Freispruch für das Gefangenen Info

Die Rote Hilfe OG Berlin, das Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und das Gefangenen Info riefen zum 11. Oktober 2010 zu einer Prozessdelegation zur Unterstützung des Gefangenen Infos auf, an welcher wir mit einem vollbesetzten Auto teilnahmen. An diesem Montag fand der Revisionsprozess gegen den presserechtlichen Verantwortlichen des Gefangenen Infos – Wolfgang Lettow – statt.

Hintergrund
Am 21. April 2010 wurde Wolfgang zu einer Geldstrafe von 800 Euro verurteilt, da er für die Veröffentlichung eines Artikels der Roten Hilfe OG Düsseldorf / Mönchengladbach / Neuss verantwortlich sei. Es handelte sich hierbei um einen Prozessbericht vom 2. Juli 2009 im Düsseldorfer 129b Prozess gegen Faruk Ereren, der in der 348sten Ausgabe des GI’s abgedruckt wurde. In diesem wurde die Verhängung von Beugehaft gegen den durch jahrelange Haft und Folter in der Türkei erblindeten Nuri Eryüksel thematisiert. Unter anderem soll der Richter B.Klein die Verhängung der Beugehaft mit der zynischen Bemerkung „für Nuri sei die Beugehaft wohl ein wirksames Mittel, um sich zu besinnen, denn er sei ja erblindet“ begleitet haben. Das Gefangenen Info erhielt deswegen neben dem Online-Portal „Scharf Links“ eine Anklage wegen Verleumdung.
Die Beugehaft gegen Nuri wurden 4 Wochen später durch das BGH als rechtswidrig erklärt.

Revisionsprozess vor dem Berliner Landgericht
Am 11. Oktober 2010 fand vor dem Berliner Landgericht die von der Verteidigung des Gefangenen Infos eingeforderte Revisionsverhandlung statt. Um 13 Uhr versammelten sich einige Personen zu einer Kundgebung vor dem Landgericht. Es wurden ein Transparent des Gefangenen Infos mit der Aufschrift „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen“ als auch eines von TAYAD mit den Gesichtern der Düsseldorfer 129 b Angeklagten gezeigt. Anwesend waren u.a. Vertreter des Komitee für den Aufbau einer Roten Hilfe International Italien, der Roten Hilfe Düsseldorf, des Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen, des Komitees für Grundrechte und Demokratie und des TAYAD Komitees. Schon im Vorfeld gab es Solidaritätserklärungen von den Gefangenen Nurhan Erdem, Thomas Meyer Falk, Faruk Ereren sowie von der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke.
Um 13.30 Uhr begann der Prozess, der von circa 20 Menschen solidarisch begleitet wurde. Nach den üblichen Formalias verlas Wolfgang eine Prozesserklärung, in der es unter anderem hieß: „…Die Repression gegen linke Medien ist kein Einzelfall, denn seit einem halben Jahr hat sie zugenommen. Ebenso kommt es wegen des Abdrucks desselben Artikels gegen das Internetportal „Scharf-links“ zu einer Berufungsverhandlung. Gegen linke Buch- und Infoläden kam es neben München vor allem in Berlin zu mehreren Durchsuchungswellen, weil sie subversive Zeitschriften ausgelegt hatten. Hier werden die BetreiberInnnen dieser Läden nach Meinung der Staatsanwaltschaft für den Inhalt dieser Publikationen verantwortlich gemacht und so wird fortlaufenden Druck und Repression auf sie ausgeübt. … In den 21 Jahren seit Bestehen des „Gefangenen Infos“ hat es über 30 Versuche seitens des Staates gegeben, die Zeitung mundtot zu machen. In Anbetracht der Tatsache, dass linke Medienprojekte wie das „Gefangenen Info“ keine kommerziellen Ziele verfolgen und somit nicht über ein dickes Finanzpolster verfügen, gleicht jeder Strafbefehl und jede Geldstrafe einem massiven Angriff, der die Existenz dieses Projektes gefährdet. Da diese repressiven Maßnahmen in erster Linie wirtschaftlichen Schaden anrichten und einschüchtern sollen, stellt sich uns die Frage, ob diese Maßnahmen nicht hart an der Grenze zur Medienzensur liegen.
Neben der redaktionellen Arbeit musste die Existenz und damit das Fortbestehen des Infos auch immer vor Gericht verteidigt werden, um damit das Leben vor allem der Gefangenen aus der RAF vor staatlichen Übergriffen hinter Gittern zu schützen. Heute sind es vor allem Eingesperrten aus türkischen und anderen migrantischen Zusammenhängen, die diesen Sonderhaftbedingungen und -gesetzen ausgesetzt sind. Es bedeutet immer Kampf auf allen diesen Ebenen, den Weggesperrten einen unzensierten Raum zu geben für ihre politischen Vorstellungen bis hin zur ihrer Freiheit!…“ (Zitat Wolfgang Lettow – Prozesserklärung vom 11.10.2010)“
Die Verteidigung stellte fest, dass der Artikel, der die Grundlage der Anklage bildete, nicht vom Gefangenen Info verfasst wurde, sondern von Prozessbeobachtern der Roten Hilfe OG Düsseldorf / Mönchengladbach / Neuss. Personen, die kontinuierlich den Prozess gegen Faruk besuchen und durch diese Kontinuität entsprechend vertrauenswürdige Berichte schrieben und schreiben. Selbst wenn die Aussage des Richters nicht gestimmt hätte, hätte Wolfgang nicht stutzig werden müssen, wenn man sich die gesamten Umstände des Prozesses zu Gemüte zieht. Danach verlas die Richterin die Zeugenaussagen einiger Richter und Mitarbeiter des OLG Düsseldorf. Diese leugneten eine derartige Bemerkung des Richter Klein. Die Richterin bemerkte nach der Verlesung, dass ihr nicht klar sei was er denn dann gesagt habe. Dass er was gesagt haben muss, davon gehe sie aus, aber in keine der Aussagen der Richter und Mitarbeiter könne sie einen Hinweis darauf finden.
Die Verteidigung stellte zwei Beweisanträge. Unter anderem sollte W.Weckmüller, Rechtsanwalt von Nuri Eryüskel, geladen werden, der am besagten Verhandlungstag des 2.7.2009 anwesend war und deshalb berichten könne, wie der Richter Klein sich gegenüber Nuri verhalten hat. Weiterhin sei es am OLG Düsseldorf üblich, dass gerne zynische und auch mal rassistische Bemerkung gegen unsere arabischen Mitmenschen getätigt werden. So wolle ein anderes Mitglieds des OLG, Richter Breidling – auch als Richter „Tacheles“ bekannt – „keine Geschichten aus 1001Nacht hören“ und schimpft regelmäßig auf „die Missstände“ in der Anwendung des Ausländergesetz. Und das meint er nicht in unserem Sinne.
Das Gericht war den Anträgen positiv gestimmt, wies aber daraufhin, dass diese doch als Hilfsanträge zu stellen seien, da das Gericht zu einem Freispruch neigt. So könne unnötiges in die Länge ziehen verhindert werden. Die Verteidigung stimmte dem zu.
Nach einer Unterbrechung wurden die Plädoyes gehalten. Anschließend verkündete das Gericht den Freispruch. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig, da von Seiten der Staatsanwaltschaft auf Berufung verzichtet wurde.
Schade war’s, dass doch relativ wenig Menschen dem Aufruf der Prozessdelegation folgten. Gerade die Beteiligung aus Berlin angesichts einer starken Aktivengruppen lies doch zu Wünschen übrig.

Nichts desto trotz und gerade deshalb:
Solidarität muss praktisch werden!
Glückwunsch an das Gefangenen Info für den Freispruch!

Rote Hilfe OG Magdeburg
www.magdeburg.rote-hilfe.de