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Gabriel: VON JANUAR BIS OKTOBER – DER KAMPF GEHT WEITER !

Gabriel Pomba da Silva

Meinen FreundInnen, Brüdern und Schwestern und/oder GenossInnen

Ich erinnere mich noch als wär`s gestern, an dem Tag, an dem ich – endlich! – diese eisige, aseptische und hermetische Gruft verließ (Ausweisung), nämlich das Hochsicherheitsgefängnis von Aachen in Deutschland… Am 16. Januar 2013 kam ich, von Interpol eskortiert, am Flughafen von Barajas (Madrid) an; von dort führten sie mich zum Gericht bei Plaza Castilla; nicht ohne mich vorher fotografiert (mit speziellem Interesse für die Brust weil sie – vergeblich – hofften, die Tätowierung „FAI/FRI“ vorzufinden) und „Klavier gespielt“ (Fingerabdrücke) zu haben, um sicher zu sein, dass ich tatsächlich ich sei… Muss sagen, dass ich Deutschland eigentlich im Dezember oder November hätte verlassen sollen; aber das wurde plötzlich blockiert, weil die Republik Italien der Bundesanwaltschaft von Karlsruhe einen „OEDE“ (Europäisches Auslieferungsgesuch) gestellt hatte, mit der Absicht, wegen der „Operation Kühnheit“ meine Auslieferung zu veranlassen.


Zum „Glück“ (oder weil ich juristisch „spanischer Staatsbürger“ bin, dessen Auslieferung mit einem vorher von diesem Land gestellten OEDE verlangt wurde) konnten die italienischen „Digos“ (politische Polizei) ihren Frust nicht loswerden (momentan), weil das hohe deutsche Gericht
(nach viel juristisch-polizeilichem Hickhack) entschied, dass die von den R.O.S. – Spezialabteilung der Carabinieri – gegen mich gerichteten „indizienbasierten Anklagen“ nicht genügten (und genügen), um mich an die Republik Italien auszuliefern.
So konnte ich es mir ersparen, das „Bel Paese“ – „Schöne Land“, ironische Bezeichnung der ItalienerInnen für ihr Land – durch seine Gefängnisse und sein juristisches System kennenzulernen…Naiverweise glaubte ich, dass ich mir, endlich, die Digos mit ihren absurden Anklagen „vom Halse geschafft“ habe und nun den Rest meiner legalen Geiselhaft in diesem Land „beenden“ könne…

Ich kann unmöglich alle Eindrücke – Ideen – Gefühle auf einige Seiten Papier bringen, die ich empfand, als ich das Gefängnis von Aachen und Deutschland allgemein hinter mir ließ… Nach 8 ½ Jahren in diesem Land „lebendig begraben“ (23 h pro Tag in eine Zelle gesperrt und 1 h Hofgang täglich) weil ich mich weigerte, „Zwangsarbeiten“ auszuführen und Häftlingskleidung zu tragen (dazu weil meine Korrespondenz systematisch geklaut und sabotiert wurde, womit sie mir die Lust nahmen, in den letzten Jahren konstant zu schreiben…) glaubte ich, „das Schlimmste“ endgültig hinter mir zu haben…
Endlich, nach Mitternacht, traf ich im Gefängnis von „Soto de Real“ ein. Wie groß war doch meine Überraschung, als ich feststellte, WIE SEHR „die Dinge“ sich in diesen fast zehn Jahren erzwungener „Abwesenheit“ (Exil?) in den hispanischen Kerkern verändert hatten!
Bass erstaunt stellte ich fest, dass dieselben Gefangenen (regelrechte Hilfskräfte der Kerkermeister) mit den Kerkermeistern zusammen die Registrierung meiner Habe durchführten. Dieser erste Eindruck war für mich ein schwerer moralischer Schlag.
Erstaunlicherweise (da ich damit rechnete in den 1.Grad gesetzt zu werden und auch nie mehr im FIES zu landen…) empfängt mich am folgenden Tag der Direktor und Vizedirektor, um mir zu sagen, dass sie von der „D.G.I.P.“ – Justizvollzugs-Verwaltungsbehörde – höchstpersönlich angerufen wurden (wörtlich sagten sie mir, dass bei „den Chefs“, als sie meinen Namen sahen, alle „Alarmglocken“ schrillten) um mich fragen zu lassen „mit welchen Absichten ich zurückkehre“. Ironisch antwortete ich, dass meine Absichten immer die gleichen waren (und sein werden): meine Freiheit zu erlangen.

Man teilte mir mit, dass „meine“ Strafe (das wird mir danach auch schriftlich durch ein „Liquidierung des Urteils“ genanntes Papier mitgeteilt) am 10.04.2015 zu Ende sei… und dazu, dass ich im 2. Grad bleiben und so schnell wie möglich in meine Region versetzt werde…

Was soll ich euch sagen? Schließlich „sah es so aus“, als müsse ich nach mehr als 28 Jahren Gefängnis „nur“ noch zwei Jahre warten, um meine heiß ersehnte Freiheit zu genießen.
In den letzten Jahren Geiselhaft in Deutschland ausgegrenzt, isoliert, abgesondert, war nun ALLES was ich erlebte-hörte-fühlte schlicht unerhört…
Es war eine unbeschreibliche akustisch-visuelle-sensorielle-emotionale „Überdosis“… In gewissem Sinne (und im Vergleich zu dem, was ich in Deutschland zu ertragen hatte) fühlte ich mich schon „halb frei“ und lernte schon mit diesem Gefühl der Überwältigung durch meine „neue“
Umgebung „klarzukommen“; mit „vielen Leuten“, viel Hofgang, vielen Farben und einer „schönen Aussicht“ auf die Sierra de Navalcernada…
Das „ einzige“ Negative war festzustellen, dass nun auch die Wärter in den Höfen waren und die Mehrheit der Gefangenen zu Verwaltern ihrer eigenen Gefangenenschaft und auch „Hilfswärter“ geworden waren…

Natürlich wurde ich einem Abteil von „Konfliktiven“ zugeteilt und dort (Módulo 5) verlangten die Kerkermeister, dass ich die Zelle mit einem anderen Gefangenen teilen… Da ich mich total weigerte mit welchem Gefangenen  „die Zelle zu teilen“, wurde ich am 17. Januar nachts ins Isolationsabteil verlegt… und dazu sanktionierten sie mich für zwei (ihrer Meinung nach) „sehr schwere“ Verstöße bzw. „drohen den Gefangenen zu schlagen, mit dem sie mich aufforderten, zusammenleben“ und „Verweigerung und Widerstand“ gegen die Anordnungen der  Kerkermeister.
Nach einem Tag Isolation bringen sie mich am 18. Januar zum Módulo 5 zurück und geben mir dieses Mal eine Einzelzelle… Doch am 30. Januar teilten sie mir mit, dass ich dem FIES 5 zugeteilt bleibe („Sonderregime“). Das nahm ich mit etwas Humor auf; wenigstens (sagte ich mir) musste ich keine „Disziplinarsanktionen“ mehr erwarten von wegen „die Zelle teilen“ mit irgendwem… gut… nun hoffte ich nur, dass meine Versetzung nach Galizien bald erfolgen würde, genauso wie sie es
mir bei meinem Wiedereintritt gesagt hatten.

Am 16. Februar sagten sie mir, ich solle meine „Sachen“ packen, ich würde verlegt. Sie wollten mir nicht sagen, in welches Gefängnis – aber ich nahm an, es sei eines von Galizien. Doch wie staunte ich , als ich merkte, dass sie mich nach Alicante brachten! In Alicante teilten sie mir auch noch die Beschränkung und Kontrolle der Kommunikation (Telefon, schriftlich, usw.) mit… und ich war ratlos.
In den ersten Monaten in Soto de Real (Madrid) sowie in Villena (Alicante) stellen sie mir alle möglichen Hindernisse und Behinderungen in der Kommunikation, auch der telefonischen , sowohl mit meiner Gefährtin als auch mit meiner Familie in den Weg. Doch die Anwesenheit verschiedener ETA – Gefangener macht meinen Aufenthalt etwas angenehmer …
Überraschend entscheidet das D.G.I.P. die Aufhebung der Zuteilung FIES-5 (C.E) und der Kontrolle und Beschränkung der Kommunikation …
Und sie „gewähren“ auch Telefongespräche mit meiner Schwester, meiner Gefährtin und dem Anwalt…
Doch am 3. oder 4.  April sagen sie mir, ich solle meine Sachen packen, ich würde verlegt. Naiverweise denke ich endlich nach Galizien gebracht zu werden…
doch… welche Überraschung(!), als sie mir sagen, es gehe nach Valdemoro! Und wieso werde ich nach Valdemoro gebracht? Die Antwort kommt sofort und am 9. April bringen sie mich vor die Audiencia Nacional: die „Digosse“ hatten den „Gegenangriff“ gestartet. Ich verweigere jegliche Aussage und lehne den (amtlich vorgesetzten) Verteidiger ab. Am 16. April werde ich erneut vorgeladen, diesmal mit meinem Anwalt. Ich habe über die von den R.O.S. gegen mich gerichtete
Anklagen NICHTS zu sagen … doch um mich evtl. „vorübergehend nach Italien auszuliefern“ verfügen sie die „provisorische Freiheit“ solange und weil ich in diesem Land noch eine Strafe absitze und an Deutschland (da es die scheinbar inkriminierenden Indizien der R.O.S. gegen meine
Person abgelehnt und mich nach Spanien überstellt hat um „meine“ Strafe in Spanien abzusitzen) muss ein „internationales Rechtshilfeersuchen“ gestellt werden…
Den April verbringe ich praktisch in Valdemoro und hier habe ich meine erste Kommunikation sowohl mit meiner Schwester als auch mit meiner Gefährtin. Am 30. April befinde ich mich wieder in Alicante.
Am 31. Mai habe ich endlich den ersten „vis a vis „– „Familienzimmer“ mit meiner Gefährtin und periodisch „normalisieren“ sich auch die Telefongespräche und Besuche mit weiteren GenossInnen.
Am 15. Juli verlasse ich endlich das Gefängnis von Villena mit Zielort „A-LAMA“… ich komme am 25. Juli in Galizien an. Am 27. wird mir die „Beschränkung und Kontrolle“ der Kommunikation (einfach „weil ja“) mit Datum 23. Juli (!!) mitgeteilt. Bzw. war ich noch nicht mal in diesem Gefängnis angekommen, als der Vizedirektor entscheidet (persönlicher Entscheid und entgegen den
Entscheiden der D.G.I.P und des J.V.P – Vollzugsüberwachungsgericht – von Villena) einen Schritt zurück zu machen und die „Normen“, „Normativen“ und „Anweisungen“ selbst seiner Vorgesetzten und der Gerichtsbarkeit zu missachten. Und da ich ablehne, diese (einseitige und willkürliche) Abmachung zu unterschreiben, kommt ihm nichts Besseres in den Sinn, als mich am 9. Oktober erneut dem FIES 5 (C.E) zuzuteilen.
Ich habe einfach aufgehört zu schreiben (was immer mein Fenster nach Außen war) seit ich in diesem Gefängnis angekommen bin, weil ich ablehne, das „irgendwer“, der sich als Lokalsatrap aufführt, entscheidet, wem und wann ich zu schreiben und von wem und wann ich lesen soll…

Noch einen drauf sind diese „Liquidationen der Strafe“. Ich begreife wirklich nicht mehr, welch Scheiß-Strafvollzugssystem das denn ist, das mir liefert: a) die Erste in Soto del Real mit Entlassungsdatum nach 4/4 abgesessener Strafe am 10. 4. 2015; b) die Zweite in Villena-Alicante mit Entlassungsdatum im Jahr 2033! Und c) die Dritte in A-LAMA die besagt, ich habe ¾ = bedingte Entlassung im Januar 2015 und die Gesamtstrafe (4/4) 2020 abgesessen. Natürlich läuft gegen all das (die „neue“ Zuteilung zum FIES + Korrespondenzkontrolle + Liquidationen der Strafe) Rekurs beim JVP von Pontevedra. Wenn dieses JVP ihre Gesetze anwendet, sollte ich nächstes Jahr entlassen werden.

Allen GenossInnen muss ich sagen, dass über das hinaus, was ihre „juristischen Papiere“ und ihre dreckigen politischen Manöver sagen mögen, da ich nun 29 Jahre gefangen bin, ich nicht in die Falle der Provokationen dieser Elenden laufen werde, jetzt, wo meine FREIHEIT in Reichweite liegt…
Die Tatsache, dass ich das hier schreibe (meine Wahrheit) kann den Henkern den Vorwand zu neuen „Versetzungen“ (Abteil oder Gefängnis) und/oder zu administrativen „Sanktionen“ liefern. Die Lage in den Gefängnissen in den letzten Jahren erzwungener „Abwesenheit“ hat sich so stark verändert, dass es für mich nicht wieder zu erkennen ist.
„Jetzt“ gibt es (Beginn vor einigen Jahren…) in allen Gefängnissen des spanischen Staates eine „Neuerung“, die sie „Erziehungs- und Respektabteile“ und/oder „Abteile des Zusammenlebens“ nennen. In einigen Gefängnissen sind diese Abteile schon in der Mehrzahl. Aber was heißt das?
Jene, die die Anwendung des Gesetzes wünschen (was von Rechts wegen der Fall sein müsste und nicht von der Einwilligung einiger Usurpatoren abhängen sollte), müssen in eines dieser „Respektabteile“ gehen, wo sie einen Vertrag unterschreiben, in dem sie ihnen die Aktivitäten
„programmieren“, die wie putzen, studieren, Sport treiben usw. usw. sie obligatorisch einhalten müssen (was eben eine Verletzung der Gesetzgebung ist) . Dieselben Gefangenen haben Wärterfunktionen und „technische“ Funktionen zu übernehmen, was bis zur Kontrolle der eigenen
„Mitgefangenen“, zur „Medikamentenabgabe“ ( euphemistisch sind da die Drogen gemeint, mit denen sie die Gefangenen hier abfüllen) und zum Durchsuchen der Mitgefangenen geht, um sie auf illegale Drogen zu kontrollieren oder ob sie in verbotenen Räumlichkeiten rauchen (oder nicht arbeiten).
Sie machen auch „Versammlungen“ wo man einander „verpfeift“. In solch ein Abteil zu gehen, setzt voraus, dass man auf die (gesetzlichen) „Rechte“ der Gefangenen verzichtet (bzw. alles den
Funktionären zu delegieren), die uns „alte KämpferInnen“ soviel Tote und Blut gekostet haben.
Angesichts dessen, was ich gesehen habe (und da ich mich weigere diese Scheiße zu schlucken), ziehe ich es vor, in den sog. „konfliktiven Abteilen“ zusammenzuleben und für meine „Rechte“ (für die ich gekämpft habe) zu streiten und „diese Verantwortung“ nicht einer Bande von Verrätern und Wärtern zu „delegieren“.

Ich möchte unterstreichen, dass das, was ich hier schreibe kein „Aufruf zur Solidarität“ mit meiner Lage will. Es ist bloß eine „Radiographie“ meiner Situation (und anderer, die ihre Hosen auch nicht runtergelassen haben) und eine Feststellung, dass ihr „Rechte und Gesetz“ Schrott sind, ein Fetzen Papier, etwas womit sie „sich“ mit „Ordnung“ und „Legitimität“ schmücken und auch das (legale und bewaffnete) Gewaltmonopol rechtfertigen wollen.
Was ich denke und glaube, habe ich in meinen Texten und jeder Handlung meines Lebens reflektiert (und tue es auf „minderer Skala“ weiter). Meine Solidarität ist jetzt (wie immer) mit allen die kämpfen: Nie besiegt, nie reuig!! Im Kampf, bis wir alle frei sind!!
Für die Anarchie!!!

A-Lama, Oktober 2013
Note: Ich erhalte weder Briefe noch anarchistische Publikationen, aber ich nutze es aus, um das Buch des Genossen Thomas Meyer-Falk zu übersetzen.

Gabriel Pomba da Silva