Ein Jahr Hamburger „Piratenprozess“:

BeobachterInnen des Hamburger Prozesses gegen zehn mutmaßliche Piraten  fordern die zuständige Kammer des Landgerichts Hamburg erneut auf, die   drei minderjährigen Somalier endlich aus der JVA Hahnöfersand zu   entlassen. Zu den ProzessbegleiterInnen zählen die Gruppen kein mensch  ist illegal Hamburg, die Dritte-Welt-Hafengruppe Hamburg und das Eine  Welt Netzwerk Hamburg.
Der Kommissar des Europarates für Menschenrechte, Thomas Hammarberg, hat   in verschiedenen Statements darauf hingewiesen, dass Minderjährigen in    Haft oft Bildung verwehrt würde und sie dort Gewalt und Missbrauch  ausgesetzt seien. Darüber hinaus sei es erwiesen, dass die Haft  besonders auf Jugendliche negative psychologische Auswirkungen habe, die sich verschlimmerten, je länger die Haft andauere.
Seit anderthalb Jahren befinden sich zehn Somalier in Untersuchungshaft. Sie sind angeklagt, das Containerschiff Taipan im April 2010 mit  Waffengewalt überfallen zu haben. Drei von ihnen sind Jugendliche und Heranwachsende. Vor fast einem Jahr, am 21. November, begann der Prozess; über 50 Verhandlungstage liegen schon hinter den Angeklagten.
Anwälte haben im Prozess deutlich gemacht, dass keine Fluchtgefahr bestehe, die Mandanten Meldeauflagen erfüllen und sich dem Prozess nicht entziehen würden. Selbst eine hohe Strafe und die Aussicht auf den  prekären Status Duldung würde ihre Mandanten derzeit nicht dazu bringen,  nach Somalia zurückzukehren. Dort herrscht Krieg und einige Angeklagte haben den Kontakt zu ihren auf der Flucht befindlichen Familien verloren.
Auf mehr als drei bisherige Haftentlassungsanträge wurde mit dem Ältermachen der Minderjährigen und eines zur Tatzeit Strafunmündigen, mit dem Ignorieren einer somalischen Geburtsurkunde und der Verschärfung der Tatvorwürfe reagiert. Letzte Woche versuchte die Staatsanwaltschaft  sogar, die Beweisaufnahme ohne Rücksicht auf die Jugendgerichtshilfe und die Vormünder abzuschließen.
Einige Anwälte wie auch kritische ProzessbeobachterInnen kritisieren — neben zahlreichen anderen Aspekten — das Messen mit zweierlei Maß: Die Jugendlichen sind, verglichen mit Gleichaltrigen aus Hamburg,  außergewöhnlich lange in Untersuchungshaft. „Zudem erfolgen die im Jugendrecht vorgesehenen erzieherischen Maßnahmen nicht“, sagt Michaela Goedecke von der Gruppe kein mensch ist illegal Hamburg. Eine  altersgerechte Unterbringung sei dringend erforderlich.  Die kritischen BegleiterInnen fragen sich, warum die altersgerechte  Unterbringung so hartnäckig verwehrt wird. Wird — was unzulässig wäre  und wissenschaftlich widerlegt ist — eine generalpräventive Wirkung  erhofft oder sind die Gründe für die Ungleichbehandlung schlicht  rassistisch? Oder steht unausgesprochen das Interesse Deutschlands, seine Militäroperation am Horn von Afrika zu legitimieren hinter diesem Prozess und der unverhältnismäßig langen Inhaftierung Jugendlicher?
Nächster Prozesstag ist Montag, der 14.11., um 10 Uhr.
Pressekontakt: Reimer Dohrn, Telefon 0152 08613690
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