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Flüchtlinge halten DGB-Haus in München besetzt

In München halten rund 60 Flüchtlinge seit Dienstagabend das DGB-Haus in der Schwanthalerstraße besetzt. In einer am Mittwoch verbreiteten Presseerklärung bestätigte der Gewerkschaftsbund die Aktion: »Die Gruppe der Flüchtlinge hat für Dienstag, den 3. September, ganz offiziell einen Raum im Münchner Gewerkschaftshaus für eine Besprechung von 14 bis 22 Uhr angemietet. Der DGB hat mit der Gruppe fest vereinbart, dass sie das Gewerkschaftshaus spätestens um 22 Uhr verlässt. An diese Absprache hat sich die Gruppe nicht gehalten.«

Das Gewerkschaftshaus sei jedoch ein reines Bürogebäude und für Übernachtungen nicht geeignet, warnt die Pressestelle. Es gebe keine Betten auch die notwendigen sanitären Einrichtungen seien nicht vorhanden. »Es liegt somit im Interesse der Flüchtlinge selbst, in eine geeignete Herberge zu wechseln. Entsprechende Angebote sind der Gruppe gemacht worden. Vordringliches Interesse des DGB ist es, eine Eskalation der Situation in jedem Fall zu vermeiden,« erklärte die kommissarische Geschäftsführerin der DGB-Region München,  Simone Burger. Wie die Flüchtlinge gestern abend mitteilten, sei ihnen zugesagt worden, eine weitere Nacht im Gebäude bleiben zu können. Am heutigen Donnerstag soll es dann weitere Gespräche zwischen der Gruppe und Vertretern des DGB geben.

Sich in eine Herberge abschieben zu lassen, ist jedoch nicht das Anliegen der Flüchtlinge. Am späten Dienstagabend verbreiteten sie eine offizielle Erklärung zu den Hintergründen ihrer Aktion:

»Am 20. August 2013 starteten wir unseren Protestmarsch von Würzburg und Bayreuth nach München. Diesen Protestmarsch führten wir, die unterste Schicht dieser Gesellschaft, dazu durch, um unsere Grundrechte zum Leben zu erlangen. Jene Rechte, die uns genommen worden sind. Es ist eine Schande, wie die Bayerische Regierung in den letzten 15 Monaten und insbesondere in den letzten zwei Wochen anstatt auf unsere Forderungen einzugehen, uns physikalisch auszugrenzen versucht hat, als ob die Streitfrage der Non-Citizens (Asylsuchenden) allein dadurch gelöst werden könne, sie einfach aus dem Weg zu räumen!

Heute, nach zwei Wochen des Widerstandes mit unseren Körpern als unseren einzigen Waffen, hat die Münchner Polizei offiziell verlauten lassen, dass sie keine einzige Form des Protests auf den Münchner Straßen dulden werde. Für den Fall, dass wir versuchen an unserem friedlichen Protest festzuhalten, werden sie so antworten, wie sie es bereits am Rindermarkt taten: mit Räumung!

Auf der einen Seite greifen Faschist_innen die uns aufgezwungenen Aufenthaltsorte an, wie in Berlin-Hellersdorf zu beobachten ist, und auf der anderen Seite tut es die deutsche Polizei als jene Behörde, die direkte Order seitens der deutschen Regierung erhält und uns mit aller Härte unterdrückt – zahlreiche Mitstreiter_innen unter uns mussten innerhalb der letzten zwei Wochen aufgrund von polizeilicher Gewalt ins Krankenhaus gebracht werden und schafften es dennoch, kurz darauf wieder zum Protestmarsch zurückzukehren.

Jetzt, da wir in München sind, ist keine physische Kraft mehr geblieben, keine Stelle an unseren Körpern mehr unversehrt. Daher verkünden wir: Wir als die unterste Schicht dieser Gesellschaft und in dem Glauben, dass dieser Kampf ein Klassenkampf ist, starteten unseren Streik im Haus des Deutschen Gewerkschafts-Bundes (DGB). In Bezug auf unser gemeinsames Verständnis von Klassenkampf erwarten wir vom DGB Unterstützung um unsere Sicherheit zu gewährleisten, damit wir unseren friedlichen Protest fortführen können. Andernfalls wird uns vor den Türen dieses Hauses brutale Polizeirepression erwarten.«

Als Forderungen formulieren die Flüchtlinge die bedingungslose Anerkennung ihrer Asylanträge, die Abschaffung der Residenzpflicht sowie die Schließung aller Asylsuchenden-Lager.

Der Gewerkschaftsbund stellt sich teilweise hinter diese Anliegen: »Der DGB Bayern kritisiert seit langem die restriktive und teilweise unmenschliche Asylpolitik in Deutschland und insbesondere in Bayern scharf. Der DGB fordert eine Lockerung des strikten Arbeitsverbotes für Asylbewerber, menschenwürdigere Unterkünfte, die Abschaffung der Essenspakete sowie der sogenannten Residenzpflicht, die in dieser rigiden Form europaweit nur noch in Bayern und Sachsen gilt. Matthias Jena, Vorsitzender des DGB Bayern, sagt: „Wir fordern die Staatsregierung zu einem sofortigen Umdenken in der Asylpolitik auf. Die Politik muss Antworten finden für die Situation der Flüchtlinge.«

Der Gewerkschaftsnachwuchs stellte sich in einer gestrigen Abend per Erklärung klar hinter die Flüchtlinge: »Die ver.di Jugend München erklärt sich hiermit solidarisch mit den Flüchtlingsprotesten in Bayern und heißt die Refugees im Münchner Gewerkschaftshaus willkommen.

Wir unterstützen den Kampf der Flüchtlinge gegen ein menschenverachtendes, einer Demokratie unwürdiges und für den Rechtsstaat Deutschland sowie den Freistaat Bayern völlig unangemessenes Einbürgerungsverfahren. Wir unterstützen den Kampf der Flüchtlinge, in dem es darum geht, nicht wie Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden. Diese Menschen sind aus ihren Heimatländern nach Deutschland gekommen, weil sie Angst vor Ermordung, Folter und Verfolgung haben. In unseren Augen ist das institutionalisierte Misstrauen, dass durch die restriktiven Einwanderungsgesetze geschaffen wird ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen und nicht länger hinnehmbar. Residenzpflicht, Essenspakete ohne Rücksicht auf den kulturellen Hintergrund der Menschen, Taschengeld und die Unterbringung vieler Menschen in viel zu kleinen Zimmern lehnen wir ab.

Gerade so kurz vor der Landtagswahl wollen wir alle Parteien aufrufen, sich endlich uneingeschränkt für eine deutliche Verbesserung der Situation von Flüchtlingen in Bayern einzusetzen. Wir sind das vorletzte Bundesland, in dem die Residenzpflicht den Refugees nicht nur verbietet, dass Bundesland zu verlassen, sondern die Flüchtlinge nicht mal die Grenzen des Landkreises, in dem sie untergebracht worden sind, überschreiten dürfen. Das muss endlich ein Ende haben. Im Zuge dessen verurteilen wir auch jede Repression und Gewaltanwendung, die im Zuge der Flüchtlingsmärsche nach München von Seiten der Polizei angewendet worden ist, nur um dieses sinnlose Gesetz durchzusetzen, welches Menschen einen großen Teil ihres Rechtes auf Selbstbestimmung nimmt.

Als ver.di Jugend München halten wir es für unabdingbar, gerade hier, wo eine Minderheit diskriminiert und unterdrückt wird, einen Teil des Gegengewichtes darzustellen und klar zu machen: Wir sind solidarisch. Wir danken dem DGB, dass er den Flüchtlingen einen sicheren Raum gegeben hat, wo sie unterkommen können um ihr weiteres Vorgehen zu planen und sich angstfrei nach ihrem langen Protestmarsch durch Bayern auszuruhen. Wir rufen unsere Mitglieder auf sich im Rahmen von allem was rechtens ist solidarisch mit den Flüchtlingen zu zeigen.

Kein Mensch ist illegal.«

Homepage der Flüchtlinge mit aktuellen Informationen: http://refugeestruggle.org/de