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Frankfurt: Solikomitee enthüllt Wandbild am Klapperfeld

Am 23. Oktober 2014 wurde am ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt/Main ein großes Wandbild enthüllt. Es stellt zwei Portraits von Menschen in den Mittelpunkt, die wegen ihres Kampfes gegen Ausbeutung und Unterdrückung auch in diesem Gefäängnis waren: Hans Schwert, den die Nazi dort einsperrten – und Andrea Wolf, die mehrfach dort z.B. nach antifaschistischen Aktionen in Polizeihaft war.

Aus Anlass der Enthülllung fand eine Kundgebung statt, auf der Aktive aus dem heutigen politischen und kulturellen Zentrum Klapperfeld, vom Solikomitee Frankfurt und kurdischen Studierenden sprachen. Bewusst wurde der 23. Oktober ausgewählt, da es der 16. Todestag von Andrea Wolf ist. Am 23. Oktober 1998 wurde Andrea gemeinsam mit mindestens 24 weiteren Kämpferinnen? der kurdischen Guerilla in den Bergen Kurdistans bei einem Massaker ermordet.? Sie wurde mit mindestens zwei weiteren Kämpferinnen lebend gefangen genommen, verhört und zu Tode gefoltert, anschließend wurden ihre Leichen weiter misshandelt und verstümmelt.? Zu Andrea und den bis zu 41 Menschen, die vom 22. bis 24. Oktober in den Bergen von Catak ermordet wurden, kommen tausende und tausende weitere gefolterte, verschwundene und ermordete Menschen dazu, die in den letzten 30 Jahren in der Türkei und in Kurdistan von der türkischen Armee getötet wurden.

Das Solikomitee Frankfurt entschloss sich am ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld ein großes Wandbild anzubringen – um direkt im Frankfurter Justizviertel die Feindschaft zu Knast und Klassenjustiz deutlich zu machen.
Kundgebung anlässlich der Enthüllung eines grossARTigen Wandbilds

Beitrag des Solikomitee:
Anfang: Vor 3 Jahren gründete sich das Solikomitee hier in Frankfurt zur Unterstützung von Sonja und Christian, die nach über 33 Jahren im Exil, von Frankreich an Deutschland ausgeliefert wurden. Ihnen wurde vorgeworfen in den 1970er Jahren an Aktionen der revolutionären Zellen beteiligt gewesen zu sein.

Das zeigt uns der Staat vergisst nicht – wir aber auch nicht uns ist es wichtig deutlich zu machen was uns mit den Kämpfen, auch wenn sie schon lange zurückliegen, verbindet und dass der Kampf gegen das kapitalistische System und seine verschiedenen Ausprägungen nach wie vor notwendig ist – hier und weltweit.
Auch wenn wir uns der Verfolgung durch die staatlichen Organe nicht immer entziehen können – so haben wir aber immer die Möglichkeit nicht zu kooperieren – auch zig Jahre später… dabei hilft die Unterstützung und Solidarität der Genossinnen vor Ort auch wenn sie aus einer anderen Zeit stammen…..

Deshalb wurde aus diesem Anlass damals vom Solidaritätskomitee für Sonja und Christian hier am Klapperfeld ein großes Transparent aufgehängt in bester Sicht zum Gericht, wo der Prozess gegen die beiden stattfand, diese aber konsequent die Aussage verweigerten. Sowohl die Passant_innen, als auch die Gerichtsmitarbeiter_innen wurden täglich daran erinnert, dass die Angeklagten nicht alleine sind und ihre Haltung uns eine Ermutigung ist. Ende letzten Jahres ging der Prozess zu Ende und Sonja kam frei – Christian war vom Prozess aus gesundheitlichen Gründen freigestellt.

Heute wollen wir ein weiteres Zeichen setzten und unsere Haltung gegen die Klassenjustiz und für Aussageverweigerung sowie keine Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden sichtbar werden lassen.

Das Transparent zu Sonja und Christian wird nun ersetzt durch ein Doppelbild 2er ehemaliger Gefangener im Klapperfeld. Der Künstler Thilo Weckmüller aus Mainz hat sie porträtiert und Linolschnitte gefertigt. Beispielhaft haben wir 2 Menschen aus unterschiedlichen Zeiten ausgewählt die wegen ihrer politischen Haltung hier inhaftiert waren.
Schluß: Die Initiative 2 Porträts und Zitate aus unterschiedlichen Zeiten aufzuhängen kommt aus dem Wissen in einer Kontinuität linker Kampfprozesse zu stehen. Alles kommende kann sich nur neu entwickeln, niemals als Kopie etwas schon dagewesenen. Aber da wo wir heute stehen ist immer auch das Resultat der Diskussionen die vorher geführt wurden. Und wir sollten nicht darauf verzichten auf die Erfahrungen, die Menschen vor uns gemacht haben, zurückzugreifen.

Das auf dem Transparent von Andrea abgebildete Zitat beginnt mit dem Satz „die beste Art unseren Kampf zu artikulieren ist ihn zu leben“.
Aussageverweigerung nicht als Rechtshilfetip sondern als grundsätzliche Haltung gegenüber diesem Staat, Kapitalismus und Krieg.
Keine Zusammenarbeit mit Justiz und Polizei
Für eine Gesellschaft ohne Knäste
http://www.andrea.libertad.de/2014/„die-einzige-möglichkeit-unseren-kampf-zu-artikulieren-ist-ihn-zu-leben

„Die einzige Möglichkeit unseren Kampf zu artikulieren ist, ihn zu leben“
Am 16. Todestag von Andrea wurde ein Wandbild in Frankfurt/Main enthüllt

Am 16. Todestag von Andrea Wolf wurde am ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt/Main ein großes Wandbild enthüllt. Es stellt zwei Portraits von Menschen in den Mittelpunkt, die wegen ihres Kampfes gegen Ausbeutung und Unterdrückung auch in diesem Gefäängnis waren: Hans Schwert, den die Nazi dort einsperrten – und Andrea Wolf, die mehrfach dort z.B. nach antifaschistischen Aktionen in Polizeihaft war.
Aus Anlass der Enthülllung fand eine Kundgebung statt, auf der Aktive aus dem heutigen politischen und kulturellen Zentrum Klapperfeld, vom Solikomitee Frankfurt und kurdischen Studierenden sprachen.

Hier die Rede des Solikomitees.
Mit diesem Transparent an der Klapperfeld-Wand gegen Knast und Repression erinnern wir auch an unsere Genossin Andrea Wolf.

Wir haben diesen Tag sehr bewusst ausgesucht: Denn es ist ihr Todestag. Heute vor 16 Jahren wurde sie in Kurdistan von türkischen Militärs gefangen genommen und ermordet. Aber Andrea starb nicht alleine in den kurdischen Bergen.

Sie hatte sich als Internationalistin der kurdischen Frauenarmee und der PKK angeschlossen, um gemeinsam zu kämpfen. Sie trug dort den Kampfnamen Ronahi. Am 22. Oktober 1998 geriet ihre Guerillaeinheit in der Nähe des Dorfes Keles im Gebiet Beytüssebap in der Region Wan in einen Hinterhalt der türkischen Armee. Andrea wurde gemeinsam mit mindestens 24 weiteren Kämpfer/innen getötet.

Dabei wurde Andrea mit mindestens zwei weiteren Kämpferinnen lebend gefangen genommen, verhört und zu Tode gefoltert, anschließend wurden ihre Leichen weiter misshandelt und verstümmelt.

Zu Andrea und den bis zu 41 Menschen, die vom 22. bis 24. Oktober in den Bergen von Catak ermordet wurden, kommen viele tausende gefolterte, verschwundene und ermordete Menschen dazu, die in den letzten Jahrzehnten von der türkischen Armee getötet wurden. ?
Als uns vor Jahren die Nachricht ihres Todes erreichte, wussten wir sofort, dass es so war. Sie war so. Nichts hat sie so sehr gehasst wie den Verrat und die Zusammenarbeit mit unseren Feinden. Kaum etwas war für Andrea so undenkbar wie die Kollaboration mit denen, die für das Leid und Elend von so vielen verantwortlich sind. In Kurdistan wie in Deutschland, oder sonstwo auf der Welt.

Deswegen ist der Satz auf dem Transparent so treffend:
„Die einzige Möglichkeit unseren Kampf zu artikulieren ist, ihn zu leben. Im Knast nicht klein bei geben, bei sich bleiben, sich und die anderen nicht verraten…“

Andrea hat so gelebt, und ist anders gestorben. Nicht kleinbeigeben, sich nicht unterwerfen. Für die eigenen Ziele eintreten. So ist das Leben und die Geschichte von Andrea Wolf seit Anfang der 1980er Jahre auch eine Geschichte des Widerstandes.

Andrea wurde am 15. Januar 1965 gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder Tom in München geboren, wo sie auch aufwachsen. Sie beginnt früh sich zu engagieren und sucht nach radikalen Wegen. Zum Beispiel Anfang der 1980er Jahre in der Bewegung „Freizeit 81“, die eine Einheit von Kampf, Kunst, Punk und Politik herstellen wollte. Bereits als 16jährige wird sie deshalb das erste Mal verhaftet und für sechs Monate in den Frauenknast Aichach eingesperrt. Ab 1985 baute sie den Münchner Infoladen mit auf, beteiligte sich an Aktionen gegen alte und neue Nazis wie dem SS-Totenkopftreffen in Nesselwang, gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Bonn 1985 und die atomare Wideraufbereitungsanlage in Wackersdorf.

Dabei war die Solidarität mit politischen Gefangenen in diesem Land und weltweit immer ihre Sache.

1986 zog Andrea nach Frankfurt und Offenbach. Hier wurde sie aktiv in der autonomen Frauenbewegung, im Startbahnwiderstand, bei Hausbesetzungen und beim Aufbau von überregionalen Strukturen und Vernetzungen.
1987 zieht die staatliche Repression auch als Folge der Ausweitung militanter Kämpfe und bewaffneter Aktionen der revolutionären Linken erheblich an. So wird auch Andrea durch einen Polizeispitzel denunziert und erneut verhaftet. Nach drei Monaten im Frauengefängnis Preungesheim muss sie wieder entlassen werden, da die Lügen allzu offensichtlich sind.
Danach organisiert sich Andrea in einem militanten Kollektiv der antiimperialistischen Linken, später in der Gruppe „Kein Friede“ und wird Gründungsmitglied von Libertad!
Die Diskussion und Zusammenarbeit mit revolutionären Organisationen und Bewegungen wird ihr immer wichtiger, ob in Mittelamerika, in Europa und der Türkei. Aber auch die konkrete Intervention gegen Rassismus auf der Straße und den Parlamenten war ihre Sache. So beteiligte sie sich initiativ und engagiert an der Schaffung von antirassistischen und antifaschistischen Stadtteilgruppen – und einem Notruftelefon, dass linksradikale Aktive dreieinhalb Jahre lang täglich betrieben.

Dieses Telefon war übrigens im JUZ Bockenheim angesiedelt – dessen Wiederbesetzung durch „Faites votre jeu!“ letztlich zum heutigen Zentrum Klapperfeld führte. In diesen Jahren wird Andrea auch mehrfach – und wie viele andere auch – zum Beispiel bei Demos gegen Nazis festgenommen und in das damals noch betriebene Polizeigefängnis Klapperfeld gebracht. Auch das ist eine Verbindung, warum heute ihr Portrait an dieser Wand hängt.

Nach der Polizeiaktion in Bad Kleinen 1993, bei der durch Verrat Wolfgang Grams erschossen wurde, gerät Andrea erneut ins Visier des Staatsschutzes. Das BKA behauptete, Andrea sei an der Sprengung des Knastneubaus durch die RAF beteiligt gewesen, obwohl sie sich zu diesem Zeitpunkt nachweislich in Mittelamerika befand. Später wird das Verfahren eingestellt.

Nach x Hausdurchsuchungen beschließt Andrea, in die Illegalität zu gehen. Später geht sie von dort aus im Januar 1997 nach Kurdistan. Vor ihrer geplanten Rückkehr in die Städte wird Andrea am 23. Oktober 1998 in den kurdischen Bergen ermordet. Sie war 33 Jahre alt.
Als wir vom Solikomitee dieses heute enthüllte Wandbild planten, hatten wir nicht gedacht, wie aktuell das werden könnte. Denn die Entscheidung von Andrea, in den kurdischen Bergen bewaffnet gegen Ausbeutung und Unterdrückung und gemeinsam mit den Menschen in Kurdistan für ein befreites Leben zu kämpfen, ist aktueller denn je.

Wie 1998 und danach immer wieder, gibt es auch heute Mut machende wie alarmierende Nachrichten aus Kurdistan. Mut macht das Projekt Rojava im syrischen Teil Kurdistans, wo versucht wird befreites Leben im Albtraum von blutiger Diktatur und religiösem Wahnsinn zu schaffen und zu verteidigen. Aber die Bedrohung dieses Projekts alarmiert uns auch.
Andrea Wolf schrieb am 1. Mai 1997 in den Bergen Kurdistans diesen Satz auf:
„Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe, die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen würden. Einfach den Nachschub kappen. Ich weiß, es ist an- gesichts des Zustands in den Metropolen utopisch (…) Auch auf längere Zeit wird es so bleiben. Schade, das wäre was. Eine militante Bewegung, die die Kriegsmaschine lahmlegt.“

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Dieser Wunsch, diese Haltung und Handlungslinie ist heute genau so richtig und dringend: Rojava verlangt heute nach Unterstützung, Geld und Waffen. Andrea wusste, dass es auch in der Verantwortung der Linken in den kapitalistischen Kernstaaten des Imperiums liegt, ob und wie sich revolutionäre und emanzipatorische Entwicklungen woanders entfalten können.

Wir müssen gemeinsam kämpfen, wie wir von einander lernen müssen.

Danach hat Andrea versucht zu leben.

Deswegen – und erst Recht: Hoch die internationale Solidarität!