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Hessisches Justizministerium verschanzt sich in JVA-Butzbach-Affäre hinter Falschbehauptungen

– GG/BO fordert Rücktritt von Kühne-Hörmann
Berlin, 27. November 2015

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
in den vergangenen Tagen ist viel geschrieben worden über den Protest der Interessenvertretung der Gefangenen (IVdG) und der GG/BO-Sektion Butzbach. Viele JournalistInnen haben sich um eine objektive Berichterstattung in dieser Angelegenheit bemüht. Dennoch kursierten auch in der Presse immer wieder Fehlinformationen und falsche Verknüpfungen von Sachverhalten, verbreitet von der hessischen Justizministerin und deren Sprecher René Brosius-Linke. Die GG/BO sieht sich daher veranlasst, zunächst einige Fakten klarzustellen.

 

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1) In der Frankfurter Rundschau vom 25.11.2015 wird Herr Brosius-Linke mit der Behauptung zitiert, der Staat sei „eigentlich gar nicht dazu verpflichtet, [Gefangene] zu entlohnen“. Das Justizministerium täte gut daran, einen Blick ins landeseigene Strafvollzugsgesetz zu werfen, in dem die Entlohnung Gefangener gesetzlich vorgeschrieben ist. Sollte ihn das hessische Gesetz nicht überzeugen, hilft auch die Lektüre mehrerer Urteile des Bundesverfassungsgerichts, um zu erkennen, dass der Staat sich bewusst im Sinne des Resozialisierungsauftrags dazu verpflichtet hat, Gefangene zu entlohnen. Demnach ist die Arbeitspflicht im Strafvollzug nur zulässig, „wenn dem Gefangenen durch die Höhe des ihm zukommenden Entgelts in einem Mindestmaß bewußt gemacht werden kann, daß Erwerbsarbeit zur Herstellung der Lebensgrundlage sinnvoll ist.“ (Vgl. 2 BvL 17/94).
Es steht Herrn Brosius-Linke frei, die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung in Frage zu stellen, nicht aber, sie für das hessische Justizministerium eigenmächtig umzuschreiben.

2) Die Bad Vilbeler Neue Presse zitiert am 24.11.2015 Herrn Brosius-Linke mit der Behauptung, dass „der Aufruf der Berliner Gefangenen bisher bei keiner anderen Haftanstalt auf erkennbare Resonanz“ gestoßen sei. Dies ist eine Anhäufung von Fehlinformationen.
Zum einen existiert kein Aufruf von Berliner Gefangenen – auch nicht von Butzbacher Gefangenen – in andere Haftanstalten, außer vielleicht in der Fantasie dieses Mannes. Es gibt lediglich den Entschluss zu dieser Aktion, den Inhaftierte der IVdG Butzbach und der GG/BO-Sektion Butzbach gefasst haben, nachdem ihr Anschreiben an die Justizministerin vom 29.09.2015 keine erkennbare Reaktion erfuhr. Die GG/BO hat diesen Entschluss zunächst nur an die Öffentlichkeit getragen. Sollten die Gefangenen allerdings zum Mittel des Hungerstreiks greifen müssen, wird die GG/BO voll hinter den Protestierenden stehen.
Zum anderen ist auch die Behauptung, es gebe auf die Proteste keine Resonanz, falsch. Es hat sich bundesweit das „Netzwerk für die Rechte inhaftierter Arbeiter_innen“ gebildet, in welchem sich Menschen aus verschiedenen Gewerkschaften, Parteien, Universitäten usw. zum Zwecke der Unterstützung der Butzbacher Forderungen organisieren.

3) In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25.11.2015 lesen wir, dass Herr Brosius-Linke nicht nur eine fragwürdige Einstellung zu Grundrechten hat, sondern auch glaubt, über unsere Mitgliederzahlen Auskunft geben zu können. Herr Brosius-Linke sei darauf hingewiesen, dass er Sprecher des hessischen Justizministeriums ist, nicht aber Sprecher der GG/BO. Fakt ist, dass die GG/BO in der JVA Butzbach derzeit knapp 50 Mitglieder hat, die sie anhand der Mitgliedsanträge jederzeit nachweisen kann.

4) In verschiedenen Zeitungen wird Frau Kühne-Hörmanns Sprecher mit der Aussage zitiert, die GG/BO sei keine Gewerkschaft, da Gefangene keine Arbeitnehmer seien. Wir fordern Herrn Brosius-Linke auf zu benennen, in welchem Gesetz geschrieben steht, dass nur Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Arbeitsgerichtsgesetz das Recht auf Bildung einer Gewerkschaft hätten – während Artikel 9 (3) Grundgesetz, Artikel 8 (1)a des UN-Sozialpakts sowie die ILO (International Labour Organization) Convention No. 87 gleichermaßen verankern, dass die Koalitionsfreiheit ausdrücklich für jedermann gilt.

5) Im Wiesbadener Tagblatt vom 19.11.2015 sowie in der Gießener Allgemeinen vom 20.11.2015 lesen wir, dass das hessische Justizministerium mit einem Betrag von 3000 € hantiert, den Gefangene den Staat monatlich kosten sollen. Auch hier sehen wir das Ministerium in der Pflicht, diese Zahl nachvollziehbar zu belegen. Abgesehen davon unterlässt Herr Brosius-Linke es zu erwähnen, dass die Finanzierung der Haftanstalten zu den hoheitlichen Aufgaben des Staats gehört und nicht eins zu eins auf die Inhaftierten abgewälzt werden kann.
Dass der von Herrn Brosius-Linke kolportierte Unfug von schlechtem Diskussionsstil zeugt, ist eine Sache. Von noch schlechterem Stil aber nimmt sich die Verweigerung des Dialogs mit den Gefangenen vor dem Hintergrund aus, dass gestern die Neufassung des hessischen Strafvollzugsgesetzes verabschiedet wurde. Angesichts der Tatsache, dass sich eine Reihe von Forderungen der Butzbacher auf Inhalte des Gesetzes beziehen, wäre es der geeignete Zeitpunkt gewesen, die Inhaftierten anzuhören. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Frau Kühne-Hörmann hier nicht nur eine Chance verpasst, sondern gezielt darauf hingemauert hat, die Gefangenen vor vollendete Tatsachen zu stellen. Für die GG/BO hat sie damit jede Glaubwürdigkeit als geeignete Ansprechpartnerin verwirkt.
„Die Gefangenen hatten sich anfangs in der Hoffnung auf Hilfe für Lösungen an die Justizministerin gewandt. Frau Kühne-Hörmann hat ihnen seitdem nichts als Arroganz, Ablenkungsmanöver und Scheinargumente entgegengebracht. Es reicht. Wir fordern nunmehr ihren Rücktritt,“ fasst GG/BO-Sprecher Oliver Rast zusammen.

Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)
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