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Grüße und Statement von Thomas Meyer-Falk zur Aktionswoche für anarchistische Gefangene

Repression ist international und dem gilt es auch eine internationale Bewegung entgegen zu stellen. Von Repression betroffen sind Tierrechts-AktivistInnen ebenso, wie jene die gegen rechtsextreme Burschenschaften protestieren. Jene die für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen streiten, wie jene die für eine Überwindung der bestehenden politischen Verhältnisse kämpfen, sind permanenter Verfolgung, Bespitzelung, Internierung, in vielen Fällen auch Folter und Ermordung ausgesetzt.

Ich selbst werde seit 18 Jahren gefangen gehalten, die ersten Jahre (von 1996 – 2007) in Isolationshaft, seit Juli letzten Jahres nun in Sicherungsverwahrung. Eine Form von Gefängnishaft die am 24. November 1933 die Nationalsozialisten einführten und die auch im 21. Jahrhundert bedenkenlos von der deutschen Regierung und Justiz angewandt wird.
Kein geringerer als Kurt Tucholsky war es, der schon 1928 auf die menschenverachtenden Implikationen hinwies, welche die Sicherungsverwahrung zwangsläufig bedeuten würde (Vgl. Die Weltbühne 1928, S. 839, dort schrieb er u.a. „Nieder mit der Sicherungsverwahrung!“).
In vielen Knästen Europas, wie darüber hinaus, gibt es widerständige Gefangene, teils aus politischen Gründen hinter Gittern gelangt, teils sich dort politisiert.

Ihnen eine Stimme zu geben, ihnen die Möglichkeit zu geben sich zu vernetzen, zu äußern und einzubringen in die Kämpfe, halte ich für einen zentralen Aspekt von Solidarität und Perspektive. In den zurückliegenden Wochen protestierten tausende Gefangene in Griechenland gegen die unmenschlichen neuen Knastgesetze mit einem kollektiven Hungerstreik. Dieser fand, bis auf die üblichen Szenepublikationen, nahezu unter Ausschluss der breiteren Öffentlichkeit statt. Das gilt erst recht für einen Solihungerstreik im Juli 2014. Die diplomatische Bewertung könnte also lauten, dass viele Aktionen eher selbstreferentiellen Charakter haben, jedoch die Wirkmacht oder auch die bloße Kenntnisnahme über unsere Kreise hinaus, recht übersichtlich erscheint.

Eine zweite Perspektive sollte also sein zu überlegen, wie unsere Positionen tiefer in die Gesellschaft hinein getragen werden können. Es dürfte auf der Hand liegen, auch wenn nun Graswurzel-AktivistInnen beginnen unruhig zu werden, dass das nicht ausnahmslos dadurch geschehen kann und wird, in dem man mit Blumen in der Hand: „Flower power!“ und „Give peace a chance.“ rufend durch die Straßen läuft.

Ich selbst sitze nicht deshalb in Haft, weil ich ein Gegner von Aktionsformen bin, die gewaltfrei ablaufen, trotzdem bin ich überzeugt, dass auch solche Aktionen stets kritisch reflektiert werden müssen.

Landet mensch schließlich an solch einem nekrophilen Ort wie es ein Gefängnis nun mal ist, denn hier werden Menschen wie tote Objekte behandelt, nummeriert und in die Löcher gesteckt, die die Systemschergen Zellen (hier in der Sicherungsverwahrung sogar ‚Zimmer‘) nennen, ist jede Unterstützung von draußen, wie ein Lebenselexier, denn die Knastleitungen versuchen einem stets zu vermitteln, mensch sei hier rettungslos verloren, vergessen von der Welt draußen und sollte doch am allerbesten brav kooperieren, dann winke – vielleicht – am Ende einer langen Strecke die Freiheit. Meist ist jedoch das Licht am Ende des Tunnels, nicht das Licht der Freiheit, sondern ein Grablicht – und sei es ’nur‘, dass mensch einen Seelentod stirbt, zermalmt von den Knastmauern.

Dem etwas lebendiges, also ‚biophiles‘, buntes, aufrührerisches im wahrsten Wortsinne, entgegen zu setzen, das sollte die dritte Perspektive, aus Gefangenensicht sein.

Herzschlagende, kämpferische, vor allem: bunte anarchistische Grüße aus Freiburgs Zuchthaus

Thomas Meyer-Falk