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GRUP YORUM IN HAMBURG Solidarität mit verfolgter Band

»Ihr könnt die Lieder nicht verbieten«: Grup Yorum in Hamburg
Von Kristian Stemmler jw 6.10

Sie sind legendär, nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch und vor allem wegen ihres unermüdlichen Kampfes gegen die Repression.

Immer wieder sind Mitglieder der türkischen Band Grup Yorum in den vergangenen Monaten und Jahren in ihrer Heimat verhaftet, eingesperrt und gefoltert worden. Das AKP-Regime verhängte ein Auftrittsverbot, setzte ihre Musiker auf eine Terrorliste. Auch in der BRD wurden deren Auftritte mehrfach unterbunden. Doch das Musikerkollektiv macht auch 35 Jahre nach seiner Gründung weiter. Am Sonntag traten neun Mitglieder von Grup Yorum in der Friedrich-Ebert-Halle im Hamburger Stadtteil Heimfeld vor rund 150 begeisterten Zuhörern auf.

Zu der Veranstaltung unter dem Motto »Meinungs- und Kulturfreiheit – auch in Deutschland« hatte die Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic der Partei Die Linke eingeladen. Sie habe ein Zeichen setzen wollen gegen die Repression, der die Band in der Türkei, aber auch hierzulande ausgesetzt sei, sagte Nastic am Sonntag gegenüber jW. Als menschenrechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag sei ihr das Thema besonders wichtig. Zugleich habe sie der türkischen Band eine Auftrittsmöglichkeit verschaffen wollen, da für Künstler die Coronakrise eine schwere Zeit sei.

In einem Redebeitrag kritisierte Nastic, die deutsche Bundesregierung geriere sich gern als Hüterin der Meinungsfreiheit. Wenn es um Vorgänge in Russland, China, Venezuela oder Belarus gehe, protestiere sie lauthals. Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Regimegegner zu Tausenden einsperren lasse, höre man dagegen kaum etwas. Im Gegenteil, die BRD liefere der Türkei auch noch Waffen und schweige dazu, wenn diese von »dschihadistischen Schergen« der Türkei in Kriegs- und Krisengebieten wie Rojava oder Libyen eingesetzt würden.
Die Linke-Politikerin würdigte Grup Yorum als wichtige Stimme der türkischen Opposition. Auch wenn ihre Auftritte in der Türkei verboten seien, ließen sich die Bandmitglieder »das Wort nicht nehmen«. Die Gruppe ist für ihre politischen Songtexte in mittlerweile 25 Alben bekannt. Sie handeln etwa vom Widerstand in türkischen Gefängnissen, dem Massaker von Islamisten an Aleviten im anatolischen Sivas 1993 oder den Gezi-Park-Protesten 2013 in Istanbul.
Auch Metin Kaya, Bürgerschaftsabgeordneter der Partei Die Linke in Hamburg, würdigte ihren Kampf in einer Rede. Die Musiker setzten sich ein für eine Welt, in der alle frei leben könnten und »Kinder abends nicht mit leeren Bäuchen ins Bett gehen müssen«. Grup Yorum habe vor 100.000 Zuhörern gespielt – das sei dem Erdogan-Regime ein Dorn im Auge, darum habe es vor vier Jahren ein Auftrittsverbot erlassen. Das AKP-Regime wolle die Musiker »brechen und ihnen den Mund verbieten«, sagte Kaya. Die deutschen Behörden leisteten dabei »auch noch Amtshilfe«.

Eine Sängerin der Band erinnerte vor dem Auftritt an die beiden Musiker von Grup Yorum, die in diesem Jahr nach langem Todesfasten gestorben sind. Im April starb im Alter von nur 28 Jahren die Sängerin Helin Bölek nach 288 Tagen im Hungerstreik. Anfang Mai folgte ihr der 41jährige Bassist Ibrahim Gökcek nach 323 Tagen. Mit dem Todesfasten hatten sie gegen ihre eigene Inhaftierung und die weiterer Bandmitglieder sowie das Konzertverbot protestiert, wollten aber auch auf die Situation anderer politischer Gefangenen in der Türkei aufmerksam machen.
»Ihr könnt die Lieder nicht verbieten. Der Kampf wird weitergehen. Wir werden Schulter an Schulter zusammenstehen«, rief ihre Kollegin in der Friedrich-Ebert-Halle. Dann setzte die kraftvolle Musik ein, die Traditionelles und Modernes vereint.