Das US-Justizministerium in Washington war am Dienstag Ziel einer Aktion der Kampagne »Occupy for Justice«. Hunderte Menschen demonstrierten für Gerechtigkeit in einem der wenigen Bereiche der US-amerikanischen Gesellschaft, in dem es tatsächlich wirtschaftliches »Wachstum« gibt: dem »gefängnisindustriellen Komplex« mit seinen Knastfabriken und privaten Haftanstalten.
Der 24. April war als Aktionstag gewählt worden, weil Mumia Abu-Jamal, einer der weltweit bekanntesten politischen Gefangenen der USA, an diesem Tag seinen 58. Geburtstag feierte. Free-Mumia-Komitees aus Philadelpia und New York, »Occupy DC«, das Washington Peace Center, die Antikriegskoalition ANSWER und das Solidaritätsnetzwerk für den als »Whistleblower« angeklagten Bradley Manning, gegen den parallel eine dreitägigeAnhörung vor einem Militärgericht begann, hatten gemeinsam mit Angela Davis, dem Schauspieler Danny Glover und der HipHop-Gruppe Dead Prez zum Marsch auf das Justizministerium aufgerufen. Losungen wie »Yes We Can – Free Mumia!« und »Brick by brick, wall by wall, we’re gonna free Mumia Abu-Jamal« (Stein für Stein, Mauer für Mauer werden wir Mumia Abu-Jamal befreien) machten deutlich, daß die Aufhebung des Todesurteils gegen Abu-Jamal für die Aktivisten nur der erste Schritt war, seine endgültige Freilassung zu erstreiten. Als während der Aktion einige hundert Teilnehmer vom Ministerium zum nahegelegenen Weißen Haus zogen, nahm die Polizei zwei Dutzend von ihnen wegen Beteiligung an einer unerlaubten Kundgebung fest.
Viele Demonstranten erinnerten mit Plakaten auch an den in Florida von einem zivilen Wachmann erschossenen Trayvon Martin und stellten Zusammenhänge her zwischen dem rassistischen Unrecht, das Mumia Abu-Jamal widerfahren ist, und dem Tod des 17jährigen Trayvon. Sie verlangten von Justiz und Obama-Regierung, dem Beispiel von bislang 17 Bundesstaaten zu folgen und die Todesstrafe endlich abzuschaffen. Eine weitere Forderung richtete sich direkt an US-Justizminister Eric Holder. Er solle persönlich gegen die von Polizei und Staatsanwaltschaften betriebenen Beweismanipulationen vorgehen, mit denen politische Oppositionelle der schwarzen Befreiungsbewegung und des American Indian Movement (AIM) wie Leonard Peltier jahrzehntelang hinter Gitter gehalten werden.
Auch der »Krieg gegen die Drogen« wurde als einer der Mißstände gegeißelt. Justiz und Polizei nutzten ihn als Vorwand, um sich in den Vierteln der Schwarzen und Latinos wie Besatzungstruppen aufzuführen, kritisierten Sprecher. Die junge Generation dort werde unter Generalverdacht gestellt und massenhaft eingesperrt, um sie als Arbeitssklaven auszubeuten. Die Vereinigten Staaten stellten 25 Prozent der Gefängnisinsassen der Welt, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Planeten nur fünf Prozent betrage. Die Mehrheit der weit über zwei Millionen Gefangenen seien »People of Color«, obwohl sie nur 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen. »Die Kriminalitätsrate ist gesunken, aber heute sind mehr Schwarze im Knast, als es um 1850 afrikanische Sklaven in den USA gab«, brachte es einer der Redner auf den Punkt. Zu verstehen sei das nur, wenn man wisse, daß viele US-Konzerne und die US-Armee in Knastfabriken produzieren ließen, in denen die Zwangsarbeit der Gefangenen sie günstiger käme als in jedem Billiglohnland.