon­form sind, führen enge Fre­und­schaften und Beziehun­gen und treten als sym­pa­this­che Men­schen auf. Viele Ent­tar­nun­gen sind zufäl­lig passiert, nicht alle sind veröffentlicht.

Umgang mit neuen Leuten und Angst vor Überwachung