Im Frühjahr 2019 wurde Herr H. aus der JVA Straubing (Bayern) nach Freiburg verlegt. Zur Sicherungsverwahrung (SV) verurteilt wurde H., nachdem er in einer ostdeutschen Haftanstalt eine Geiselnahme begangen hatte. Seitdem wird er von JVA zu JVA weiter gereicht. Hier in der JVA Freiburg soll sich nun der Vollzugsleiter, Sozialamtmann G. von ihm bedroht fühlen, zumindest erzählt das so Herr H. Was war passiert?
Die Vorgeschichte
Nach einer umfangreichen Hauptverhandlung war H. ursprünglich wegen Mordes zu einer zeitlich befristeten Haftstrafe in Hessen verurteilt worden. Seine hessische Mundart hat er bis heute nicht verloren. Jedenfalls soll er dann in subkulturelle Aktivitäten verstrickt gewesen sein und wurde aus „Sicherheitsgründen“ in ein anderes Bundesland verlegt, so gelangte er damals in den Osten der Republik, wo er sich jedoch völlig fehl am Platze fühlte. Wie er erzählte, habe er dort zwei Geiselnahmen in Gefängnissen begangen, ausschließlich mit dem Ziel, wieder „in den Westen“ verlegt zu werden. Für die letzte Geiselnahme wurde er neben der Freiheitsstrafe zusätzlich zur Unterbringung in der SV verurteilt. Er trat dann seine SV tatsächlich in Hessen an, war also letzten Endes doch wieder in seine Heimat verlegt worden. Freilich war dies nicht von langer Dauer, denn erst wurde er dann nach Bayern und zuletzt nun nach Baden-Württemberg verlegt. Warum genau, das wurde in den Gesprächen mit ihm nicht ganz klar.
Der Aufenthalt in Freiburg
In seiner ihm eigenen, durchaus dominant zu nennenden Art machte Herr H. von Anfang an keinen Hehl daraus, dass das hier in Freiburg eine „Drecksanstalt“ sei. Alles fing damit an, dass er einen Großteil seiner Sachen, die er in vorherigen Anstalten besitzen durfte, hier gar nicht erst ausgehändigt bekam. Tatsächlich rangiert die JVA Freiburg, was den Zellenbesitz angeht am untersten Ende im republikweiten Vergleich. Wo andernorts mondernste Spielkonsolen, USB-Sticks, Kaffeevollautomaten, Festplatten, Bastelutensilien für Holzarbeiten, Stereoanlagen mit vier externen Lautsprechern, ja sogar Computer in den SV-Zellen stehen, endet in Freiburg die Besitzmöglichkeit was moderne Technologie angeht bei einer X-Box 360 (die man für über 300 € bei einem Monopolisten kaufen muss, der sie zuvor technisch auf Wunsch der Anstalt modifiziert hat): Mit Müh und Not werden mittlerweile Stereoanlagen mit zwei externen Lautsprechern zugelassen, sowie einfache Kaffeemaschinen. Aber Computer in den Zellen, USB-Sticks, Festplatten, aktuelle Spielekonsolen und so weiter, all das ist hier in Freiburg verboten.
Damit war die Stimmung schon im Keller, als Herrn H. bei seinem Zugang die allermeisten Sachen vorenthalten wurden. Als er dann feststellte, dass die Bewegungsmöglichkeit in der SV-Einrichtung sich weitestgehend auf die eigene Station und partiell den Hof beschränkte, war der Ofen ganz aus. „Was für ein Drecksladen!“, so seine Kurzzusammenfassung, denn aus den bisherigen SV-Anstalten war er gewohnt, dass man sich in der ganzen Einrichtung frei bewegen konnte. Dass die Zellen zudem nur 14 m² groß waren, man ferner eine Dusche und kleine Küche auf der Station nutzen muss, während in Bayern die Zellen über 20 m² messen und zudem über eigene Dusche und Herd, also im Haftraum, verfügen, stimmte ihn auch nicht gemütlicher.
Seine Abneigung gegen Sexualtäter vereiste zu Anfang ein wenig die Atmosphäre auf der Station, zumindest bei jenen die hier wegen Sexualtaten einsitzen, denn aus seiner Abscheu vor diesen Tätern machte er keinen Hehl. Mit 59 Jahren war er nun im Blinddarm des Vollzugssystems angekommen, saß erst wenige Jahre in der SV und seine Chancen, entlassen zu werden, sie waren und sind für die nächsten fünf, zehn und mehr Jahre wohl verschwindend gering zu nennen.
Er freundete sich ein wenig mit Shorty an, jenem 41-jährigen jungen Mann mit ADHS, von dem ich gelegentlich schon berichtet habe. Sie spielten jeden Tag Schach, kochten nahezu täglich und waren sich einig in ihrer Abneigung gegenüber dem System Sicherungsverwahrung im allgemeinen und der Situation in Freiburg im besonderen.
Konflikte mit der Anstaltsleitung
Eben auch weil Herr H. über einen eigenen direkten Vergleich der Haftbedingungen mit anderen Haftanstalten verfügte, forderte er von der Anstaltsleitung in Freiburg eine Anpassung an jene Verhältnisse anderer Bundesländer, biss damit jedoch weitestgehend auf Granit. Der Grad der Unzufriedenheit wuchs spürbar Woche um Woche.
Mittlerweile richtete H. diverse Beschwerden an das Justizministerium und wurde daraufhin vom zuständigen Vollzugsleiter, Herrn G. zu den einzelnen Beschwerdepunkten persönlich befragt. Schon in den zurückliegenden Monaten hatten die beiden sich gelegentlich miteinander unterhalten und Herr G. bekam von ihm den Spitznamen „Der Schal“, weil der Vollzugsleiter oftmals einen bunten Schal um den Hals geschlungen trug. Es spitzten sich die Konflikte mit diesem immer weiter zu, denn bloßes schönes Reden über Probleme im Vollzugsalltag löst diese noch nicht auf.
Das letzte Gespräch zeigte massive Folgen!
Der 2. Oktober 2019
Er möge doch bitte mal mitkommen zum Bereichsdienstleiter, so wurde Herr H. eingeladen, dem Beamten zu folgen. Was das wohl bedeuten möge, rätselten die anderen Insassen im Freizeitraum der Station. Als plötzlich ein Vorhang vor den Sicherheitstüren der Station zugezogen wurde, war es offenkundig, Herr H. würde wohl abgeführt werden und damit keine Insassen das Geschehen würden beobachten können, eben jener Vorhang.
Wenige Tage zuvor soll Herr H. dem Vollzugsleiter gegenüber auftrumpfend erklärt haben, er wisse wo und wann dieser geboren sei. Es solle zudem mehrere Vollzugsbeamte geben, die ihn mit Informationen versorgen würden. Shorty war mit bei dem Gespräch dabei. Offenbar soll sich nun der Vollzugsleiter von Herr H. bedroht fühlen. Da Tage zuvor im Rahmen einer Razzia von Polizei und Staatsanwaltschaft in der Strafhaft nach Drogen und Schmuggelware gesucht wurde und unter anderem eine Beamtin suspendiert worden sein soll, da sie in Verdacht steht, derartiges in die Anstalt geschmuggelt zu haben, mag man auch der Aussage von Herrn H., es gebe in der SV-Abteilung Bedienstete, die ihn mit Informationen versorgen würden, besonderes Gewicht beigemessen haben.
Im Falle Shortys reagierte die Anstalt übrigens auch noch. Shorty berichtete davon, der Anstalt erzählt zu haben, dass er über einen therapeutischen Abschlussbericht bezüglich des Vollzugsleiters verfüge, der selbst mal in Behandlung gewesen sein soll. Prompt wurde Shortys Zelle durchsucht und alles was nach Papieren aussah, selbst die Zeitungen, mitgenommen, gesondert eingelagert und dann Blatt für Blatt durchsucht. Gefunden wurde nichts.
Herr H. kam am Spätnachmittag des besagten 2. Oktober in die Absonderungssation der Strafhaftabteilung. Er habe, wie er mir in der folgenden Woche schrieb, alleine Hofgang, trage es aber locker, er sei schließlich Einzelhaft gewohnt. Einzelhaft bedeutet die getrennte Unterbringung von allen anderen Mitgefangenen, mensch befindet sich Tag und Nacht alleine in der Zelle, sieht man von der einen Stunde Hofgang ab, die einem gesetzlich zustehen.
Der weitere Verlauf
Zwischenzeitlich wurde die Zelle von Herrn H. durchsucht und geräumt. Er soll wohl, wie es heißt, in ein anderes Bundesland verlegt werden. Bei Shorty ging es auch noch weiter, fast ein bisschen lustig. Er hatte auf der Rückseite einer Fotokopie „Hausaufgaben“ für seine Einzeltherapie erledigt. Seine Therapeutin, Frau Dr. S., die therapeutische Leiterin der SV-Einrichtung soll dann, so erzählt es Shorty, messerscharf die Fotokopie als Röntgenaufnahme identifiziert haben. Hierzu befragt, habe er erklärt, es handele sich um die Aufnahme des Knies des Vollzugsleiters G.! Angesichts der Vorgeschichte war man nicht amüsiert, aber es klärte sich rasch auf, dass hier kein Kniegelenk zu sehen war sondern die etwas unscharfe Aufnahme einer Figur aus einem Computerspiel, welche Shorty als Vorlage für seine Tätigkeit in der Arbeitstherapie dient, wo er nämlich aus einem Holzblock eben diese Figur schnitzen soll.
Bewertung und Ausblick
Die Vollzugsbediensteten wissen um die intimsten Details der Insassen, aber wehe es wird dann gewissermaßen seitens der Insassen „zurückbeobachtet“. Ich selbst erfuhr gelegentlich auch schon irritierte Reaktionen von Bediensteten, wenn ich Gespräche mitprotokollierte, oder dann über Beobachtungen auf meinem Blog berichtete. Sowas sei zumindest ungehörig! Normal sei es schon gar nicht. In der Tat, es ist aus Sicht der Justiz „normal“, Insassen zu durchleuchten, aber die Durchleuchter selbst, sie wollen unerkannt im Schatten bleiben. Da gerät dann selbst die Information, der Vollzugsleiter gehe gerne angeln, fast zur Staatsaffäre, wie mir der Mitverwahrte W. berichtet. Er habe, schon vor längerem, Herrn G. einen schönen Feierabend und viel Spaß beim Angeln gewünscht. Daraufhin sei er von einem aufgeregt wirkenden Herrn G. befragt worden, wie er dazu komme, über solche Informationen über sein Privatleben zu verfügen.
Es ist spannend zu beobachten, wie wirklich belanglose Informationen zu einer massiven Reaktion führen, sollte sich herausstellen, dass es wirklich nur jenes Gespräch war zwischen G. und H. das zu der Anordnung der Einzelhaft führte.
Die Lebensbedingungen für Herrn H. haben sich massiv verschlechtert, daran ändert auch nichts die Tatsache, dass ihm die Isohaft vertraut ist und er sich gut mich sich selbst zu beschäftigen weiß. Er wird mutmaßlich in ein anderes Bundesland weitergereicht werden. Eine realistische Perspektive auf Freilassung hat er nicht, denn mit seinem Vorleben, der weiteren Ereignisse in den Haftanstalten und angesichts der Tatsache, dass er fast schon 60 Jahre alt ist, wo man altvertraute Gewohnheiten und Einstellungen noch viel schwerer aufgibt als in jüngeren Jahren, wird er wohl auf unabsehbare Dauer hinter Gittern weilen
Thomas Meyer-Falk, z. Zt. Justizvollzugsanstalt (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-7910 Freiburg
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